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»Nein«, murmelte er. »Aber ich habe vielleicht eine neue Spur.«

»Und was für eine?«

Nico nagte an seiner Lippe. »Das spielt jetzt keine Rolle. Du weißt, warum ich hier bin.«

Ein Gefühl der Angst breitete sich in meiner Brust aus. Seit Nico mir im vergangenen Sommer erstmals seinen Plan geschildert hatte, Kronos zu besiegen, hatte ich Albträume davon. Ab und zu kam er und verlangte eine Antwort, aber ich wimmelte ihn immer wieder ab.

»Nico, ich weiß nicht«, sagte ich. »Mir kommt das ganz schön extrem vor.«

»Du musst in … etwa einer Woche mit Typhon rechnen. Die meisten anderen Titanen sind ebenfalls von der Kette gelassen und halten zu Kronos. Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt da, um extrem zu denken.«

Ich schaute zum Camp zurück. Sogar aus dieser Entfernung konnte ich hören, dass die Hütten von Ares und Apollo wieder aneinandergeraten waren, sie schrien Verwünschungen und warfen mit schlechten Reimen um sich.

»Sie können es mit der Titanenarmee nicht aufnehmen«, sagte Nico. »Das weißt du. Es hängt alles an dir und Luke. Und du kannst Luke nur auf eine einzige Weise besiegen.«

Ich dachte an den Kampf auf der Prinzessin Andromeda. Da hatte ich keine Chance gehabt. Kronos hatte mich mit einem einzigen Schnitt in meinen Arm fast umgebracht, und ich hatte ihn nicht einmal verwunden können. Springflut war einfach von seiner Haut abgerutscht.

»Wir können dir dieselbe Macht geben«, drängte Nico mich. »Du hast die Große Weissagung gehört. Wenn du nicht willst, dass eine verfluchte Klinge deine Seele fällt …«

Ich hätte gern gewusst, woher Nico die Weissagung gehört hatte – vermutlich von irgendeinem Geist.

»Man kann eine Weissagung nicht verhindern«, sagte ich.

»Aber man kann dagegen kämpfen.« In Nicos Augen leuchtete ein seltsames hungriges Licht. »Man kann unbesiegbar werden.«

»Vielleicht sollten wir warten. Versuchen zu kämpfen ohne …«

»Nein!«, fauchte Nico. »Es muss jetzt sein.«

Ich starrte ihn an. Ich hatte sein Temperament schon lange nicht mehr dermaßen auflodern sehen. »Äh, bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?«

Er holte tief Luft. »Percy, ich meine doch nur … wenn der Kampf losgeht, können wir die Reise nicht mehr machen. Das hier ist unsere letzte Chance. Es tut mir leid, wenn ich dich zu sehr bedränge, aber vor zwei Jahren hat meine Schwester ihr Leben geopfert, um dich zu beschützen. Das musst du wiedergutmachen. Tu, was immer nötig ist, und besiege Kronos.«

Diese Vorstellung gefiel mir gar nicht. Dann dachte ich daran, dass Annabeth mich als Feigling bezeichnet hatte, und ich wurde wütend.

Nico hatte nicht Unrecht. Wenn Kronos New York angriff, würden die Camper seinen Truppen nicht gewachsen sein. Ich musste etwas unternehmen. Nicos Methode war gefährlich – vielleicht sogar tödlich. Aber sie könnte mir größere Kampfkraft geben.

»Na gut«, entschied ich. »Was machen wir als Erstes?«

Sein kaltes, verschlagenes Lächeln ließ mich meine Zustimmung gleich wieder bereuen. »Als Erstes müssen wir auf Lukes Pfaden wandeln. Wir müssen mehr über seine Vergangenheit in Erfahrung bringen, über seine Kindheit.«

Mir schauderte und ich dachte an Rachels Bild von Luke in meinem Traum – von einem lächelnden, neun Jahre alten Luke. »Warum müssen wir darüber mehr wissen?«

»Das erkläre ich, wenn wir dort sind«, sagte Nico. »Ich habe seine Mutter schon ausfindig gemacht. Sie lebt in Connecticut.«

Ich starrte ihn an. Ich hatte nie besonders viel über Lukes sterblichen Elternteil nachgedacht. Sein Dad, Hermes, war mir schon begegnet, aber seine Mom …

»Luke ist weggelaufen, als er noch sehr klein war«, sagte ich. »Ich hätte nicht gedacht, dass seine Mom noch lebt.«

»Na ja, sie lebt schon.« So, wie er das sagte, fragte ich mich, was mit ihr nicht stimmte. Was für ein schrecklicher Mensch mochte sie wohl sein?

