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Das sagte sie mit solcher Begeisterung, dass ich es fast geglaubt hätte.

Die Maschinen summten. Die Kessel entwickelten eine derartige Hitze, dass auch das Deck unter meinen Füßen heiß wurde. Die Schornsteine blähten sich. Ares’ rote Fahne peitschte im Wind hin und her.

Als wir uns den Ungeheuern näherten, wurde Charybdis immer lauter – es war ein entsetzliches, nasses Dröhnen, als werde die größte Toilette der ganzen Milchstraße abgezogen. Immer, wenn Charybdis Atem holte, zitterte das Schiff und schoss dann vorwärts. Wenn sie ausatmete, wurden wir im Wasser hochgehoben und von drei Meter hohen Wellen weitergetragen.

Ich versuchte, die Sogkraft dieses Whirlpools zu bemessen. Wenn ich einigermaßen richtig lag, dann brauchte Charybdis ungefähr drei Minuten, um in einem Umkreis von einer halben Meile alles im Ozean aufzusaugen und zu vernichten. Um ihr auszuweichen, mussten wir uns ziemlich dicht den Klippen der Skylla nähern. Und so schrecklich Skylla auch sein mochte, die Felsen dort oben sahen in meinen Augen einfach wunderbar aus.

Untote Seeleute erledigten auf dem Spardeck gelassen ihre Arbeit. Ich nehme an, ihnen machte das alles nichts aus, sie hatten ja schon einmal auf der Verliererseite gekämpft. Oder vielleicht war es ihnen auch egal, ob sie getötet wurden, da sie ja ohnehin schon gefallen waren. Keine dieser Überlegungen konnte meine Stimmung heben.

Annabeth stand neben mir und hielt sich an der Reling fest. »Hast du noch die Thermosflasche mit dem Wind?«

Ich nickte. »Aber es ist zu gefährlich, sie in so einem Whirlpool zu benutzen. Noch mehr Wind könnte alles noch schlimmer machen.«

»Aber kannst du nicht das Wasser beruhigen?«, fragte sie. »Du bist doch der Sohn des Poseidon. Und es wäre nicht das erste Mal.«

Sie hatte Recht. Ich schloss die Augen und versuchte, auf das Meer einzuwirken, aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Charybdis war zu laut und zu mächtig. Die Wellen reagierten nicht auf meine Versuche.

»Ich … ich kann es nicht«, sagte ich kleinlaut.

»Wir brauchen einen Plan B«, sagte Annabeth. »Das hier kann doch nicht gut gehen.«

»Annabeth hat Recht«, sagte Tyson. »Maschinen taugen nichts.«

»Wie meinst du das?«, fragte sie.

»Druck. Kolben müssen repariert werden.«

Ehe er das erklären konnte, wurde die kosmische Toilette mit lautem Gurrrgel abgezogen. Das Schiff schoss vorwärts und ich wurde auf das Deck geschleudert. Jetzt hatten wir den Whirlpool erreicht.

»Volle Kraft zurück!«, schrie Clarisse durch den Lärm. Um uns herum kochte das Meer und Wellen brachen sich an Deck. Die Eisenplatten waren jetzt so heiß, dass sie dampften. »Bringt uns in Schussweite! Macht die Steuerbordkanonen fertig!«

Tote Südstaatler rannten hin und her. Die Schiffsschraube drehte sich kreischend in den Rückwärtsgang und versuchte, das Schiff zu verlangsamen, aber wir wurden weiter auf die Mitte des Wirbels zu gezogen.

Ein Zombieseemann kam aus dem Schiffsinneren und stürzte zu Clarisse hinüber. Seine graue Uniform rauchte. Sein Bart brannte. »Kesselraum überhitzt, Ma’am. Geht gleich hoch.«

»Dann lauf runter und bring das in Ordnung!«

»Geht nicht!«, schrie der Seemann. »Wir verdampfen in der Hitze.«

Clarisse schlug gegen den Deckaufbau. »Ich brauche nur noch ein paar Minuten! Dann sind wir in Schussweite.«

»Wir sind zu schnell«, sagte der Käpt’n düster. »Bereiten Sie sich auf den Tod vor.«

»Nein!«, brüllte Tyson. »Ich kann das reparieren!«

Clarisse schaute ihn ungläubig an. »Du?«

»Der ist ein Zyklop«, sagte Annabeth. »Er ist immun gegen Feuer. Und er ist ein guter Mechaniker.«

»Los«, schrie Clarisse.

