»Dad …«
»Pssst«, sagte er. »Kein Held ist über Furcht erhaben, Percy. Und du hast jeden anderen Helden übertroffen. Nicht einmal Herkules …«
»POSEIDON!«, brüllte eine Stimme.
Zeus hatte seinen Thron bestiegen. Er starrte meinen Dad quer durch den Saal an, während die anderen Götter ihre Plätze einnahmen. Sogar Hades war dabei, er saß auf einem schlichten Gästestuhl aus Stein am Fuße der Feuerstelle. Nico saß im Schneidersitz zu Füßen seines Dads auf dem Boden.
»Na, Poseidon?«, knurrte Zeus. »Bist du zu stolz, um dich unserem Rat anzuschließen, mein Bruder?«
Ich dachte schon, Poseidon würde in Wut geraten, aber er sah mich nur an und zwinkerte. »Es wäre mir eine Ehre, Herr Zeus.«
Na ja, Wunder gibt es eben immer wieder. Poseidon ging zu seinem Angelstuhl und der Olympische Rat war zusammengetreten.
Während Zeus sprach – er hielt eine lange Rede über die Tapferkeit der Götter und so weiter –, kam Annabeth herein und stellte sich neben mich. Sie sah gut aus dafür, dass sie gerade noch ohnmächtig gewesen war.
»Viel verpasst?«, flüsterte sie.
»Bisher will uns noch niemand töten«, flüsterte ich zurück. »Zum ersten Mal heute.«
Ich kicherte, aber Grover versetzte mir einen Rippenstoß, weil Hera uns wütend anstarrte.
»Was meine Brüder angeht«, sagte Zeus, »sind wir dankbar …« Er räusperte sich, als brächte er die Worte nur mit Mühe heraus. »Äh, dankbar für die Hilfe des Hades.«
Der Herr der Toten nickte. Er sah ziemlich zufrieden mit sich aus, aber ich fand auch, dass er jedes Recht dazu hatte. Er klopfte seinem Sohn auf die Schulter und Nico sah glücklicher aus, als ich das je erlebt hatte.
»Und natürlich …«, sagte jetzt Zeus, obwohl er aussah, als ob seine Hose Feuer gefangen hätte, »… müssen wir auch … äh … Poseidon danken.«
»Verzeihung, Bruder«, sagte Poseidon. »Wie war das gerade?«
»Wir müssen Poseidon danken«, knurrte Zeus. »Ohne den … es nicht leicht gewesen wäre …«
»Nicht leicht?«, fragte Poseidon unschuldig.
»Unmöglich«, sagte Zeus. »Unmöglich gewesen wäre, Typhon zu besiegen.«
Die Götter murmelten zustimmend und schlugen auf ihre Waffen.
»Und damit bleibt uns nur noch«, sagte Zeus, »uns bei unseren heldenhaften jungen Halbgöttern zu bedanken, die den Olymp so gut verteidigt haben – auch wenn mein Thron einige Dellen aufweist.«
Er rief Thalia zuerst zu sich, da sie seine Tochter war, und versprach ihr Hilfe beim Anwerben neuer Jägerinnen.
Artemis lächelte. »Du hast gute Arbeit geleistet, meine Vertreterin. Du hast mich stolz gemacht, und alle Jägerinnen, die in meinem Dienst umgekommen sind, werden nicht in Vergessenheit geraten. Sie werden ins Elysium eingehen, da bin ich mir sicher.«
Sie starrte Hades vielsagend an.
Er zuckte mit den Schultern. »Vermutlich.«
Artemis starrte ihn weiter an.
»Na gut«, knurrte Hades. »Ich werde für sie das Aufnahmeverfahren vereinfachen.«
Thalia strahlte vor Stolz. »Vielen Dank, Herrin.« Sie verbeugte sich vor den Göttern, sogar vor Hades, dann hinkte sie neben den Thron der Artemis.
»Tyson, Sohn des Poseidon!«, rief Zeus. Tyson wirkte nervös, aber dann trat er mitten vor den Rat und Zeus grunzte.
»Lässt wohl nicht viele Mahlzeiten aus, was?«, murmelte Zeus. »Tyson, für deine Tapferkeit im Krieg und als Anführer der Zyklopen wirst zum General in der olympischen Armee ernannt. Du wirst hinfort deine Brüder in den Krieg führen, wann immer die Götter das verlangen. Und du bekommst ein neues … äh … was für eine Waffe hättest du denn gern? Ein Schwert? Eine Axt?«
»Stock!«, sagte Tyson und zeigte seine zerbrochene Keule vor.
»Sehr gut«, sagte Zeus. »Dann bekommst du einen neuen, äh, Stock. Den besten Stock, der sich auftreiben lässt.«
»Hurra!«, rief Tyson und alle Zyklopen jubelten und hämmerten ihm auf den Rücken, als er sich wieder zu ihnen stellte.
