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456 Er trug in seinen Sorgen, das wißet, Leid genug. All seine Rüstung man ihm zur Stelle trug. Gewappnet Stand der reiche König bald darin. Vor Leid hätte Hagen schier gar verwandelt den Sinn.
457 Da sprach Hagens Bruder, der kühne Dankwart: "Mich reut in der Seele her zu Hof die Fahrt. Nun hießen wir einst Recken! wie verlieren wir den Leib! Soll uns in diesem Lande nun verderben ein Weib?
458 "Des muß mich sehr verdrießen, daß ich kam in dieses Land. Hätte mein Bruder Hagen sein Schwert an der Hand Und auch ich das meine, so sollten sachte gehn Mit ihrem Uebermuthe Die in Brunhildens Lehn.
459 Sie sollten sich bescheiden, das glaubet mir nur. Hätt ich den Frieden tausendmal bestärkt mit einem Schwur, Bevor ich sterben sähe den lieben Herren mein, Das Leben müste laßen dieses schöne Mägdelein."
460 "Wir möchten ungefangen wohl räumen dieses Land," Sprach sein Bruder Hagen, "hätten wir das Gewand, Des wir zum Streit bedürfen, und die Schwerter gut, So sollte sich wohl sänften der schönen Fraue Uebermuth."
461 Wohl hörte, was er sagte, die Fraue wohlgethan; Ueber die Achsel sah sie ihn lächelnd an. "Nun er so kühn sich dünket, so bringt doch ihr Gewand, Ihre scharfen Waffen gebt den Helden an die Hand.
462 "Es kümmert mich so wenig, ob sie gewaffnet sind, Als ob sie bloß da stünden," so sprach das Königskind. "Ich fürchte Niemands Stärke, den ich noch je gekannt: Ich mag auch wohl genesen im Streit vor des Königs Hand."
463 Als man die Waffen brachte, wie die Maid gebot, Dankwart der kühne ward vor Freuden roth. "Nun spielt, was ihr wollet," sprach der Degen werth, "Gunther ist unbezwungen: wir haben wieder unser Schwert."
464 Brunhildens Stärke zeigte sich nicht klein: Man trug ihr zu dem Kreise einen schweren Stein, Groß und ungefüge, rund dabei und breit. Ihn trugen kaum zwölfe dieser Degen kühn im Streit.
465 Den warf sie allerwegen, wie sie den Sper verschoß. Darüber war die Sorge der Burgunden groß. "Wen will der König werben?" sprach da Hagen laut: "Wär sie in der Hölle doch des übeln Teufels Braut!"
466 An ihre weißen Arme sie die Ärmel wand, Sie schickte sich und faßte den Schild an die Hand, Sie schwang den Spieß zur Höhe: das war des Kampfe Beginn. Gunther und Siegfried bangten vor Brunhildens grimmem Sinn.
467 Und wär ihm da Siegfried zu Hülfe nicht gekommen, So hätte sie dem König das Leben wohl benommen. Er trat hinzu verstohlen und rührte seine Hand; Gunther seine Künste mit großen Sorgen befand.
468 "Wer wars, der mich berührte?" dachte der kühne Mann, Und wie er um sich blickte, da traf er Niemand an. Er sprach: "Ich bin es, Siegfried, der Geselle dein: Du sollst ganz ohne Sorge vor der Königin sein."
469 (Er sprach:) "Gieb aus den Händen den Schild, laß mich ihn tragen Und behalt im Sinne, was du mich hörest sagen: Du habe die Gebärde, ich will das Werk begehn." Als er ihn erkannte, da war ihm Liebes geschehn.
470 "Verhehl auch meine Künste, das ist uns beiden gut: So mag die Königstochter den hohen Uebermuth Nicht an dir vollbringen, wie sie gesonnen ist: Nun sieh doch, welcher Kühnheit sie wider dich sich vermißt."
471 Da schoß mit ganzen Kräften die herrliche Maid Den Sper nach einem neuen Schild, mächtig und breit; Den trug an der Linken Sieglindens Kind. Das Feuer sprang vom Stahle, als ob es wehte der Wind.
472 Des starken Spießes Schneide den Schild ganz durchdrang, Daß das Feuer lohend aus den Ringen sprang. Von dem Schuße fielen die kraftvollen Degen: War nicht die Tarnkappe, sie wären beide da erlegen.
473 Siegfried dem kühnen vom Munde brach das Blut. Bald sprang er auf die Füße: da nahm der Degen gut Den Sper, den sie geschoßen ihm hatte durch den Rand: Den warf ihr jetzt zurücke Siegfried mit kraftvoller Hand.
474 Er dacht: "Ich will nicht schießen das Mägdlein wonniglich." Des Spießes Schneide kehrt’ er hinter den Rücken sich; Mit der Sperstange schoß er auf ihr Gewand, Daß es laut erhallte von seiner kraftreichen Hand.
475 Das Feuer stob vom Panzer, als trieb’ es der Wind. Es hatte wohl geschoßen der Sieglinde Kind: Sie vermochte mit den Kräften dem Schuße nicht zu stehn; Das war von König Gunthern in Wahrheit nimmer geschehn.
476 Brunhild die schöne bald auf die Füße sprang: "Gunther, edler Ritter, des Schußes habe Dank!" Sie wähnt’, er hätt es selber mit seiner Kraft gethan Nein, zu Boden warf sie ein viel stärkerer Mann.
477 Da gieng sie hin geschwinde, zornig war ihr Muth, Den Stein hoch erhub sie, die edle Jungfrau gut; Sie schwang ihn mit Kräften weithin von der Hand, Dann sprang sie nach dem Wurfe, daß laut erklang ihr Gewand.
478 Der Stein fiel zu Boden von ihr zwölf Klafter weit: Den Wurf überholte im Sprung die edle Maid. Hin gieng der schnelle Siegfried, wo der Stein nun lag: Gunther must ihn wägen, des Wurfs der Verholne pflag.
479 Siegfried war kräftig, kühn und auch lang; Den Stein warf er ferner, dazu er weiter sprang. Ein großes Wunder war es und künstlich genug, Daß er in dem Sprunge den König Gunther noch trug.
480 Der Sprung war ergangen, am Boden lag der Stein: Gunther wars, der Degen, den man sah allein. Brunhild die schöne ward vor Zorne roth; Gewendet hatte Siegfried dem König Gunther den Tod.
481 Zu ihrem Ingesinde sprach die Königin da, Als sie gesund den Helden an des Kreises Ende sah: "Ihr, meine Freund und Mannen, tretet gleich heran: Ihr sollt dem König Gunther alle werden unterthan."
482 Da legten die Kühnen die Waffen von der Hand Und boten sich zu Füßen von Burgundenland Gunther dem reichen, so mancher kühne Mann: Sie wähnten, die Spiele hätt er mit eigner Kraft gethan.