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Kronos schwang noch einmal seine Sense. Ich fing den Schlag mit Springflut ab, aber sein Hieb war so mächtig, dass meine Klinge ihn nur ablenken konnte. Die Kante der Sense fetzte den Ärmel von meinem Hemd und schrammte über meinen Arm. Es konnte keine schlimme Wunde sein, aber mein halber Körper explodierte vor Schmerz. Mir fiel ein, was ein Meeresdämon einst über Kronos’ Sense gesagt hatte: Vorsichtig, du Trottel. Eine Berührung, und die Klinge trennt dir die Seele vom Körper. Jetzt begriff ich, was er gemeint hatte. Ich verlor nicht nur Blut. Ich konnte spüren, wie meine Kraft, mein Wille, meine Identität verrannen.

Ich taumelte rückwärts, nahm mein Schwert in die linke Hand und stieß verzweifelt zu. Meine Klinge hätte ihn durchbohren müssen, aber sie glitt an seinem Bauch ab, als ob ich massiven Marmor getroffen hätte.

Kronos lachte. »Schwache Leistung, Percy Jackson. Luke hat mir schon gesagt, dass du es beim Schwertkampf nie mit ihm aufnehmen konntest.«

Mir verschwamm alles vor den Augen. Ich wusste, dass mir nicht viel Zeit blieb. »Luke fand sich ganz schön toll«, sagte ich. »Aber wenigstens fand er sich selbst toll.«

»Eine Schande, dich jetzt schon umzubringen«, sagte Kronos nachdenklich. »Ehe wir zum eigentlichen Schluss kommen. Ich würde gern das Entsetzen in deinen Augen sehen, wenn dir aufgeht, wie ich den Olymp zerstören werde.«

»Dieses Schiff kriegst du doch nie nach Manhattan.« Mein Arm pochte. Schwarze Flecken tanzten vor meinen Augen.

»Und warum nicht?« Kronos’ goldene Augen glitzerten. Sein Gesicht – Lukes Gesicht – wirkte wie eine Maske: unnatürlich und von hinten her von irgendeiner bösen Macht erleuchtet. »Zählst du vielleicht auf deinen Freund mit dem Sprengstoff?«

Er schaute zum Schwimmbecken hinunter und rief: »Nakamura!«

Ein Teenager in voller griechischer Rüstung drängte sich durch die Menge. Sein linkes Auge war von einer schwarzen Klappe bedeckt. Ich kannte ihn natürlich: Ethan Nakamura, Sohn der Nemesis. Ich hatte ihm im vergangenen Sommer im Labyrinth das Leben gerettet, und zum Dank hatte der kleine Dreckskerl Kronos bei der Rückkehr ins Leben geholfen.

»Befehl ausgeführt, hoher Herr«, rief Ethan. »Wir haben ihn gefunden, wie uns gesagt worden war.«

Er klatschte in die Hände und zwei Riesen kamen angetrampelt und schleiften Charles Beckendorf zwischen sich. Mein Herz wäre fast stehen geblieben. Beckendorf hatte ein geschwollenes Auge und sein Gesicht und seine Arme waren mit Wunden übersät. Seine Rüstung war verschwunden und von seinem Hemd waren nur noch Fetzen übrig.

»Nein!«, schrie ich.

Beckendorf fing meinen Blick auf. Er schaute zu seiner Hand, wie um mir etwas zu sagen. Seine Uhr. Die hatten sie ihm noch nicht abgenommen, und sie war der Auslöser. Konnte es sein, dass der Sprengstoff noch aktiv war? Die Monster hatten ihn doch sicher gleich entschärft.

»Wir haben ihn mittschiffs gefunden«, sagte der eine Riese. »Er hat versucht, sich in den Maschinenraum zu schleichen. Können wir ihn jetzt aufessen?«

»Bald.« Kronos musterte Ethan stirnrunzelnd. »Seid ihr sicher, dass er den Sprengstoff noch nicht aktiviert hat?«

»Er war auf dem Weg zum Maschinenraum, hoher Herr.«

»Woher wisst ihr das?«

»Äh …« Ethan trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Er ging in diese Richtung. Und er hat es uns gesagt. Er hat die Tasche noch immer voll Sprengstoff.«

Langsam verstand ich. Beckendorf hatte sie ausgetrickst. Als ihm aufgegangen war, dass sie ihn fangen würden, hatte er sich umgedreht, um auszusehen, als sei er in die andere Richtung unterwegs. Er hatte sie davon überzeugt, dass er noch nicht im Maschinenraum gewesen war. Das griechische Feuer konnte also immer noch hochgehen. Aber das half uns nicht weiter, solange wir das Schiff nicht verlassen und die Explosion auslösen konnten.

