509 Alberich war muthig, dazu auch stark genug.
Helm und Panzerringe er am Leibe trug
Und eine schwere Geisel von Gold an seiner Hand.
Da lief er hin geschwinde, wo er Siegfrieden fand.
510 Sieben schwere Knöpfe hiengen vorn daran,
Womit er vor der Linken den Schild dem kühnen Mann
So bitterlich zergerbte, in Splitter gieng er fast.
In Sorgen um sein Leben gerieth der herrliche Gast.
511 Den Schild er ganz zerbrochen seiner Hand entschwang:
Da stieß er in die Scheide eine Waffe, die war lang.
Seinen Kammerwärter wollt er nicht schlagen todt:
Er schonte seiner Leute, wie ihm die Treue gebot.
512 Mit den starken Händen Albrichen lief er an,
Und erfaßte bei dem Barte den altgreisen Mann.
Den zuckt’ er ungefüge: der Zwerg schrie auf vor Schmerz.
Des jungen Helden Züchtigung gieng Alberichen
ans Herz.
513 Laut rief der Kühne: "Nun laßt mir das Leben:
Und hätt ich einem Helden mich nicht schon ergeben,
Dem ich schwören muste, ich war ihm unterthan,
Ich dient euch, bis ich stürbe," so sprach der listige Mann.
514 Er band auch Alberichen wie den Riesen eh:
Siegfriedens Kräfte thaten ihm gar weh.
Der Zwerg begann zu fragen: "Wie seid ihr genannt?"
Er sprach: "Ich heiße Siegfried: ich wähnt,
ich wäre euch bekannt."
515 "So wohl mir diese Kunde," sprach da Alberich,
"An euern Heldenwerken spürt ich nun sicherlich,
Daß ihrs wohl verdientet, des Landes Herr zu sein.
Ich thu, was ihr gebietet, laßt ihr nur mich gedeihn."
516 Da sprach der Degen Siegfried: "So macht euch
auf geschwind
Und bringt mir her der Besten, die in der Veste sind,
Tausend Nibelungen; die will ich vor mir sehn.
So laß ich euch kein Leides an euerm Leben geschehn."
517 Albrichen und den Riesen löst’ er von dem Band.
Hin lief der Zwerg geschwinde, wo er die Recken fand.
Sorglich erweckt’ er Die in Niblungs Lehn
Und sprach: "Wohlauf, ihr Helden, ihr sollt
zu Siegfrieden gehn."
518 Sie sprangen von den Betten und waren gleich bereit:
Tausend schnelle Ritter standen im Eisenkleid.
Er brachte sie zur Stelle, wo er Siegfried fand:
Der grüßte schön die Degen und gab Manchem
die Hand.
519 Viel Kerzen ließ man zünden; man schenkt’ ihm lautern
Trank.
Daß sie so bald gekommen, des sagt’ er Allen Dank.
Er sprach: "Ihr sollt von hinnen mir folgen über Flut."
Dazu fand er willig diese Helden kühn und gut.
520 Wohl dreißig hundert Recken kamen ungezählt:
Von denen wurden tausend der besten auserwählt,
Man brachte ihre Helme und ander Rüstgewand,
Da er sie führen wollte hin zu Brunhildens Land.
521 Er sprach: "Ihr guten Ritter, Eins laßt euch sagen:
Ihr sollt reiche Kleider dort am Hofe tragen,
Denn uns wird da schauen manch minnigliches Weib:
Darum sollt ihr zieren mit guten Kleidern den Leib."
522 Nun möchten mich die Thoren vielleicht der Lüge zeihn:
Wie konnten so viel Ritter wohl beisammen sein?
Wo nähmen sie die Speise? Wo nähmen sie Gewand?
Und besäß er dreißig Lande, er brächt es nimmer
zu Stand.
523 Ihr habt doch wol vernommen, Siegfried war gar reich.
Sein war der Nibelungenhort, dazu das Königreich.
Drum gab er seinen Degen völliglich genug;
Es ward ja doch nicht minder, wie viel man
von dem Schatze trug.
524 Eines frühen Morgens begannen sie die Fahrt:
Was schneller Mannen hatte da Siegfried sich geschart!
Sie führten gute Rosse und herrlich Gewand:
Sie kamen stolz gezogen hin zu Brunhildens Land.
525 Da stand in den Zinnen manch minnigliches Kind.
Da sprach die Königstochter: "Weiß Jemand,
wer die sind,
Die ich dort fließen sehe so fern auf der See?
Sie führen reiche Segel, die sind noch weißer
als der Schnee."
526 Da sprach der Vogt vom Rheine: "Es ist mein Heergeleit,
Das ich auf der Reise verließ von hier nicht weit:
Ich habe sie besendet: nun sind sie, Frau, gekommen."
Der herrlichen Gäste ward mit Züchten wahrgenommen.
527 Da sah man Siegfrieden im Schiffe stehn voran
In herrlichem Gewande mit manchem andern Mann.
Da sprach die Königstochter: "Herr König, wollt
mir sagen:
Soll ich die Gäste grüßen oder ihnen Gruß versagen?"
528 Er sprach: "Ihr sollt entgegen ihnen vor den Pallas gehn,
Ob ihr sie gerne sehet, daß sie das wohl verstehn."
Da that die Königstochter, wie ihr der König rieth;
Siegfrieden mit dem Gruße sie von den Andern
unterschied.
529 Herberge gab man ihnen und wahrt’ ihr Gewand.
Da waren so viel Gäste gekommen in das Land,
Daß sie sich allenthalben drängten mit den Scharen:
Da wollten heim die Kühnen zu den Burgunden fahren.
530 Da sprach die Königstochter: "Dem blieb ich immer
hold,
Der zu vertheilen wüste mein Silber und mein Gold
Meinen Gästen und des Königs, des ich so viel gewann."
Zur Antwort gab ihr Dankwart, des kühnen Geiselher
Mann:
531 "Viel edle Königstochter, laßt mich der Schlüßel pflegen;
Ich will es so vertheilen," sprach der kühne Degen,
"Wenn ich mir Schand erwerbe, die treffe mich allein."
Daß er milde wäre, das leuchtete da wohl ein.
532 Als sich Hagens Bruder der Schlüßel unterwand,
So manche reiche Gabe bot des Helden Hand:
Wer Einer Mark begehrte, dem ward so viel gegeben,
Daß die Armen alle da in Freuden mochten leben.
533 Wohl mit hundert Pfunden gab er ohne Wahl.
Da gieng in reichem Kleide Mancher aus dem Saal,
Der nie zuvor im Leben so hehr Gewand noch trug.
Die Königin erfuhr es: da war es ihr leid genug.
534 Sie sprach zu dem König: "Des hätt ich gerne Rath,
Daß nichts mir soll verbleiben von meinem Kleiderstaat
Vor euerm Kämmerlinge: er verschwendet all mein Gold.
Wer dem noch widerstände, dem wollt ich immer
bleiben hold.