Выбрать главу

»Schnuckelchen!«, brüllte das Monster hinter dem Steinquader.

Grover wimmerte und fing wieder an zu weben.

Die Kammer bebte, als der Quader beiseitegestoßen wurde. Dahinter tauchte ein so riesenhafter Zyklop auf, dass er Tyson wie einen Zwerg wirken ließ. Er hatte gezackte gelbe Zähne und knotige Hände, die so groß waren wie mein ganzer Körper. Er trug ein verwaschenes lila T-Shirt mit der Aufschrift SCHAF-EXPO 2001. Er war mindestens viereinhalb Meter groß, aber das Grässlichste an ihm war sein riesiges milchiges Auge – es war vernarbt und von Star überzogen. Er war vielleicht nicht ganz blind, aber sehr viel konnte da nicht fehlen.

»Was machst du denn da?«, wollte das Monster wissen.

»Nichts«, sagte Grover mit seiner Fistelstimme. »Ich webe meine Brautschleppe, das siehst du doch.«

Der Zyklop schob eine Hand ins Zimmer und tastete herum, bis er den Webstuhl gefunden hatte. Er befühlte das Gewebe. »Das ist ja gar nicht länger geworden.«

»Äh, öh, doch, ist es wohl, Liebster. Siehst du? Es ist mindestens drei Zentimeter länger.«

»Das dauert viel zu lange!«, brüllte das Monster. Dann schnüffelte es. »Du riechst gut. Wie Ziegen!«

»Ach.« Grover zwang sich ein schwaches Kichern ab. »Gefällt dir das? Das ist Eau de chèvre. Ich nehm es nur für dich.«

»Mmmm!« Der Zyklop zeigte seine spitzen Zähne. »Zum Fressen gut!«

»Ach, was bist du für ein Charmeur!«

»Aber jetzt will ich nicht mehr warten!«

»Aber Lieber, ich bin noch nicht fertig.«

»Morgen!«

»Nein, nein. Noch zehn Tage.«

»Fünf!«

»Na gut, dann sieben. Wenn du darauf bestehst!«

»Sieben. Das ist weniger als fünf, oder?«

»Aber natürlich. O ja.«

Das Monster knurrte und war durchaus nicht zufrieden mit diesem Handel, aber es überließ Grover seiner Weberei und rollte den Quader wieder an seinen Platz.

Grover schloss die Augen und rang zitternd nach Atem, um sich zu beruhigen.

»Beeil dich, Percy«, murmelte er. »Bitte, bitte, bitte!«

Ich wurde von einer Schiffssirene und einer Lautsprecherstimme geweckt – irgendein Typ mit australischem Akzent, der sich irgendwie zu glücklich anhörte.

»Guten Morgen, liebe Mitreisende! Wir werden den ganzen Tag auf See verbringen. Hervorragendes Wetter für eine Mambo-Party am Pool. Und vergessen Sie nicht das Eine-Million-Dollar-Bingo in der Kraken-Lounge um ein Uhr. Und für unsere besonderen Gäste gibt es Mordgolf auf der Promenade.«

Ich fuhr im Bett hoch. »Was hat er gesagt?«

Tyson stöhnte, er schlief noch halb. Er lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Sofa, seine Füße ragten so weit über die Kante vor, dass sie sich im Badezimmer befanden. »Der glückliche Mann hat gesagt … Bordgolf?«

Ich hoffte, dass er Recht hatte, aber da wurde wütend an die Tür geklopft. Annabeth schaute herein, ihre blonden Haare standen wild durcheinander. »Mordgolf?«

Als wir alle angezogen waren, wagten wir uns nach draußen und entdeckten zu unserer Überraschung andere Reisende. Ein Dutzend älterer Leute steuerte den Frühstückssalon an. Ein Vater führte seine Kinder zum Morgenschwimmen im Pool. Mannschaftsmitglieder in frischen weißen Uniformen schlenderten über Deck und tippten an ihre Mützen, wenn ihnen Reisende begegneten.

Niemand fragte, wer wir seien. Niemand achtete so richtig auf uns. Aber irgendetwas stimmte hier nicht.

Als die Schwimmfamilie an uns vorüberging, sagte der Vater zu seinen Kindern: »Wir machen eine Kreuzfahrt. Das macht Spaß.«

»Ja«, sagten die drei Kinder wie aus einem Munde und mit ausdruckslosen Gesichtern. »Wir amüsieren uns köstlich. Wir werden im Pool schwimmen.«

Dann gingen sie weiter.

»Guten Morgen«, sagte ein Mannschaftsmitglied mit glasigen Augen zu uns. »Hier an Bord der Prinzessin Andromeda amüsieren sich alle. Ich wünsche euch einen schönen Tag.«

Er ging weiter.

