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Beckendorfs Leichenhemd war aus Metallmaschen geflochten, wie ein Kettenhemd. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es brennen sollte, aber offenbar hatten die Moiren eingegriffen. Das Metall schmolz im Feuer und verwandelte sich in goldenen Rauch, der zum Himmel aufstieg. Die Flammen des Lagerfeuers spiegelten immer die Stimmung der Camper wider, und an diesem Tag waren sie schwarz.

Ich hoffte, dass Beckendorfs Geist ins Elysium wandern würde. Vielleicht würde er sich sogar dafür entscheiden, wiedergeboren zu werden und in drei Leben auf das Elysium zuzusteuern, um dann die Inseln der Seligen zu erreichen, die absolute Partymeile der Unterwelt. Wenn das jemand verdiente, dann ja wohl Beckendorf.

Annabeth ging, ohne ein Wort mit mir zu reden, und die meisten anderen Camper verzogen sich zu ihren nachmittäglichen Aktivitäten. Ich blieb einfach stehen und starrte in das sterbende Feuer. Silena saß weinend in der Nähe und Clarisse und ihr Freund, Chris Rodriguez, versuchten, sie zu trösten.

Endlich fasste ich genug Mut, um zu ihr zu gehen. »Hör mal, Silena. Das tut mir so leid.«

Sie schniefte. Clarisse starrte mich wütend an, aber das machte sie bei allen. Chris konnte mich kaum ansehen. Er hatte zu Lukes Leuten gehört, bis Clarisse ihn im vergangenen Sommer aus dem Labyrinth gerettet hatte, und wahrscheinlich hatte er noch immer ein schlechtes Gewissen.

Ich räusperte mich. »Silena, weißt du, Beckendorf hatte ein Bild von dir bei sich. Er hat es angesehen, ehe wir in den Kampf gezogen sind. Du hast ihm sehr viel bedeutet. Deinetwegen war das vergangene Jahr das beste seines Lebens.«

Silena schluchzte.

»Toll gemacht, Percy«, murmelte Clarisse.

»Nein, schon gut«, sagte Silena. »Danke … danke, Percy. Ich muss jetzt gehen.«

»Willst du Gesellschaft?«, fragte Clarisse.

Silena schüttelte den Kopf und rannte davon.

»Sie ist stärker, als sie aussieht«, murmelte Clarisse, fast wie zu sich selbst. »Sie wird’s überleben.«

»Du könntest ihr dabei helfen«, schlug ich vor. »Du könntest Beckendorfs Gedächtnis ehren, indem du auf unserer Seite kämpfst.«

Clarisse griff nach ihrem Messer, aber das war nicht mehr da. Sie hatte es im Hauptgebäude auf den Pingpong-Tisch geworfen.

»Nicht mein Problem«, knurrte sie. »Solange meine Hütte nicht gewürdigt wird, kämpfe ich nicht.«

Mir fiel auf, dass sie nicht in Reimen sprach. Vielleicht war sie nicht dabei gewesen, als ihre Hüttengenossen verflucht worden waren, oder sie wusste, wie der Fluch zu lösen war. Fröstelnd frage ich mich, ob Clarisse Kronos’ Spionin hier im Lager sein könnte. Hielt sie deshalb ihre Hütte aus dem Kampf heraus? Aber sowenig ich Clarisse auch leiden konnte, für die Titanen zu spionieren sah ihr einfach nicht ähnlich.

»Na gut«, sagte ich zu ihr. »Ich wollte es ja eigentlich nicht erwähnen, aber du bist mir einen Gefallen schuldig. Ohne mich würdest du jetzt in der Zyklopenhöhle im Meer der Ungeheuer verrotten.«

Sie biss die Zähne zusammen. »Bitte um einen anderen Gefallen, Percy. Nicht diesen. Die Ares-Hütte ist schon zu oft untergebuttert worden. Und glaub ja nicht, ich wüsste nicht, was hinter meinem Rücken über mich geredet wird.«

Ich hätte gern gesagt: »Na, es stimmt doch auch.« Aber ich biss mir auf die Zunge.

»Also was – willst du einfach zusehen, wie Kronos uns fertigmacht?«, fragte ich.

»Wenn du meine Hilfe so dringend brauchst, dann sag Apollo, sie sollen uns den Wagen geben.«

»Was bist du nur für ein Baby.«

Sie wollte auf mich losstürzen, aber Chris ging dazwischen. »Das reicht, Leute«, sagte er. »Clarisse, weißt du, er hat vielleicht nicht ganz Unrecht.«

Sie fauchte ihn an: »Nicht du auch noch!« Dann lief sie davon, dicht gefolgt von Chris. »He, warte doch! Ich wollte doch nur – Clarisse, warte!«

Ich sah zu, wie die letzten Funken von Beckendorfs Feuer in den Nachmittagshimmel aufstoben. Dann ging ich zur Schwertkampfarena. Ich brauchte eine Pause und ich wollte eine alte Freundin besuchen.

