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Er glühte jetzt am ganzen Leib und seine Haut fing an zu rauchen.

Ich hob das Messer, um zuzustechen. Dann sah ich zu Annabeth hinüber, zu Grover, der sie in den Armen hielt und versuchte, sie zu beschützen. Und endlich begriff ich, was sie mir zu sagen versucht hatte.

Du bist nicht der Heros, hatte Rachel gesagt. Das wird deine Taten beeinflussen.

»Bitte«, stöhnte Luke. »Schnell.«

Wenn Kronos seine wahre Gestalt annähme, würden wir ihn nicht mehr aufhalten können. Neben ihm würde Typhon aussehen wie ein Spielplatzheld.

Eine Zeile aus der Großen Weissagung hallte in meinem Kopf wider: Seine Seele wird von verfluchter Klinge gefällt. Meine Welt stellte sich auf den Kopf und ich reichte Luke das Messer.

Grover quietschte auf. »Percy? Bist du … äh …?«

Wahnsinnig. Verrückt. Durchgeknallt. Wahrscheinlich.

Aber ich sah zu, wie Luke das Messer packte.

Ich stand vor ihm – wehrlos.

Er öffnete die Seitenriemen seiner Rüstung und entblößte ein kleines Stück Haut gleich unter seinem linken Arm, eine Stelle, die sehr schwer zu treffen war. Mit großer Mühe stach er hinein.

Es war keine tiefe Wunde, aber Luke heulte auf und seine Augen glühten wie Lava. Der Thronsaal bebte und ich stürzte zu Boden. Eine Aura aus Energie umgab Luke, wurde heller und heller. Ich schloss die Augen und spürte, wie die Explosion meine Lippen platzen ließ und meine Haut mit Blasen überzog.

Dann war es sehr lange still.

Als ich die Augen öffnete, lag Luke neben der Feuerstelle. Der Boden um ihn herum war mit schwarzer Asche bedeckt. Kronos’ Sense war geschmolzen und tropfte in die Kohlen des Herdes, die jetzt glühten wie in der Esse eines Schmiedes.

Lukes linke Seite war blutverschmiert. Seine Augen waren offen – blaue Augen, so wie früher. Er röchelte beim Atmen. »Gute … Klinge«, krächzte er.

Ich kniete neben ihm nieder. Annabeth humpelte mit Grovers Hilfe zu ihm hinüber. Beide hatten Tränen in den Augen.

Luke starrte Annabeth an. »Du hast es gewusst. Ich hätte dich fast umgebracht, aber du hast gewusst …«

»Psst.« Ihre Stimme zitterte. »Am Ende warst du doch ein Held, Luke. Du wirst ins Elysium eingehen.«

Er schüttelte müde den Kopf. »Versuche … Wiedergeburt. Dreimal. Insel der Seligen.«

Annabeth schniefte. »Du hast dir immer schon zu viel vorgenommen.«

Er hob seine verkohlte Hand. Annabeth berührte seine Fingerspitzen.

»Hast du …?« Luke hustete und seine Lippen leuchteten rot. »Hast du mich geliebt?«

Annabeth wischte sich die Tränen ab. »Eine Zeit lang dachte ich … na ja, ich dachte …« Sie sah mich an und schien einfach glücklich darüber, dass da ich war. Und ich merkte, dass es mir genauso ging. Die Welt brach zusammen, aber für mich war nur wichtig, dass sie am Leben war.

»Du warst wie ein Bruder für mich, Luke«, sagte sie leise. »Aber ich habe dich nicht geliebt.«

Er nickte, als ob er das erwartet hätte, und krümmte sich vor Schmerz zusammen.

»Wir können Ambrosia holen«, sagte Grover. »Wir können …«

»Grover.« Luke würgte. »Du bist der mutigste Satyr, der mir je begegnet ist. Aber es gibt keine Hilfe …« Noch ein Husten.

Er packte meinen Ärmel und ich konnte seine glühende Haut spüren. »Ethan. Ich. Alle, die ihr göttliches Elternteil noch nicht kennen. Lass es nicht … lass es nicht noch einmal passieren.«

Seine Augen waren wütend und flehten mich gleichzeitig an.

»Werd ich nicht«, sagte ich. »Versprochen.«

Luke nickte und seine Hand wurde schlaff.

Einige Minuten später trafen die Götter ein, in voller Schlachtausrüstung, sie stürmten in den Thronsaal und rechneten mit einer Schlacht.

Was sie vorfanden, waren Annabeth, Grover und ich, neben dem Leichnam eines Halbblutes, im warmen Licht des Herdfeuers.

