27 Selten ohne Hüter man reiten ließ das Kind.
Mit Kleidern hieß ihn zieren seine Mutter Siegelind;
Auch pflegten sein die Weisen, denen Ehre war bekannt:
Drum möcht er wohl gewinnen so die Leute wie das Land,
28 Nun war er in der Stärke, daß er wohl Waffen trug:
Wes er dazu bedurfte, des gab man ihm genug.
Schon sann er zu werben um manches schöne Kind;
Die hätten wohl mit Ehren den schönen Siegfried geminnt.
29 Da ließ sein Vater Siegmund kund thun seinem Lehn,
Mit lieben Freunden woll er ein Hofgelag begehn.
Da brachte man die Märe in andrer Könge Land.
Den Heimischen und Gästen gab er Ross und Gewand.
30 Wen man finden mochte, der nach der Eltern Art
Ritter werden sollte, die edeln Knappen zart
Lud man nach dem Lande zu der Lustbarkeit,
Wo sie das Schwert empfiengen mit Siegfried zu gleicher
Zeit.
31 Man mochte Wunder sagen von dem Hofgelag.
Siegmund und Siegelind gewannen an dem Tag
Viel Ehre durch die Gaben, die spendet’ ihre Hand:
Drum sah man viel der Fremden zu ihnen reiten in das
Land.
32 Vierhundert Schwertdegen sollten gekleidet sein
Mit dem jungen Könige. Manch schönes Mägdelein
Sah man am Werk geschäftig: ihm waren alle hold.
Viel edle Steine legten die Frauen da in das Gold,
33 Die sie mit Borten wollten auf die Kleider nähn
Den jungen stolzen Recken; das muste so ergehn.
Der Wirth ließ Sitze bauen für manchen kühnen Mann
Zu der Sonnenwende, wo Siegfried Ritters Stand gewann.
34 Da gieng zu einem Münster mancher reiche Knecht
Und viel der edeln Ritter. Die Alten thaten recht,
Daß sie den Jungen dienten, wie ihnen war geschehn,
Sie hatten Kurzweile und freuten sich es zu sehn.
35 Als man da Gott zu Ehren eine Messe sang,
Da hub sich von den Leuten ein gewaltiger Drang,
Da sie zu Rittern wurden dem Ritterbrauch gemäß
Mit also hohen Ehren, so leicht nicht wieder geschähs.
36 Sie eilten, wo sie fanden geschirrter Rosse viel.
Da ward in Siegmunds Hofe so laut das Ritterspiel,
Daß man ertosen hörte Pallas und Saal.
Die hochbeherzten Degen begannen fröhlichen Schall.
37 Von Alten und von Jungen mancher Stoß erklang,
Daß der Schäfte Brechen in die Lüfte drang.
Die Splitter sah man fliegen bis zum Saal hinan.
Die Kurzweile sahen die Fraun und Männer mit an.
38 Der Wirth bat es zu laßen. Man zog die Rosse fort;
Wohl sah man auch zerbrochen viel starke Schilde dort
Und viel der edeln Steine auf das Gras gefällt
Von des lichten Schildes Spangen: die hatten Stöße
zerschellt.
39 Da setzten sich die Gäste, wohin man ihnen rieth,
zu Tisch, wo von Ermüdung viel edle Kost sie schied
Und Wein der allerbeste, des man die Fülle trug.
Den Heimischen und Fremden bot man Ehren da genug.
40 So viel sie Kurzweile gefunden all den Tag,
Das fahrende Gesinde doch keiner Ruhe pflag:
Sie dienten um die Gabe, die man da reichlich fand;
Ihr Lob ward zur Zierde König Siegmunds ganzem Land.
41 Da ließ der Fürst verleihen Siegfried, dem jungen Mann,
Das Land und die Burgen, wie sonst er selbst gethan.
Seinen Schwertgenoßen gab er mit milder Hand:
So freute sie die Reise, die sie geführt in das Land.
42 Das Hofgelage währte bis an den siebten Tag.
Sieglind die reiche der alten Sitte pflag,
Daß sie dem Sohn zu Liebe vertheilte rothes Gold:
Sie könnt es wohl verdienen, daß ihm die Leute waren
hold.
43 Da war zuletzt kein armer Fahrender mehr im Land.
Ihnen stoben Kleider und Rosse von der Hand,
Als hätten sie zu leben nicht mehr denn einen Tag.
Man sah nie Ingesinde, das so großer Milde pflag.
44 Mit preiswerthen Ehren zergieng die Lustbarkeit.
Man hörte wohl die Reichen sagen nach der Zeit,
Daß sie dem Jungen gerne wären unterthan;
Das begehrte nicht Siegfried, dieser waidliche Mann.
45 So lange sie noch lebten, Siegmund und Siegelind,
Wollte nicht Krone tragen der beiden liebes Kind;
Doch wollt er herrlich wenden alle die Gewalt,
Die in den Landen fürchtete der Degen kühn und
wohlgestalt.
46 Ihn durfte Niemand schelten: seit er die Waffen nahm,
Pflag er der Ruh nur selten, der Recke lobesam.
Er suchte nur zu streiten und seine starke Hand
Macht’ ihn zu allen Zeiten in fremden Reichen
wohlbekannt.
47 Den Herrn beschwerte selten irgend ein Herzeleid.
Er hörte Kunde sagen, wie eine schöne Maid
Bei den Burgunden wäre, nach Wünschen wohlgethan,
Von der er bald viel Freuden und auch viel Leides gewann.
48 Von ihrer hohen Schöne vernahm man weit und breit,
Und auch ihr Hochgemüthe ward zur selben Zeit
Bei der Jungfrauen den Helden oft bekannt:
Das ladete der Gäste viel in König Gunthers Land.
49 So viel um ihre Minne man Werbende sah,
Kriemhild in ihrem Sinne sprach dazu nicht Ja,
Daß sie einen wollte zum geliebten Mann:
Er war ihr noch gar fremde, dem sie bald ward unterthan.
50 Dann sann auf hohe Minne Sieglindens Kind:
All der Andern Werben war wider ihn ein Wind.
Er mochte wohl verdienen ein Weib so auserwählt:
Bald ward die edle Kriemhild dem kühnen Siegfried
vermählt.
51 Ihm riethen seine Freunde und Die in seinem Lehn,
Hab er stäte Minne sich zum Ziel ersehn,
So soll er werben, daß er sich der Wahl nicht dürfe
schämen.
Da sprach der edle Siegfried: «So will ich Kriemhilden
nehmen,
52 Die edle Königstochter von Burgundenland,
Um ihre große Schöne. Das ist mir wohl bekannt,
Kein Kaiser sei so mächtig, hätt er zu frein im Sinn,
Dem nicht zum minnen ziemte diese reiche Königin.»
53 Solche Märe hörte der König Siegmund.
Es sprachen seine Leute: also ward ihm kund
Seines Kindes Wille. Es war ihm höchlich leid,
Daß er werben wolle um diese herrliche Maid.