Выбрать главу

Es klingelte.

Als wir aus der Klasse liefen, flüsterte eine Mädchenstimme: »Percy!«

Ich schaute mich zwischen den Schließfächern um, aber niemand beachtete mich. Als ob irgendein Mädchen am Meriwether freiwillig in aller Öffentlichkeit meinen Namen nennen würde …

Ehe ich mir überlegen konnte, ob ich mir das eingebildet hatte oder nicht, stürzte eine ganze Bande von Jungs auf die Turnhalle zu und riss Tyson und mich mit. Jetzt stand Sport auf dem Stundenplan. Unser Lehrer hatte uns eine Runde Völkerball versprochen und Matt Sloan hatte gelobt, mich umzubringen.

Zum Turnen traten wir am Meriwether in himmelblauen Shorts und Batik-T-Shirts an. Glücklicherweise fand Sport meistens in der Halle statt, wir mussten also nicht wie eine Bande von Hippiekindern durch das Viertel laufen.

Ich zog mich so schnell wie möglich um, denn ich wollte nicht noch mal mit Sloan aneinandergeraten. Ich war gerade fertig, als Tyson rief: »Percy?«

Er hatte sich noch nicht umgezogen. Er stand neben der Tür zum Gewichteraum und presste seine Turnklamotten an sich. »Würdest du … äh …«

»Ja, klar.« Ich versuchte, nicht sauer zu klingen. »Sicher, Mann.«

Tyson verschwand im Gewichteraum. Ich stand vor der Tür Schmiere, während er sich umzog.

Ich fühlte mich gar nicht wohl, wenn ich das machte, aber ich tat es meistens. Es ist Tyson nämlich wahnsinnig peinlich, sich umziehen zu müssen. Ich nehme an, das liegt daran, dass er total behaart ist. Außerdem hat er seltsame Narben auf dem Rücken, aber ich habe mich nie getraut, ihn danach zu fragen.

Jedenfalls hatte ich schon erlebt, wie Tyson durchdrehte und die Türen von den Schließfächern riss, weil er beim Umziehen angemacht wurde.

Als wir in die Turnhalle kamen, saß Sportlehrer Nunley an seinem kleinen Tisch und las die »Sports Illustrated«. Nunley war ungefähr eine Million Jahre alt, hatte eine Gleitsichtbrille, keine Zähne und eine fettige Welle graues Haar. Er erinnerte mich an das Orakel im Camp Half-Blood, eine verschrumpelte Mumie, nur bewegte Lehrer Nunley sich seltener und rülpste auch nie grünen Rauch aus. Jedenfalls hatte ich das noch nicht erlebt.

Matt Sloan sagte: »Herr Lehrer, kann ich Kapitän sein?«

»Äh?« Nunley schaute von seiner Zeitschrift auf. »Ja«, murmelte er. »Mhm, hmmm.«

Sloan grinste und fing an, seine Mannschaft zu wählen. Er ernannte mich zum Kapitän der anderen Mannschaft, aber es war egal, wen ich mir aussuchte, denn alle guten Werfer und alle angesagten Leute scharten sich auf Sloans Seite. Zusammen mit den vielen Besuchern.

Ich hatte Tyson, Corey Bailer, den Computernerd, Raj Mandali, das Rechengenie, und ein halbes Dutzend andere, die in der Hackordnung allesamt ganz unten standen. Normalerweise hätte es gereicht, Tyson zu haben. Er allein war so gut wie eine halbe Mannschaft. Aber die Gäste in Sloans Team sahen fast so groß und stark aus wie er und sie waren immerhin zu sechst.

Matt Sloan kippte mitten in der Turnhalle einen Korb voller Bälle aus.

»Angst«, murmelte Tyson. »Riecht komisch.«

Ich sah ihn an. »Was riecht komisch?« Ich ging davon aus, dass er nicht von sich redete.

»Die da.« Tyson zeigte auf Sloans neue Freunde. »Riechen komisch.«

Die Gäste ließen ihre Fingergelenke knacken und schauten uns mordlüstern an. Ich fragte mich wirklich, woher sie wohl kamen. Irgendwoher, wo Kinder mit rohem Fleisch gefüttert und mit Stöcken geschlagen wurden.

Sloan blies in die Trillerpfeife des Lehrers und das Spiel begann.

Sloans Team rannte auf die Mittellinie zu. Raj Mandali neben mir brüllte etwas auf Urdu, vermutlich »Ich muss aufs Töpfchen«, und stürzte zum Ausgang. Corey Bailer versuchte, hinter die Matten zu kriechen und sich dort zu verstecken. Die anderen aus meinem Team gaben sich alle Mühe, sich ängstlich zusammenzukauern und nicht wie Zielscheiben auszusehen.

»Tyson«, sagte ich. »Komm, wir …«

Ein Ball knallte mir in den Bauch. Ich ging mitten in der Turnhalle zu Boden. Die gegnerische Mannschaft wollte sich ausschütten vor Lachen.