»Percy«, rief mein Vater mit Verwunderung in der Stimme. »Was … was ist hier los?«

Ich drehte mich um und schaute die Olympier an.

»Wir brauchen ein Leichentuch«, sagte ich und meine Stimme brach. »Ein Leichentuch für den Sohn des Hermes.«

Wir gewinnen Wahnsinnspreise

Die drei Moiren kümmerten sich persönlich um Lukes Leichnam.

Ich war den Damen nicht mehr begegnet, seit ich mit zwölf Jahren gesehen hatte, wie sie an einem Obststand am Straßenrand einen Lebensfaden gekappt hatten. Sie hatten mir damals schon Angst gemacht, und jetzt machten sie mir noch immer Angst – drei gespenstische Großmütter mit Taschen voller Stricknadeln und Garn.

Eine sah mich an, und obwohl sie nichts sagte, lief mein Leben einfach vor meinen Augen ab. Plötzlich war ich zwanzig. Dann war ich ein Mann in mittlerem Alter. Dann wurde ich alt und runzlig. Alle Kraft verließ meinen Körper und ich sah meinen eigenen Grabstein und ein offenes Grab, in das gerade ein Sarg hinabgelassen wurde. Das alles geschah in weniger als einer Sekunde.

Es ist vollbracht, sagte sie.

Sie hielt den Rest blauen Garns hoch – und ich wusste, es war dasselbe, das ich vier Jahre zuvor gesehen hatte, der Lebensfaden, den sie damals durchgeschnitten hatten. Ich hatte gedacht, es sei mein Leben. Jetzt begriff ich, dass es Lukes gewesen war. Sie hatten mir das Leben gezeigt, das geopfert werden musste, um die Welt wieder in Ordnung zu bringen.

Sie hoben Lukes Leichnam hoch, der jetzt in ein weißgrünes Leichentuch gehüllt war, und wollten ihn aus dem Thronsaal tragen.

»Wartet«, sagte Hermes.

Der Götterbote trug seine klassische Tracht: ein weißes griechisches Gewand, Sandalen und Helm. Die Flügel seines Helms flatterten beim Gehen. Um seinen Caduceus ringelten sich die Schlangen George und Martha und murmelten: Luke, armer Luke.

Ich dachte an May Castellan, einsam in ihrer Küche, wo sie Plätzchen buk und Brote schmierte für einen Sohn, der nie wieder nach Hause kommen würde.

Hermes legte Lukes Gesicht frei und küsste ihn auf die Stirn. Er murmelte einige Worte auf Altgriechisch – einen letzten Segen.

»Gute Reise«, flüsterte er. Dann nickte er und die Moiren durften den Leichnam seines Sohnes forttragen.

Als sie den Saal verließen, dachte ich an die Große Weissagung. Jetzt ergaben die Zeilen für mich einen Sinn. Seine Seele wird von verfluchter Klinge gefällt. Gemeint war Luke, und die verfluchte Klinge war das Messer, das er vor langer Zeit Annabeth gegeben hatte – es war verflucht, weil Luke ein Versprechen gebrochen und seine Freunde verraten hatte. Eine einzige Entscheidung wird sein Leben beenden. Das war meine Entscheidung, ihm das Messer zu geben und wie Annabeth zu glauben, dass er die Sache noch immer in Ordnung bringen konnte. Den Olymp zu kassieren oder das Schicksal zu wenden. Indem er sich selbst geopfert hatte, hatte er den Olymp gerettet. Rachel hatte Recht gehabt. Nicht ich war der Heros. Luke war es.

Und ich verstand noch etwas anderes. Als Luke in den Styx gestiegen war, hatte er sich auf etwas konzentrieren müssen, das ihn an sein sterbliches Leben binden würde. Sonst hätte er sich aufgelöst. Ich hatte Annabeth vor mir gesehen, und ich hatte das Gefühl, dass das auch bei ihm so gewesen war. Er hatte die Szene gesehen, die Hestia mir gezeigt hatte – Luke selbst, in den guten alten Zeiten, zusammen mit Thalia und Annabeth, wie er versprach, dass sie eine Familie sein würden. Als er Annabeth im Kampf verletzt hatte, hatte der Schock ihn dazu gebracht, sich an dieses Versprechen zu erinnern. Das hatte es seinem sterblichen Bewusstsein ermöglicht, stark zu werden und Kronos zu besiegen. Seine schwache Stelle – seine Achillesferse – hatte uns alle gerettet.

Annabeths Knie gaben nach. Ich fing sie auf, aber sie stieß einen Schmerzensschrei aus und ich begriff, dass ich ihren gebrochenen Arm erwischt hatte.

»Oh Götter«, sagte ich. »Annabeth, tut mir leid.«