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535 "Er giebt so reiche Gaben: der Degen wähnet eben, Ich habe nach dem Tode gesandt: ich will noch leben Und kann wol selbst verschwenden meines Vaters Gut." Nie hatt einer Königin Kämmerer so milden Muth.
536 Da sprach von Tronje Hagen: "Frau, euch sei bekannt: Der König vom Rheine hat Gold und Gewand Zu geben solche Fülle, daß es nicht Noth ihm thut, Von hier hinweg zu führen einen Theil von Brunhilds Gut."
537 "Nein, wenn ihr mich liebet," sprach sie zu den Herrn, "Zwanzig Reiseschreine füllt ich mir gern Mit Gold und mit Seide: das soll meine Hand Vertheilen, so wir kommen heim in der Burgunden Land."
538 Da lud man ihr die Kisten mit edelm Gestein. Der Frauen Kämmerlinge musten zugegen sein: Sie wollt es nicht vertrauen Geiselhers Unterthan. Gunther und Hagen darob zu lachen begann.
539 Da sprach die Königstochter: "Wem laß ich nun mein Land? Das soll hier erst bestimmen mein und eure Hand." Da sprach der edle König: "So rufet wen herbei, Der euch dazu gefalle, daß er zum Vogt geordnet sei."
540 Ihrer nächsten Freunde Einen die Jungfrau bei sich sah; Es war ihr Mutterbruder, zu dem begann sie da: "Nun laßt euch sein befohlen die Burgen und das Land, Bis seine Amtleute der König Gunther gesandt."
541 Aus dem Gesinde wählte sie zweitausend Mann, Die mit ihr fahren sollten gen Burgund hindann Mit jenen tausend Recken aus Nibelungenland. Sie schickten sich zur Reise: man sah sie reiten nach dem Strand.
542 Sie führte mit von dannen sechsundachtzig Fraun, Dazu wol hundert Mägdelein, die waren schön zu schaun. Sie säumten sich nicht länger, sie eilten nun hindann: Die sie zu Hause ließen, wie Manche hub zu weinen an!
543 In höfischen Züchten räumte die Frau ihr Land, Die nächsten Freunde küssend, die sie bei sich fand. Mit gutem Urlaube kamen sie aufs Meer; Ihres Vaters Lande sah die Jungfrau nimmermehr.
544 Auf ihrer Fahrt ertönte vielfaches Freudenspiel; Aller Kurzweile hatten sie da viel. Auch hob sich zu der Reise der rechte Wasserwind. Sie fuhren ab vom Lande: das beweinte mancher Mutter Kind.
545 Doch wollte sie den König nicht minnen auf der Fahrt: Ihre Kurzweil wurde bis in sein Haus gespart Zu Worms in der Veste zu einem Hofgelag, Dahin mit ihren Helden sie fröhlich kamen hernach.

Abenteuer 9

Wie Siegfried nach Worms gesandt wird

546 Da sie gefahren waren voll neun Tage, Da sprach von Tronje Hagen: "Nun hört, was ich sage. Wir säumen mit der Kunde nach Worms an den Rhein: Nun sollten eure Boten schon bei den Burgunden sein."
547 Da sprach König Gunther: "Ihr redet recht daran; Auch hätt uns wohl Niemand die Fahrt so gern gethan Als ihr selbst, Freund Hagen: nun reitet in mein Land, Unsre Hofreise macht Niemand beßer da bekannt."
548 "Nun wißt, lieber Herre, ich bin kein Bote gut: Laßt mich der Kammer pflegen und bleiben auf der Flut. Ich will hier bei den Frauen behüten ihr Gewand, Bis daß wir sie bringen in der Burgunden Land.
549 "Nein, bittet Siegfrieden um die Botschaft dahin: Der mag sie wohl verrichten mit zuchtreichem Sinn. Versagt er euch die Reise, ihr sollt mit guten Sitten Bei eurer Schwester Liebe um die Fahrt ihn freundlich bitten."
550 Er sandte nach dem Recken: der kam, als man ihn fand. Er sprach zu ihm: "Wir nahen uns schon meinem Land; Da sollt ich Boten senden der lieben Schwester mein Und auch meiner Mutter, daß wir kommen an den Rhein.
551 "So bitt ich euch, Herr Siegfried, daß ihr die Reise thut, Ich wills euch immer danken," so sprach der Degen gut. Da weigerte sich Siegfried, dieser kühne Mann, Bis ihn König Gunther sehr zu flehen begann.
552 Er sprach: "Ihr sollt reiten um den Willen mein, Dazu auch um Kriemhild, das schöne Mägdelein, Daß es mit mir vergelte die herrliche Maid." Als Siegfried das hörte, da war der Recke bald bereit.
553 "Entbietet, was ihr wollet, es soll gemeldet sein: Ich will es gern bestellen um das schöne Mägdelein. Die ich im Herzen trage, verzichtet’ ich auf die? Leisten will ich Alles, was ihr gebietet, um sie."
554 "So sagt meiner Mutter, Ute der Königin, Daß ich auf dieser Reise hohes Muthes bin. Wie wir geworben haben, sagt meinen Brüdern an; Auch unsern Freunden werde diese Märe kund gethan.
555 Ihr sollt auch nichts verschweigen der schönen Schwester mein, Ich woll ihr mit Brunhild stäts zu Diensten sein; So sagt auch dem Gesinde und wer mir unterthan, Was je mein Herz sich wünschte, daß ich das Alles gewann.
556 "Und saget Ortweinen, dem lieben Neffen mein, Daß er Gestühl errichten laße bei dem Rhein; Den Mannen auch und Freunden sei es kund gethan, Ich stelle mit Brunhilden eine große Hochzeit an.
557 "Und bittet meine Schwester, werd ihr das bekannt, Daß ich mit meinen Gästen gekommen sei ins Land, Daß sie dann wohl empfange die liebe Traute mein: So woll ich Kriemhilden stäts zu Dienst erbötig sein."
558 Da bat bei Brunhilden und ihrem Ingesind Alsbald um den Urlaub Siegfried, Sigmunds Kind, Wie es ihm geziemte: da ritt er an den Rhein. Es könnt in allen Landen ein beßrer Bote nicht sein.
559 Mit vierundzwanzig Recken zu Worms kam er an; Ohne den König kam er, das wurde kund gethan. Da mühten all die Degen in Jammer sich und Noth, Besorgt, daß dort der König gefunden habe den Tod.
560 Sie stiegen von den Rossen und trugen hohen Muth; Da kam alsbald Herr Geiselher, der junge König gut, Und Gernot, sein Bruder, wie hurtig sprach er da, Als er den König Gunther nicht bei Siegfrieden sah:
561 "Willkommen, Herr Siegfried, ich bitte, sagt mir an: Wo habt ihr meinen Bruder, den König, hingethan? Brunhildens Stärke hat ihn uns wol benommen; So wär uns sehr zu Schaden ihre hohe Minne gekommen."