375 Von seltner Fische Häuten Bezüge wohlgethan,
Zu schauen fremd den Leuten, so viel man nur gewann,
Bedeckten sie mit Seide: darein ward Gold getragen:
Man mochte große Wunder von den lichten Kleidern
sagen.
376 Aus dem Land Marocco und auch von Libya
Der allerbesten Seide, die man jemals sah
Königskinder tragen, der hatten sie genug.
Wohl ließ sie Kriemhild schauen, wie sie Liebe für sie trug.
377 Da sie so theure Kleider begehrt zu ihrer Fahrt,
Hermelinfelle wurden nicht gespart,
Darauf von Kohlenschwärze mancher Flecken lag:
Das trügen schnelle Helden noch gern bei einem Hofgelag.
378 Aus arabischem Golde glänzte mancher Stein;
Der Frauen Unmuße war nicht zu klein.
Sie schufen die Gewände in sieben Wochen Zeit;
Da war auch ihr Gewaffen den guten Degen bereit.
379 Als sie gerüstet standen, sah man auf dem Rhein
Fleißiglich gezimmert ein starkes Schiffelein,
Das sie da tragen sollte hernieder an die See.
Den edeln Jungfrauen war von Arbeiten weh.
380 Da sagte man den Recken, es sei für sie zur Hand,
Das sie tragen sollten, das zierliche Gewand.
Was sie erbeten hatten, das war nun geschehn;
Da wollten sie nicht länger mehr am Rheine bestehn.
381 Zu den Heergesellen ein Bote ward gesandt,
Ob sie schauen wollten ihr neues Gewand,
Ob es den Helden wäre zu kurz oder lang.
Es war von rechtem Maße; des sagten sie den Frauen
Dank.
382 Vor wen sie immer kamen, die musten all gestehn,
Sie hätten nie auf Erden schöner Gewand gesehn.
Drum mochten sie es gerne da zu Hofe tragen;
Von beßerm Ritterstaate wuste Niemand mehr zu sagen.
383 Den edeln Maiden wurde höchlich Dank gesagt.
Da baten um Urlaub die Recken unverzagt;
In ritterlichen Züchten thaten die Herren das.
Da wurden lichte Augen getrübt von Weinen und naß.
384 Sie sprach: „Viel lieber Bruder, ihr bliebet beßer hier
Und würbt andre Frauen: klüger schien’ es mir,
Wo ihr nicht wagen müstet Leben und Leib.
Ihr fändet in der Nähe wohl ein so hochgeboren Weib.“
385 Sie ahnten wohl im Herzen ihr künftig Ungemach.
Sie musten alle weinen, was da auch Einer sprach.
Das Gold vor ihren Brüsten ward von Thränen fahl;
Die fielen ihnen dichte von den Augen zuthal.
386 Da sprach sie: „Herr Siegfried, laßt euch befohlen sein
Auf Treu und auf Gnade den lieben Bruder mein,
Daß ihn nichts gefährde in Brunhildens Land.“
Das versprach der Kühne Frau Kriemhilden in die Hand.
387 Da sprach der edle Degen: „So lang mein Leben währt,
So bleibt von allen Sorgen, Herrin, unbeschwert;
Ich bring ihn euch geborgen wieder an den Rhein.
Das glaubt bei Leib und Leben.“ Da dankt’ ihm schön
das Mägdelein.
388 Die goldrothen Schilde trug man an den Strand
Und schaffte zu dem Schiffe all ihr Rüstgewand;
Ihre Rosse ließ man bringen: sie wollten nun hindann.
Wie da von schönen Frauen so großes Weinen begann!
389 Da stellte sich ins Fenster manch minnigliches Kind.
Das Schiff mit seinem Segel ergriff ein hoher Wind.
Die stolzen Heergesellen saßen auf dem Rhein;
Da sprach der König Gunther: „Wer soll nun
Schiffmeister sein?“
390 „Das will ich,“ sprach Siegfried: „ich kann euch
auf der Flut
Wohl von hinnen führen, das wißt, Helden gut;
Die rechten Wasserstraßen sind mir wohl bekannt.“
So schieden sie mit Freuden aus der Burgunden Land.
391 Eine Ruderstange Siegfried ergriff;
Vom Gestade schob er kräftig das Schiff.
Gunther der kühne ein Ruder selber nahm.
Da huben sich vom Lande die schnellen Ritter lobesam.
392 Sie führten reichlich Speise, dazu guten Wein,
Den besten, den sie finden mochten um den Rhein.
Ihre Rosse standen still in guter Ruh;
Das Schiff gieng so eben, kein Ungemach stieß ihnen zu.
393 Ihre starken Segelseile streckte die Luft mit Macht;
Sie fuhren zwanzig Meilen, eh niedersank die Nacht,
Mit günstigem Winde nieder nach der See;
Ihr starkes Arbeiten that noch schönen Frauen weh.
394 An dem zwölften Morgen, wie wir hören sagen,
Da hatten sie die Winde weit hinweggetragen
Nach Isenstein der Veste in Brunhildens Land,
Das ihrer Keinem außer Siegfried bekannt.
395 Als der König Gunther so viel der Burgen sah
Und auch der weiten Marken, wie bald sprach er da:
„Nun sagt mir, Freund Siegfried, ist euch das bekannt?
Wem sind diese Burgen und wem das herrliche Land?
396 "Ich hab all mein Leben, das muß ich wohl gestehn,
So wohlgebauter Burgen nie so viel gesehn
Irgend in den Landen, als wir hier ersahn;
Der sie erbauen konnte, war wohl ein mächtiger Mann."
397 Zur Antwort gab ihm Siegfried: "Das ist mir
wohlbekannt;
Brunhilden sind sie, die Burgen wie das Land
Und Isenstein die Veste, glaubt mir fürwahr:
Da mögt ihr heute schauen schöner Frauen große Schar.
398 "Ich will euch Helden rathen: seid all von einem Muth
Und sprecht in gleichem Sinne, so dünkt es mich gut.
Denn wenn wir heute vor Brunhilden gehn,
So müßen wir in Sorgen vor der Königstochter stehn.
399 "Wenn wir die Minnigliche bei ihren Leuten sehn,
Sollt ihr erlauchte Helden nur Einer Rede stehn:
Gunther sei mein Lehnsherr und ich ihm unterthan;
So wird ihm sein Verlangen nach seinem Wunsche
gethan."
400 Sie waren all willfährig zu thun, wie er sie hieß:
In seinem Uebermuthe es auch nicht Einer ließ.
Sie sprachen, wie er wollte; wohl frommt’ es ihnen da,
Als der König Gunther die schöne Brunhild ersah.
401 "Wohl thu ichs nicht so gerne dir zu lieb allein,
Als um deine Schwester, das schöne Mägdelein.
Die ist mir wie die Seele und wie mein eigner Leib;
Ich will es gern verdienen, daß sie werde mein Weib."
Abenteuer 7
Wie Gunther Brunhilden gewann