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Ich trat vor und er erstarrte – vermutlich roch er, dass etwas nicht stimmte. Er sprang zur Seite, auf einen riesigen roten Alarmknopf zu. Als ich ihm den Weg vertrat, zischte er und wollte mich angreifen, aber ein Hieb mit Springflut ließ ihn zu Staub explodieren.

»Einer weniger«, sagte Beckendorf. »Bleiben noch an die fünftausend.« Er warf mir ein Glas mit einer zähen grünen Flüssigkeit zu – griechisches Feuer, eine der gefährlichsten magischen Substanzen auf der ganzen Welt. Dann ließ er ein weiteres unverzichtbares Werkzeug für Halbgötter und Helden folgen – Klebeband.

»Papp das auf die Konsole«, sagte er. »Ich kümmere mich um die Turbinen.«

Wir gingen ans Werk. Der Maschinenraum war heiß und feucht, und bald waren wir in Schweiß gebadet.

Das Schiff tuckerte immer weiter. Als Sohn des Poseidon kann ich mich auf See perfekt orientieren. Fragt mich nicht, warum, aber ich wusste, wir waren jetzt bei 40,19° Nord und 71,90° West und machten achtzehn Knoten, was bedeutete, dass das Schiff in der Morgendämmerung in den Hafen von New York einlaufen würde. Und das hier war unsere einzige Chance, es daran zu hindern.

Ich hatte soeben ein zweites Glas mit griechischem Feuer an der Kontrollkonsole befestigt, als ich Füße auf Metallstufen hörte – es kamen so viele Wesen die Treppe herunter, dass ich sie über das Brummen der Motoren hören konnte. Kein gutes Zeichen.

Ich schaute Beckendorf an. »Wie lange noch?«

»Zu lange.« Er tippte seine Armbanduhr an, die unser Auslöser war. »Ich muss noch den Empfänger anschließen und die Sprengladung einstellen. Noch mindestens zehn Minuten.«

Aber nach den Schritten zu urteilen, blieben uns noch zehn Sekunden.

»Ich lenke sie ab«, sagte ich. »Wir sehen uns beim Treffpunkt.«

»Percy!«

»Wünsch mir Glück.«

Er sah aus, als ob er widersprechen wollte. Wir hatten vorgehabt, uns unbemerkt auf das Schiff und wieder hinunter zu schleichen, aber jetzt würden wir improvisieren müssen.

»Viel Glück«, sagte er.

Ich stürzte zur Tür hinaus.

Ein halbes Dutzend Telchinen trampelte die Treppe herunter. Ich mähte sie mit Springflut nieder, ehe sie auch nur fiepen konnten. Dann kletterte ich los – vorbei an einem weiteren Telchinen, der so überrascht war, dass er seine Proviantdose für das liebe Dämönchen fallen ließ. Ich ließ ihn am Leben – erstens, weil mir die Proviantdose gefiel, und zweitens, damit er den Alarm auslösen und hoffentlich seine Freunde dazu bringen könnte, mich zu verfolgen, statt den Maschinenraum anzusteuern.

Ich riss die Tür zu Deck 6 auf und rannte weiter. Ich bin sicher, die mit Teppichen ausgelegte Halle war einmal sehr elegant gewesen, aber nach drei Jahren Besetzung durch Monster waren Tapeten, Teppiche und Türen vollkommen zerkratzt und so schleimig, dass sie aussah wie das Innere einer Drachenkehle (hier spreche ich leider aus Erfahrung).

Bei meinem ersten Besuch auf der Prinzessin Andromeda hatte mein alter Feind Luke zur Tarnung einige verwirrte Touristen an Bord gehabt – in Nebel gehüllt, damit sie nicht merkten, dass sie auf einem monsterverseuchten Schiff unterwegs waren. Jetzt konnte ich keine Touristen entdecken. Ich mochte gar nicht darüber nachdenken, was aus ihnen geworden war, aber ich glaubte eigentlich nicht, dass sie mit ihrem Bingo-Gewinn nach Hause gegangen waren.

Ich erreichte die Promenade, eine riesige Einkaufspassage, die die ganze Mitte des Schiffs einnahm, und schrak zurück. Mitten auf der Promenade stand ein Springbrunnen. Und in dem Springbrunnen hockte ein riesiger Krebs.

Ich meine nicht »riesig« wie in »Königskrebse aus Alaska satt für $ 7,99«. Ich meine riesiger als der Springbrunnen. Das Monster ragte drei Meter aus dem Wasser heraus. Sein Panzer war blau und grün gesprenkelt, seine Scheren länger als ich.