»Okay«, sagte ich. »Und wie kommen wir nach Connecticut? Ich könnte Blackjack rufen …«

»Nein.« Nico sah mich böse an. »Pegasi mögen mich nicht, und das beruht ganz auf Gegenseitigkeit. Aber wir müssen auch nicht fliegen.« Er stieß einen Pfiff aus und Mrs O’Leary kam aus dem Wald gesprungen.

»Deine Freundin hier kann uns helfen.« Nico streichelte ihren Kopf. »Du hast noch nie Schattenreisen ausprobiert, oder?«

»Schattenreisen?«

Nico flüsterte Mrs O’Leary etwas ins Ohr. Sie legte den Kopf schräg und war plötzlich hellwach.

»Spring an Bord«, sagte Nico zu mir.

Ich war noch nie auf die Idee gekommen, auf einem Hund zu reiten, aber Mrs O’Leary war nun wirklich groß genug. Ich stieg auf ihren Rücken und hielt mich an ihrem Halsband fest.

»Das wird sie sehr müde machen«, warnte mich Nico. »Deshalb darfst du es nicht zu oft tun. Am besten geht es nachts. Alle Schatten sind Teile derselben Substanz. Es gibt nur eine Finsternis, und die Wesen der Unterwelt können sie als Weg oder Pforte nutzen.«

»Das verstehe ich nicht«, sagte ich.

»Nein«, sagte Nico. »Ich habe auch lange gebraucht, um es zu lernen. Aber Mrs O’Leary kennt sich damit aus. Sag ihr, wohin. Sag ihr, nach Westport, zum Haus von May Castellan.«

»Du kommst nicht mit?«

»Keine Sorge«, sagte er. »Wir sehen uns dort.«

Ich war ein wenig nervös, aber ich beugte mich zu Mrs O’Learys Ohr vor. »Alles klar, altes Mädchen. Äh, kannst du mich nach Westport, Connecticut, bringen? Zum Haus von May Castellan?«

Mrs O’Leary schnupperte in der Luft herum. Sie schaute in den finsteren Wald, dann sprang sie vorwärts, voll in eine Eiche.

Unmittelbar vor dem Aufprall glitten wir in die Schatten, so kalt wie die dunkle Seite des Mondes.

Meine Plätzchen brennen an

Ich kann Schattenreisen nicht empfehlen, wenn ihr Angst habt

a)

vor der Dunkelheit,

b)

vor kalten Schauern, die einem über den Rücken laufen,

c)

vor seltsamen Geräuschen,

d)

davor, euch so schnell fortzubewegen, dass euch das Gesicht abgeschält zu werden scheint.

Mit anderen Worten, ich fand es grauenhaft. Ich konnte plötzlich überhaupt nichts mehr sehen und spürte nur noch Mrs O’Learys Fell und meine um die Bronzeglieder ihres Halsbandes geklammerten Finger. Dann lösten die Schatten sich zu einem neuen Bild auf. Wir befanden uns auf einem Felsen in den Wäldern von Connecticut. Jedenfalls sah es so aus, wie ich Connecticut von den wenigen Malen, die ich dort gewesen war, in Erinnerung hatte: jede Menge Bäume, niedrige Mauern, große Häuser. Auf der einen Seite des Felsens durchschnitt eine Autobahn eine Schlucht und auf der anderen Seite lag ein Garten. Das Grundstück war riesig – und eher Wildnis als Rasen. Darauf stand ein zweistöckiges weißes Gebäude im Kolonialstil. Obwohl auf der anderen Seite des Hügels die Autobahn vorbeiführte, schien es mitten im Nirgendwo zu liegen. Hinter dem Küchenfenster konnte ich ein Licht brennen sehen. Eine verrostete alte Schaukel stand unter einem Apfelbaum.

Ich konnte mir nicht vorstellen, in so einem Haus zu leben, mit einem echten Garten und allem. Ich hatte mein ganzes Leben in winzigen Wohnungen oder Internaten verbracht. Wenn Luke hier zu Hause war, dann hätte ich gern gewusst, warum er jemals weggewollt hatte.

Mrs O’Leary stolperte. Mir fiel ein, was Nico darüber gesagt hatte, dass Schattenreisen sie so müde machten, und rutschte von ihrem Rücken. Sie stieß ein lautes Gähnen aus, bei dem sie ihre Zähne zeigte und sogar einen Tyrannosaurus Rex in Panik versetzt hätte, dann drehte sie sich einmal um sich selbst und ließ sich so schwer zu Boden fallen, dass alles bebte.

Nico erschien gleich rechts von mir, es sah so aus, als ob die Schatten sich verdunkelt und ihn erschaffen hätten. Er stolperte, aber ich fasste ihn am Arm.

»Ist schon gut«, brachte er heraus und rieb sich die Augen.

»Wie hast du das geschafft?«

»Übung. Bin ein paar Mal gegen Mauern geknallt. Ein paar Mal aus Versehen in China gelandet.«