»Percy, das ist nicht normal«, flüsterte Annabeth. »Die scheinen alle in einer Art Trance zu sein.«

Wir gingen an einer Cafeteria vorbei und sahen das erste Ungeheuer.

Es war ein Höllenhund – ein schwarzer Mastiff, der seine Vorderpfoten auf das Büfett gelegt und seine Schnauze in den Rühreiern vergraben hatte. Er war sicher noch jung, denn er war klein im Vergleich zu den meisten anderen seiner Art, nicht größer als ein Grizzlybär. Trotzdem erstarrte mein Magen zu Eis. Ich wäre von so einem fast mal umgebracht worden.

Das Seltsame war: Ein Paar mittleren Alters stand gleich hinter dem Höllenhund vor dem Büfett an und wartete geduldig darauf, bei den Eiern zulangen zu können. Den beiden schien gar nichts aufzufallen.

»Kein’ Hunger mehr«, murmelte Tyson.

Noch ehe Annabeth oder ich etwas sagen konnte, erklang hinten auf dem Gang eine Reptilienstimme: »Noch ssssechssss sssseit gessstern.«

Annabeth zeigte hektisch auf das nächstgelegene Versteck – die Damentoilette – und wir stürzten alle drei hinein. Ich war so fertig, dass ich nicht einmal auf die Idee kam, verlegen zu sein.

Etwas – oder eher zwei Etwasse – glitten vor der Tür vorüber, was sich anhörte wie Sandpapier auf Teppich.

»Yessss«, sagte eine zweite Stimme. »Er ssssieht sssie an. Bald ssssind wir ssssstark.«

Die Etwasse glitten in die Cafeteria, mit einem kalten Zischen, das vielleicht ein Schlangenlachen sein konnte.

Annabeth sah mich an. »Wir müssen weg hier!«

»Meinst du vielleicht, ich will in der Damentoilette bleiben?«

»Ich meine das Schiff, Percy. Wir müssen runter vom Schiff!«

»Riecht schlecht«, sagte Tyson zustimmend. »Und Hunde essen alle Eier. Annabeth hat Recht. Wir müssen weg von Klo und Schiff.«

Ich bekam eine Gänsehaut. Wenn Annabeth und Tyson wirklich einmal einer Meinung waren, war es wohl besser, auf sie zu hören.

Dann vernahm ich draußen eine andere Stimme – und die machte mir noch mehr Gänsehaut als jegliches Ungeheuer.

»… nur eine Frage der Zeit. Also drängel hier nicht rum, Agrius.«

Das war Luke, ohne jeden Zweifel. Seine Stimme würde ich niemals vergessen können.

»Ich drängel hier nicht herum«, knurrte ein anderer Typ. Seine Stimme war tiefer und noch wütender als Lukes. »Ich sag ja nur, wenn dieses Spiel nicht aufgeht …«

»Es wird aufgehen«, fauchte Luke. »Sie werden den Köder schlucken. Und jetzt los, wir müssen zur Admiralssuite und im Versteck nachsehen.«

Ihre Stimmen entfernten sich den Gang hinunter.

Tyson wimmerte: »Jetzt los?«

Annabeth und ich tauschten einen Blick und waren uns einig, ohne auch nur ein Wort zu wechseln.

»Geht nicht«, sagte ich zu Tyson.

»Wir müssen rausfinden, was Luke vorhat«, fügte Annabeth hinzu. »Und wenn möglich, werden wir ihn zusammenschlagen, in Ketten legen und auf den Olymp schleifen.«

Ich erlebe das schlimmste Familientreffen aller Zeiten

Annabeth bot an, allein zu gehen, da sie die Tarnkappe hatte, aber ich konnte ihr klarmachen, dass das zu gefährlich sein würde. Entweder gingen wir alle oder keiner.

»Keiner!«, schlug Tyson vor. »Bitte?«

Aber am Ende kam er doch mit und knabberte nervös an seinen riesigen Fingernägeln. Wir gingen bei unserer Suite vorbei und holten unsere Sachen. Uns war klar, dass wir keine weitere Nacht auf diesem Zombieschiff verbringen würden, egal was passierte, auch wenn es ein Eine-Million-Dollar-Bingo gab. Ich überzeugte mich davon, dass Springflut in meiner Tasche steckte und dass Vitamine und Thermoskanne oben in meinem Seesack lagen. Ich wollte nicht, dass Tyson alles trug, aber er bestand darauf, und Annabeth meinte, ich sollte mir deswegen keine Sorgen machen, Tyson könne drei vollgestopfte Seesäcke so leicht tragen wie ich einen Rucksack.

Wir schlichen durch die Gänge und folgten den Wegweisern zur Admiralssuite. Annabeth lief als unsichtbare Späherin vor uns her. Wir versteckten uns, wenn jemand vorbeikam, aber die meisten Leute, die wir sahen, waren einfach Zombies mit glasigen Augen.