Выбрать главу

»Ooo-kay«, sagte Tantalus. »Nett von dir, uns diese sinnlosen Zahlen mitzuteilen.«

»Das sind Koordinaten«, sagte ich. »Länge und Breite. Ich, äh, ich hab mal was darüber in Geografie gelernt.«

Sogar Annabeth sah beeindruckt aus. »30° 31’ Nord, 75° 12’ West. Er hat Recht! Die Grauen Schwestern haben uns die Koordinaten verraten. Das muss irgendwo im Pazifik sein, vor der Küste von Florida. Das Meer der Ungeheuer! Wir brauchen einen Auftrag!«

»Moment mal«, sagte Tantalus.

Aber die Campbewohner stimmten ein: »Wir brauchen einen Auftrag! Wir brauchen einen Auftrag!«

Die Flammen loderten höher.

»Das ist nicht nötig«, beharrte Tantalus.

»WIR BRAUCHEN EINEN AUFTRAG! WIR BRAUCHEN EINEN AUFTRAG!«

»Schön«, brüllte Tantalus und seine Augen blitzten vor Wut. »Ihr Rotzgören wollt, dass ich einen Auftrag erteile?«

»JA!«

»Wie ihr wollt«, stimmte er zu. »Ich werde eine würdige Person beauftragen, diese gefährliche Reise zu unternehmen, und diese Person soll das Goldene Vlies holen und ins Camp bringen … oder bei diesem Versuch ihr Leben lassen.«

Mein Herz hämmerte vor Aufregung. Ich wollte mir von Tantalus keine Angst machen lassen. Das hier musste ich einfach tun. Ich würde Grover und das Camp retten. Nichts würde mich davon abhalten.

»Ich werde dieser Person erlauben, das Orakel zu konsultieren«, verkündete Tantalus. »Und sich zwei Begleiter für die Reise auszusuchen. Und ich glaube, es liegt auf der Hand, wer diese Person sein wird.«

Tantalus sah Annabeth und mich an, als ob er uns am liebsten bei lebendigem Leib die Haut abgezogen hätte. »Es muss sich um eine Person handeln, die sich die Achtung des Camps verdient hat, die sich beim Wagenrennen als fähig und bei der Verteidigung der Grenzen als mutig erwiesen hat. Du wirst den Auftrag übernehmen … Clarisse!«

Das Feuer flackerte in allen Regenbogenfarben.

Die Bewohner der Ares-Hütte fingen an, mit den Füßen zu trampeln und zu jubeln: »CLARISSE! CLARISSE!«

Clarisse erhob sich mit verblüfftem Gesicht und ihre Brust schwoll vor Stolz. »Ich nehme den Auftrag an.«

»Moment mal«, brüllte ich. »Grover ist mein Freund. Und ich hatte den Traum!«

»Setzen«, schrie einer aus der Ares-Hütte. »Du hast vorigen Sommer deine Chance gehabt!«

»Ja, er will nur wieder im Rampenlicht stehen«, sagte ein anderer.

Clarisse sah mich wütend an. »Ich nehme den Auftrag an«, sagte sie noch einmal. »Ich, Clarisse, Tochter des Ares, werde das Lager retten.«

Die Ares-Leute jubelten. Annabeth protestierte und die anderen Athene-Kinder sprangen ihr bei. Auch die übrigen ergriffen jetzt Partei – alle brüllten und stritten sich und warfen mit Marshmallows. Ich rechnete schon mit einem ausgewachsenen Marshmallow-Krieg, als Tantalus brüllte: »Still, ihr Rotzgören!«

Sein Tonfall haute sogar mich um.

»Setzen«, befahl er. »Und dann erzähle ich euch eine Gespenstergeschichte.«

Ich hatte keine Ahnung, worauf er hinauswollte, aber alle kehrten widerwillig zu ihren Plätzen zurück. Die böse Aura, die Tantalus ausstrahlte, war stärker als die jedes Ungeheuers, das mir jemals über den Weg gelaufen war.

»Es war einmal ein sterblicher König, der von den Göttern geliebt wurde.« Tantalus legte die Hand auf seine Brust und ich hatte das Gefühl, dass er von sich selbst redete.

»Dieser König«, sagte er, »durfte sogar zu den Festen den Olymp besteigen, aber als er versuchte, Ambrosia und Nektar mit zurück auf die Erde zu nehmen, um das Rezept herauszufinden – nur eine einzige kleine Tupperdose –, da wurde er von den Göttern bestraft. Sie verbannten ihn für alle Ewigkeit aus ihren Hallen. Sein eigenes Volk machte sich über ihn lustig. Seine Kinder pöbelten ihn an. Und ja, ihr könnt mir glauben, er hatte schreckliche Kinder. Kinder wie – euch!«

Er zeigte mit einem krummen Finger auf mehrere Leute im Publikum, auch auf mich.