»Tyson, nein!« Ich packte seinen Arm. »Das ist zu gefährlich.«

Er streichelte meine Hand. »Geht nicht anders, Bruder.« Er sah entschlossen aus – und sogar zuversichtlich. Ich hatte ihn noch nie so gesehen. »Ich bring das in Ordnung. Bin gleich wieder hier.«

Ich sah zu, wie er dem schwelenden Matrosen unter Deck folgte, und ich hatte ein entsetzliches Gefühl dabei. Ich wäre gern hinter ihm hergerannt, aber das Schiff geriet wieder ins Schlingern – und dann sah ich Charybdis.

Sie war jetzt nur noch wenige hundert Meter von uns entfernt und ich sah sie durch einen Wirbel aus Dunst und Rauch und Wasser. Als Erstes fiel mir das Riff auf – ein schwarzes, gezacktes Korallenriff, auf dessen Spitze sich ein Feigenbaum festklammerte, ein seltsam friedliches Gewächs in der Mitte eines Mahlstroms. Überall um ihn herum stürzte das Wasser in den Sog wie in ein schwarzes Loch. Dann sah ich das Entsetzliche, gleich unterhalb des Wasserspiegels neben dem Riff – einen riesigen Mund mit schleimigen Lippen und mit Algen bewachsenen Zähnen, die so groß waren wie Ruderboote. Und schlimmer noch, an den Zähnen saßen Klammern, Spangen aus zerfressenem Altmetall, an denen Stücke von Fischen und Treibholz und schwimmender Abfall hingen.

Die Charybdis war ein zahnärztlicher Albtraum. Sie war ein riesiger schwarzer Schlund mit miesen Zähnen und einem heftigen Überbiss, und seit Jahrhunderten hatte sie nur gefressen, ohne sich nach dem Essen die Zähne zu putzen. Vor meinen Augen wurde das gesamte Wasser in ihrer Nähe in den Abgrund gesaugt – Haie, Fischschwärme, ein riesiger Tintenfisch. Und mir ging auf, dass in wenigen Sekunden die C.S.S. Birmingham an die Reihe kommen würde.

»Lady Clarisse«, brüllte der Käpt’n. »Kanonen an Steuerbord und vorn bereit!«

»Feuer!«, befahl Clarisse.

Drei Kugeln trafen den Schlund des Ungeheuers. Eine prallte von einem Eckzahn ab. Die andere verschwand in ihrem Rachen. Die dritte traf eine Zahnklammer, wurde zu uns zurückgeschleudert und riss die Ares-Flagge vom Mast.

»Noch mal!«, befahl Clarisse. Die Schützen luden die Kanonen, aber ich wusste, dass die Lage hoffnungslos war. Wir hätten das Ungeheuer noch hundertmal beschießen müssen, um es wirklich zu verletzen, und so viel Zeit blieb uns nicht. Wir wurden viel zu rasch weitergesaugt.

Dann änderte sich das Vibrieren des Decks. Das Brummen der Maschinen wurde lauter und gleichmäßiger. Das Schiff bebte einmal und dann zogen wir uns von dem Schlund zurück.

»Tyson hat es geschafft«, sagte Annabeth.

»Wartet«, sagte Clarisse. »Wir müssen dicht dranbleiben.«

»Dann werden wir sterben«, sagte ich. »Wir müssen weg hier!«

Ich klammerte mich an der Reling fest, während das Schiff gegen den Sog ankämpfte. Die abgerissene Ares-Flagge schoss an uns vorbei und blieb in den Zahnklammern der Charybdis hängen. Wir kamen nicht sehr schnell voran, aber immerhin hielten wir stand. Auf irgendeine Weise konnte Tyson gerade genug Saft geben, um zu verhindern, dass wir vom Sog erfasst wurden.

Plötzlich klappte der Mund zu. Das Meer war spiegelglatt. Wasser spülte über die Charybdis hinweg.

Doch dann wurde der Mund ebenso plötzlich wieder aufgerissen, spie eine Wasserwand aus und gab alles Ungenießbare wieder von sich, auch unsere Kanonenkugeln, von denen eine die Seite der C.S.S. Birmingham mit einem Pling rammte, wie ein Spielautomat es von sich gibt.

Wir wurden auf einer Welle von über zehn Metern rückwärtsgeschleudert. Ich musste all meine Willenskraft aufbieten, um das Schiff vor dem Kentern zu bewahren, aber noch immer wirbelten wir hilflos herum und jagten auf die Felsen auf der anderen Seite der Meerenge zu.

Ein weiterer schwelender Soldat kam an Deck gestürzt. Er stieß mit Clarisse zusammen und fast wären beide über Bord gefallen. »Der Dampfkessel geht gleich hoch!«

»Wo ist Tyson?«, wollte ich wissen.

»Noch unten«, sagte der Soldat. »Hält die Kiste irgendwie zusammen, aber ich hab keine Ahnung, wie lang er das noch schaffen kann.«

Der Kapitän sagte: »Wir müssen das Schiff aufgeben.«