Kronos zögerte.

Kauf es ihm ab, flehte ich ihn in Gedanken an. Mein Arm tat jetzt so weh, dass ich mich kaum auf den Füßen halten konnte.

»Macht seine Tasche auf«, befahl Kronos.

Einer der Riesen riss Beckendorf die Tasche mit dem Sprengstoff von der Schulter. Er schaute hinein, grunzte und stellte sie auf den Kopf. Voller Panik sprangen die anderen Monster zurück. Wenn die Tasche wirklich mit Gefäßen voller griechischem Feuer gefüllt gewesen wäre, wären wir jetzt alle in die Luft geflogen. Aber es fiel nur ein Dutzend Konservendosen voller Pfirsiche heraus.

Ich konnte hören, dass Kronos schwer atmete und sich große Mühe gab, seinen Zorn unter Kontrolle zu halten.

»Habt ihr«, sagte er, »diesen Halbgott vielleicht in der Nähe der Kombüse gefangen?«

Ethan erbleichte. »Äh …«

»Und habt ihr vielleicht jemanden losgeschickt, um mal im MASCHINENRAUM NACHZUSEHEN?«

Ethan taumelte voller Entsetzen rückwärts, dann machte er auf dem Absatz kehrt und stürzte davon.

Ich fluchte in Gedanken. Jetzt blieben uns nur Minuten, bis die Bomben entschärft werden würden. Wieder fing ich Beckendorfs Blick auf und stellte eine stumme Frage, in der Hoffnung, dass er mich verstehen würde: Wie lange?

Er krümmte Finger und Daumen zum Kreis. Null. Der Zeitzünder war nicht auf Verzögerung eingestellt. Wenn er auf den Auslöser drückte, dann würde das Schiff sofort hochgehen. Wir würden niemals weit genug wegkommen, ehe wir es sprengten. Die Monster würden uns vorher umbringen oder die Sprengladung entschärfen oder beides.

Kronos drehte sich mit triumphierendem Grinsen zu mir um. »Du musst meine unfähigen Assistenten entschuldigen, Percy Jackson. Aber es macht keinen Unterschied, denn jetzt haben wir dich. Wir haben schon seit Wochen gewusst, dass du kommen würdest.«

Er streckte die Hand aus und an seinem Handgelenk baumelte ein kleines silbernes Armband mit einer Sense als Anhänger – das Symbol des Titanenherrschers.

Die Wunde in meinen Arm beeinträchtigte meine Denkfähigkeit, aber ich murmelte: »Kommunikationsgerät … Spion im Camp …«

Kronos schmunzelte. »Auf Freunde ist kein Verlass. Die lassen einen immer im Stich. Luke hat für diese Lektion bitter bezahlen müssen. Jetzt lass dein Schwert fallen und ergib dich, sonst stirbt dein Freund.«

Ich schluckte. Einer der Riesen legte die Hand um Beckendorfs Hals. Ich konnte ihn nicht retten, und wenn ich es versuchte, würde er sterben, ehe ich ihn auch nur erreicht hätte. Und ich auch.

Beckendorfs Lippen formten ein Wort: Geh.

Ich schüttelte den Kopf. Ich konnte ihn einfach nicht im Stich lassen.

Der zweite Riese durchwühlte noch immer die Pfirsichdosen, was bedeutete, dass Beckendorfs linker Arm frei war. Langsam hob er ihn – in Richtung der Uhr an seinem rechten Handgelenk.

Ich wollte schreien: NEIN!

Dann zischte unten am Schwimmbecken eine Dracaena: »Wassss macht er da? Wassss isssst dasss an sssseinem Arm?«

Beckendorf schloss die Augen und berührte die Uhr mit der Hand.

Mir blieb keine Wahl. Ich schleuderte mein Schwert wie einen Wurfspeer auf Kronos. Es prallte von seiner Brust ab, ohne ihn zu verletzen, lenkte ihn aber immerhin ab. Ich drängte mich durch die Monster und sprang von der Reling – auf das über dreißig Meter unter mir liegende Wasser zu.

Ich hörte tief unten im Schiff ein Grollen. Monster schrien mir von oben hinterher. Ein Speer segelte an meinem Ohr vorbei. Ein Pfeil durchbohrte meinen Oberschenkel, aber ich hatte kaum Zeit, um den Schmerz zu registrieren. Ich fiel ins Meer und beschwor die Strömung, mich weit, weit wegzubringen – hundert Meter, zweihundert Meter.

Noch aus der Ferne ließ die Explosion die Welt erbeben. Hitze versengte meinen Hinterkopf. Die Prinzessin Andromeda flog in die Luft, ein massiver Feuerball aus grünen Flammen, der in den dunklen Himmel aufstieg und alles verschlang.