Wenn ihr je ein Krebsmaul gesehen habt, schaumüberzogen und mit einem fiesen Schnurrbart und wie gemacht zum Zuschnappen, dann könnt ihr euch bestimmt vorstellen, dass es in dieser Größe nicht besser aussah. Die schwarzen Knopfaugen starrten mich wütend an, und ich sah darin Intelligenz – und Hass. Die Tatsache, dass ich der Sohn des Meeresgottes war, würde mir bei dem Krebserich keine Punkte einbringen.

»FFFTTTT«, fauchte er, und Meerschaum tropfte von seinem Maul. Er stank wie ein Mülleimer voller Krabbensticks, der eine ganze Woche lang in der Sonne gestanden hat.

Der Alarm schrillte los. Bald würde ich jede Menge Gesellschaft haben, und ich musste weiter.

»He, Krebserich!« Ich schob mich am Rand der Passage entlang. »Ich lauf nur schnell an dir vorbei, und dann …«

Der Krebs bewegte sich mit überraschender Schnelligkeit. Er rutschte aus dem Brunnen und kam mit schnappenden Scheren direkt auf mich zu. Ich ließ mich in einen Andenkenladen fallen und riss ein Gestell voller T-Shirts um. Eine Krebsschere schlug die Glaswände zu Scherben und strich suchend durch den Laden. Ich sprang keuchend wieder hinaus, aber das Monster machte kehrt und kam hinter mir her. »Da«, sagte eine Stimme über mir auf einem Balkon. »Eindringling.«

Wenn ich für Ablenkung hatte sorgen wollen, dann war mir das gelungen, aber ich hatte hier keinen Kampf ausfechten wollten. Wenn ich mitten im Schiff angegriffen wurde, war ich Krebsfutter.

Das dämonische Krustentier schlug nach mir. Ich hieb mit Springflut zu und säbelte die Spitze seiner Schere ab. Es zischte und schäumte, wirkte aber nicht übermäßig beeinträchtigt.

Ich versuchte, mich an irgendetwas aus den alten Geschichten zu erinnern, das mir bei diesem Ding helfen könnte. Annabeth hatte mir mal von einem Riesenkrebs erzählt – hatte Herkules den nicht zertreten? Hier würde das nicht funktionieren. Dieser Krebs war etwas größer als meine Reeboks.

Dann kam mir ein seltsamer Gedanke. Im vergangenen Jahr waren meine Mom und ich mit Paul Blofis zu unserer alten Hütte in Montauk gefahren, wo wir schon so oft gewesen waren. Paul war mit mir Krebse fangen gegangen, und als er ein Netz voll von den Viechern hochgeholt hatte, hatte er mir gezeigt, dass Krebse einen Spalt im Panzer haben, direkt in der Mitte ihres fiesen Bauches.

Das einzige Problem war, an den fiesen Bauch heranzukommen.

Ich schaute zu dem Springbrunnen hinüber, dann sah ich den nach dem Hin und Her des Krebses schon glitschigen Marmorboden an. Ich streckte die Hand aus, konzentrierte mich auf das Wasser und der Springbrunnen explodierte. Wasser spritzte in alle Richtungen, drei Stockwerke hoch, und übergoss die Balkone und die Fahrstühle und die Schaufenster der Läden. Dem Krebs war das egal, der liebte Wasser. Er lief seitlich in meine Richtung, schnappte und zuckte, und ich rannte voll auf ihn zu und schrie »AHHHHH!«.

Unmittelbar vor dem Zusammenstoß warf ich mich auf den Boden und rutschte auf dem nassen Marmor glatt unter dem Vieh durch. Es war, wie unter einem Sieben-Tonnen-Panzer durchzuflutschen. Der Krebs hätte sich nur hinzusetzen und mich zu zerquetschen brauchen, aber ehe er kapierte, was vor sich ging, bohrte ich Springflut in den Spalt in seinem Panzer, stieß mich vom Griff ab und kam hinter ihm wieder zum Vorschein.

Das Monster bebte und zischte. Seine Augen lösten sich auf und sein Panzer wurde hellrot, als seine Innereien verdampften. Der leere Panzer fiel krachend auf den Boden und blieb als großer Haufen dort liegen.

Mir blieb keine Zeit, um mein Werk zu bewundern. Ich stürzte zur nächstgelegenen Treppe, während überall um mich herum Halbgötter und Monster Befehle brüllten und ihre Waffen zogen. Meine Hände waren leer. Als magisches Schwert würde Springflut früher oder später in meiner Tasche auftauchen, aber für den Moment steckte es irgendwo im Wrack des Krebses, und ich hatte keine Zeit, es zu holen.