»Grover Underwood von den Satyrn!«, rief Dionysos.
Grover trat nervös vor.
»Kau nicht immer auf deinem Hemd herum«, tadelte Dionysos. »Ehrlich, ich tu dir schon nichts. Für deine Tapferkeit und deine Opferbereitschaft, bla, bla, bla, und weil wir eine unvorhergesehene Vakanz haben, halten die Götter es für angebracht, dich zum Mitglied im Rat der Behuften Älteren zu ernennen.«
Grover brach auf der Stelle zusammen.
»Na, reizend«, seufzte Dionysos, als mehrere Najaden angelaufen kamen, um Grover zu helfen. »Also, wenn er aufwacht, sollte irgendwer ihm sagen, dass er kein Ausgestoßener mehr ist, und dass alle Satyrn, Najaden und anderen Naturgeister ihn hinfort als Herrn der Wildnis mit allen Rechten, Privilegien und Ehren, bla, bla, bla, behandeln werden. Und jetzt nehmt ihn bitte mit, ehe er aufwacht und sentimental wird.«
»ESSSSSSEN«, stöhnte Grover, als die Naturgeister ihn davontrugen.
Ich ging davon aus, dass ich mir keine Sorgen um ihn zu machen brauchte. Er würde als Herr der Wildnis und in der Obhut schöner Najaden erwachen. Es gab Schlimmeres.
Athene rief: »Annabeth Chase, meine Tochter.«
Annabeth drückte meinen Arm, dann trat sie vor und kniete zu Füßen ihrer Mutter nieder.
Athene lächelte. »Du, meine Tochter, hast alle Erwartungen übertroffen. Du hast deinen Verstand, deine Kraft und deinen Mut genutzt, um diese Stadt und den Sitz unserer Macht zu verteidigen. Wir haben gesehen, dass der Olymp … na ja, ein Schutthaufen ist. Der Titanenherrscher hat sehr viel Schaden angerichtet, der repariert werden muss. Wir könnten natürlich durch Zauber alles wiederherstellen und so aussehen lassen, wie es war. Aber die Götter sind der Meinung, dass vieles verbessert werden könnte. Wir betrachten das hier als interessante Gelegenheit. Und du, meine Tochter, wirst diese Verbesserungen entwickeln.«
Annabeth schaute verblüfft auf. »Aber … Herrin?«
Athene lächelte. »Du bist doch Architektin, oder? Du hast dich mit den Techniken von Dädalus vertraut gemacht. Wer wäre denn besser geeignet, den Olymp neu zu entwerfen und zu einem Wahrzeichen zu machen, das weitere Äonen bestehen wird?«
»Ihr meint … ich kann entwerfen, was immer ich will?«
»Was dein Herz begehrt«, sagte die Göttin. »Mach uns eine Stadt für viele Zeitalter.«
»Solange es jede Menge Statuen von mir gibt«, fügte Apollo hinzu.
»Und von mir«, sagte Aphrodite.
»He, und von mir«, rief Ares. »Große Statuen mit riesigen fiesen Schwertern und …«
»Schon gut«, fiel Athene ihm ins Wort. »Sie hat schon verstanden. Nun steh auf, meine Tochter, offizielle Architektin des Olymps.«
Annabeth erhob sich wie in Trance und kam zu mir zurück.
»Gut gemacht«, sagte ich grinsend zu ihr.
Dieses eine Mal fehlten ihr die Worte. »Ich … ich muss anfangen zu planen … ich brauche Zeichenpapier und, äh, Bleistifte …«
»PERCY JACKSON!«, verkündete Poseidon. Mein Name hallte im ganzen Saal wider.
Alle Gespräche verstummten. Alles im Raum war still, nur das Knistern des Herdfeuers war noch zu hören. Alle sahen mich an – Götter, Halbgötter, Zyklopen, Naturgeister. Ich ging in die Mitte des Thronsaales. Hestia lächelte mir ermutigend zu; sie hatte jetzt die Gestalt eines Mädchen und wirkte glücklich und zufrieden, weil sie wieder an ihrem Feuer saß. Ihr Lächeln gab mir den Mut weiterzugehen.
Zuerst verbeugte ich mich vor Zeus. Dann kniete ich zu Füßen meines Vaters nieder.
»Steh auf, mein Sohn«, sagte Poseidon.
Ich erhob mich nervös.
»Ein großer Held muss belohnt werden«, sagte Poseidon. »Will irgendwer hier bestreiten, dass mein Sohn sich verdient gemacht hat?«
Ich wartete darauf, dass irgendwer Einspruch erhob. Die Götter waren nie einer Meinung und viele konnten mich noch immer nicht leiden, aber nicht ein einziger protestierte.
»Der Rat ist übereingekommen, Percy Jackson«, sagte Zeus, »dass dir ein Geschenk der Götter zusteht.«
Ich zögerte. »Egal was?«