»Wisst ihr, was er mit seinen undankbaren Kindern gemacht hat?«, fragte Tantalus dann mit sanfter Stimme. »Wisst ihr, wie er den Göttern diese grausame Strafe heimgezahlt hat? Er hat die Olympier zu einem Fest in seinen Palast eingeladen, einfach um zu beweisen, dass er nicht sauer auf sie war. Niemand bemerkte, dass seine Kinder nicht da waren. Und als er den Göttern dann das Essen servierte, meine Lieben, könnt ihr euch denken, was der Eintopf enthielt?«

Niemand wagte zu antworten. Das Feuer glühte dunkelblau und spiegelte sich unheilvoll in Tantalus’ finsterem Gesicht.

»Natürlich haben die Götter ihn nach seinem Tod bestraft«, rief Tantalus mit heiserer Stimme. »Das haben sie getan. Aber er hat seinen Moment der Befriedigung gehabt, versteht ihr? Seine Kinder haben ihm nie wieder widersprochen oder seine Autorität angezweifelt. Und wisst ihr was? Angeblich geht der Geist dieses Königs gerade hier in diesem Camp um und wartet auf eine Möglichkeit, sich an undankbaren, widerspenstigen Kindern zu rächen. Und deshalb … noch irgendwelche Beschwerden, ehe wir Clarisse zu ihrem Auftrag aufbrechen lassen?«

Schweigen.

Tantalus nickte Clarisse zu. »Das Orakel, meine Liebe. Also los.«

Sie trat verlegen von einem Fuß auf den anderen, offenbar wollte nicht einmal sie die ehrenvolle Stellung von Tantalus’ Liebling bekleiden. »Sir …«

»Los!«, fauchte er.

Sie machte eine unbeholfene Verbeugung und lief hinüber zum Hauptgebäude.

»Und was ist mit dir, Percy Jackson?«, fragte Tantalus. »Kein Kommentar von unserem Tellerwäscher?«

Ich sagte nichts. Ich wollte ihm nicht den Triumph gönnen, mich ein weiteres Mal bestrafen zu können.

»Gut«, sagte Tantalus. »Und ich möchte alle daran erinnern: Niemand verlässt dieses Camp ohne meine Erlaubnis. Und wer es versucht … besser gesagt, wer den Versuch überlebt, wird für immer verbannt, aber so weit wird es nicht kommen. Die Harpyien werden von nun an dafür sorgen, dass die Sperrstunde eingehalten wird, und die haben immer Hunger. Gute Nacht, meine Lieben. Schlaft schön!«

Tantalus löschte mit einer Handbewegung das Feuer und die Campbewohner trotteten durch die Dunkelheit zu ihren Hütten.

Ich konnte Tyson das alles nicht erklären. Er wusste, dass ich traurig war. Er wusste, dass ich eine Reise machen wollte und dass Tantalus mich daran hinderte.

»Gehst du trotzdem?«, fragte er.

»Ich weiß nicht«, gab ich zu. »Das wäre schwierig. Sehr schwierig.«

»Ich helf dir.«

»Nein. Ich … äh, das könnte ich niemals von dir verlangen, Großer. Zu gefährlich.«

Tyson schaute auf die Metallstücke, die er auf seinen Knien zusammenfügte – Federn und Schrauben und kleine Drähte. Beckendorf hatte ihm Werkzeug und Einzelteile gegeben und jetzt war Tyson jede Nacht mit Basteln beschäftigt, auch wenn ich nicht begriff, wie seine Pranken mit diesen winzigen zerbrechlichen Teilen klarkamen.

»Was baust du da?«, fragte ich.

Tyson gab keine Antwort. Tief in seiner Kehle war ein Wimmern zu hören. »Annabeth kann Zyklopen nicht leiden. Du … willst nicht, dass ich mitkomme?«

»Ach, das ist nicht der Grund«, sagte ich halbherzig. »Annabeth mag dich. Wirklich.«

Er hatte Tränen in den Augenwinkeln.

Ich dachte daran, dass Grover, wie alle Satyrn, die Gefühle der Menschen lesen konnte. Ich fragte mich, ob Zyklopen über dieselbe Fähigkeit verfügten.

Tyson wickelte sein Bastelprojekt in eine Ölplane. Er legte sich auf sein Bett und presste das Bündel an sich wie einen Teddybären. Als er sich zur Wand drehte, konnte ich die seltsamen Narben auf seinem Rücken sehen. Jemand schien ihn mit einem Traktor überfahren zu haben. Ich fragte mich zum millionsten Mal, wie er sich so verletzt haben konnte.

»Daddy war immer lieb zu m-mir«, schluchzte er. »Aber … jetzt finde ich es gemein von ihm, dass er einen Zyklopensohn hat. Ich hätte nicht geboren werden dürfen.«

»Sag doch so was nicht. Poseidon hat dich anerkannt, oder etwa nicht? Also musst du ihm … wichtig sein … sehr wichtig …«