Ich setze meinen Hund voll vor einen Baum

Mrs O’Leary sah mich, noch bevor ich sie gesehen hatte, und das war schon eine Leistung, schließlich ist sie so groß wie ein Müllwagen. Ich trat in die Arena und eine Wand aus Finsternis knallte mir ins Gesicht.

»WUFF!«

Als Nächstes merkte ich, dass ich platt auf dem Boden lag, mit einer Riesenpfote auf der Brust, während eine überdimensionale Topfschwammzunge mir das Gesicht ableckte.

»Uääh«, sagte ich. »He, altes Mädchen. Find ich ja auch toll, dass wir uns sehen. Uöööh.«

Mrs O’Leary brauchte einige Minuten, um sich zu beruhigen und von mir herunterzusteigen. Inzwischen war ich von Hundesabber durchtränkt. Sie wollte spielen, deshalb holte ich mir einen Bronzeschild und warf ihn durch die Arena.

Übrigens, Mrs O’Leary ist der einzige freundliche Höllenhund der Welt. Ich hatte sie geerbt, als ihr vorheriger Besitzer gestorben war. Sie lebte im Camp, und Beckendorf … na ja, Beckendorf hatte sich um sie gekümmert, wenn ich unterwegs gewesen war. Er hatte Mrs O’Learys Lieblingskauknochen aus Bronze gegossen. Er hatte ihr Halsband mit dem kleinen Smiley und einem Namensschild mit gekreuzten Knochen geschmiedet. Nach mir war Beckendorf ihr bester Freund gewesen.

Bei diesem Gedanken wurde ich wieder unheimlich traurig, aber ich warf den Schild trotzdem noch einige Male, weil Mrs O’Leary das unbedingt wollte.

Dann fing sie an zu bellen – was nur wenig lauter war als eine Kanone –, als ob sie einen Spaziergang machen wollte. Die anderen Camper fanden es gar nicht komisch, wenn sie ihr Geschäft in der Arena erledigte; das hatte schon mehr als einmal zu einem unglücklichen Ausrutschunfall geführt. Also öffnete ich das Tor und sie stürzte sofort auf den Wald zu.

Ich lief hinter ihr her und machte mir keine großen Sorgen darüber, dass sie einen so großen Vorsprung hatte. Nichts im Wald konnte Mrs O’Leary etwas anhaben. Sogar Drachen und Riesenskorpione ergriffen die Flucht, wenn sie sich näherte.

Als ich sie endlich einholte, war sie nicht mit Toilettendingen beschäftigt. Sie war zu der Lichtung gelaufen, wo der Rat der Behuften Älteren Grover einmal vor Gericht gestellt hatte. Die Lichtung sah nicht gerade gut aus. Das Gras war gelb geworden und die drei Thronsessel aus Buchsbaum hatten alle Blätter verloren. Aber was mich überraschte, war etwas anderes. Mitten auf der Lichtung stand das seltsamste Trio, das ich je gesehen hatte: Wacholder die Nymphe, Nico di Angelo und ein sehr alter, sehr fetter Satyr.

Nico war der Einzige, den Mrs O’Learys Erscheinung nicht umzuhauen schien. Er sah ungefähr so aus wie in meinem Traum – mit Fliegerjacke, schwarzen Jeans und einem T-Shirt mit tanzenden Skeletten, wie eins dieser Bilder vom Tag der Toten. An seiner Seite hing sein Schwert aus stygischem Eisen. Er war erst zwölf, aber er sah viel älter und trauriger aus.

Er nickte mir zu, dann kraulte er Mrs O’Leary weiter die Ohren. Sie schnupperte an seinen Beinen, als ob es außer Rib-Eye-Steaks nichts Interessanteres geben könnte. Als Sohn des Hades war er wahrscheinlich an allen möglichen höllenhundfreundlichen Orten unterwegs gewesen.

Der alte Satyr sah nicht halb so zufrieden aus. »Könnte irgendwer – was hat diese Kreatur aus der Unterwelt in meinem Wald zu suchen!« Er schwenkte die Arme und trat von einem Huf auf den anderen, als ob das Gras heiß wäre. »Du da, Percy Jackson! Ist das dein Viech?«

»Tut mir leid, Leneus«, sagte ich. »So war doch der Name, oder?«

Der Satyr verdrehte die Augen. Sein Fell war staubmausgrau und zwischen seinen Hörnern hing ein Spinngewebe. Sein Schmerbauch hätte ihn zu einem unbezwingbaren Autoscooter gemacht. »Natürlich bin ich Leneus. Erzähl mir ja nicht, dass du ein Mitglied des Rates so schnell vergessen hast. Und jetzt ruf dieses Biest zurück!«

»WUFF!«, sagte Mrs O’Leary glücklich.

Der alte Satyr schluckte. »Mach, dass es weggeht. Wacholder, unter diesen Umständen werde ich dir nicht helfen.«