Vor meinen Augen flimmerte alles. Ich kam mir vor, als ob gerade ein Gorilla mit mir das Heimlich-Manöver probiert hätte. Ich konnte nicht glauben, dass irgendwer so hart werfen konnte.

Tyson schrie: »Percy, duck dich!«

Ich wälzte mich zur Seite, als noch ein Ball in Schallgeschwindigkeit an meinem Ohr vorüberjagte.

WUMMMM!

Der Ball knallte gegen die Wand und Corey Bailer fiepte.

»He«, brüllte ich zu Sloans Team rüber. »Wollt ihr uns umbringen?«

Der Gast namens Joe Zaster grinste mich fies an. Aus irgendeinem Grund sah er jetzt größer aus … noch größer als Tyson. Seine Armmuskeln spannten sein T-Shirt. »Das will ich doch hoffen, Perseus Jackson, das will ich doch hoffen!«

Als er meinen Namen nannte, lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Niemand nennt mich Perseus, außer die, denen meine wahre Identität bekannt ist. Freunde … und Feinde.

Was hatte Tyson gesagt? Die riechen komisch.

Ungeheuer.

Die Gäste, die um Matt Sloan herumstanden, wurden immer größer. Sie waren keine Jungen mehr. Sie waren Riesen von zwei Metern vierzig mit wilden Augen, spitzen Zähnen und behaarten Armen, die mit Schlangen und Hulamädels und Valentinsherzen tätowiert waren.

Matt Sloan ließ seinen Ball fallen. »He! Ihr seid nicht aus Detroit. Wer …«

Die anderen aus seiner Mannschaft fingen an zu schreien und zum Ausgang zurückzuweichen, aber der Riese namens Marksauger schleuderte mit tödlicher Genauigkeit einen Ball. Der Ball jagte vorbei an Raj Mandali, der gerade die Tür erreicht hatte, und ließ sie wie durch Zauberhand ins Schloss fallen. Raj und einige von den anderen hämmerten verzweifelt dagegen, aber die Tür bewegte sich nicht mehr.

»Lasst sie raus«, schrie ich die Riesen an.

Der, der sich Joe Zaster nannte, knurrte mich an. Auf seinen Bizeps war die Behauptung tätowiert: JZ liebt Baby Cake. »Und auf die kleinen Leckerbissen verzichten? Nein, Sohn des Meeresgottes. Wir Laistrygonen wollen nicht nur deinen Tod. Wir wollen auch Mittagessen!«

Er schüttelte die Hand und neue Bälle tauchten auf der Mittellinie auf – nur waren die nicht aus rotem Gummi. Sie waren aus Bronze, groß wie Kanonenkugeln und löchrig wie Bowlingkugeln. Feuer loderte aus den Löchern. Sie mussten glühend heiß sein, aber die Riesen hoben sie mit bloßen Händen hoch.

»Herr Lehrer!«, schrie ich.

Nunley schaute schläfrig auf, aber wenn ihm an dieser Ballpartie etwas Außergewöhnliches auffiel, dann ließ er es sich nicht anmerken. Das ist das Problem bei Sterblichen. Sie sehen die Dinge nicht, wie sie wirklich sind. Eine magische Kraft namens Nebel versteckt Ungeheuer und Gottheiten vor ihrem Blick.

»Ja. Mm, hmm«, murmelte der Lehrer. »Spielt schön weiter.«

Und er vertiefte sich wieder in seine Zeitschrift.

Der Riese namens Schädelfresser warf seine Kugel. Ich wich aus und der feurige Bronzekomet segelte an meiner Schulter vorbei.

»Corey«, schrie ich.

Tyson zog ihn hinter den Matten hervor, als die Kugel davor explodierte und die Matten in winzige Fetzen zerriss.

»Lauft!«, befahl ich meinen Teamkameraden. »Zum anderen Ausgang!«

Sie rannten in Richtung Umkleideraum, aber Joe Zaster machte eine kurze Handbewegung und damit war auch diese Tür verschlossen.

»Niemand kommt hier raus, solange du noch mitspielst!«, brüllte Joe Zaster. »Und du spielst mit, bis wir dich gefressen haben!«

Er schleuderte seinen Feuerball. Meine Teamgenossen jagten in alle Richtungen davon, als der Ball einen Krater in den Boden der Turnhalle riss.

Ich griff nach Springflut, das immer in meiner Tasche steckte, aber ich trug ja meine Turnhose. Und die hatte keine Tasche. Springflut steckte in meinen Jeans in meinem Schließfach im Umkleideraum. Und die Tür zum Umkleideraum war versiegelt. Ich war absolut wehrlos.

Ein weiterer Feuerball kam auf mich zu. Tyson stieß mich beiseite, aber die Explosion warf mich trotzdem um. Ich lag plötzlich auf dem Boden, benommen vom Rauch, und mein Batik-T-Shirt war von brutzelnden Löchern übersät. Hinter der Mittellinie glotzten mich zwei hungrige Riesen an.