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589 Sechsundachtzig Frauen traten da heraus, Die Kopfgebinde trugen; zu Kriemhild vor das Haus Zogen die Schönen jetzt in reichem Kleid; Da kam in vollem Schmucke auch manche waidliche Maid,
590 Fünfzig und viere aus Burgundenland: Es waren auch die besten, die man irgend fand. Man sah sie gelblockig unter lichten Borten gehn. Was sich bedingt der König, das sah er fleißig geschehn.
591 Von kostbaren Zeugen, den besten, die man fand, Trugen sie vor den Gästen manch herrlich Gewand. Zu ihrer schönen Farbe stand es ihnen gut: Wer Einer abhold wäre, litte wohl an schwachem Muth.
592 Von Hermelin und Zobel viel Kleider man da fand. Da schmückte sich gar Manche den Arm und auch die Hand Mit Spangen auf der Seide, die sie sollten tragen. Es könnt euch dieß Befleißen Niemand wohl zu Ende sagen.
593 Viel Gürtel kunstgeschaffen, kostbar und lang, Ueber lichte Kleider die Hand der Frauen schwang Um edle Ferransröcke von Zeug aus Arabia, Wie man sie besser in aller Welt nicht ersah.
594 Man sah in Brustgeschmeide manch schöne Maid Minniglich sich schnüren. Die mochte tragen Leid, Deren lichte Farbe das Kleid nicht überschien. So schönes Ingesinde hat nun keine Königin.
595 Als die Minniglichen nun trugen ihr Gewand, Die sie da führen sollten, die kamen unverwandt, Die hochgemuthen Recken in großer Zahl daher; Man bracht auch hin viel Schilde und manchen eschenen Sper.

Abenteuer 10

Wie Gunther mit Brunhild Hochzeit hielt

596 Jenseits des Rheins sah man dem Gestad Mit allen seinen Gästen den König schon genaht. Da sah man auch am Zaume leiten manche Maid: Die sie empfangen sollten, die waren alle bereit.
597 Als bei den Schiffen ankam von Isenland die Schar Und die der Nibelungen, die Siegfried eigen war, Sie eilten an das Ufer; wohl fliß sich ihre Hand, Als man des Königs Freunde jenseits am Gestade fand.
598 Nun hört auch die Märe von der Königin, Ute der reichen, wie sie die Mägdlein hin Brachte von der Veste und selber ritt zum Strand. Da wurden mit einander viel Maid’ und Ritter bekannt.
599 Der Markgraf Gere führte am Zaum Kriemhildens Pferd Bis vor das Thor der Veste; Siegfried der Degen werth Durft ihr weiter dienen; sie war so schön und hehr. Das ward ihm wohl vergolten von der Jungfrau nachher.
600 Ortwein der kühne führte Ute die Königin, Und so ritt mancher Ritter neben den Frauen hin. Zu festlichem Empfange, das mag man wohl gestehn, Wurden nie der Frauen so viel beisammen gesehn.
601 Viel hohe Ritterspiele wurden da getrieben Von preiswerthen Helden (wie wär es unterblieben?) Vor Kriemhild der schönen, die zu den Schiffen kam. Da hub man von den Mähren viel der Frauen lobesam.
602 Der König war gelandet mit fremder Ritterschaft. Wie brach da vor den Frauen mancher starke Schaft! Man hört’ auf den Schilden erklingen Stoß auf Stoß. Hei! reicher Buckeln Schallen ward im Gedränge da groß!
603 Vor dem Hafen standen die Frauen minniglich; Gunther mit seinen Gästen hub von den Schiffen sich: Er führte Brunhilden selber an der Hand. Wider einander leuchtete schön Gestein und licht Gewand.
604 In höfischen Züchten hin Frau Kriemhild gieng, Wo sie Frau Brunhilden und ihr Gesind empfieng. Man konnte lichte Hände am Kränzlein rücken sehn, Da sich die Beiden küssten: das war aus Liebe geschehn.
605 Da sprach wohlgezogen Kriemhild das Mägdelein: "Ihr sollt uns willkommen in diesem Lande sein, Mir und meiner Mutter, und Allen, die uns treu Von Mannen und von Freunden." Da verneigten sich die Zwei.
606 Oftmals mit den Armen umfiengen sich die Fraun. So minniglich Empfangen war nimmer noch zu schaun, Als die Frauen beide der Braut da thaten kund, Frau Ute mit der Tochter: sie küssten oft den süßen Mund.
607 Da Brunhilds Frauen alle nun standen auf dem Strand, Von waidlichen Recken wurden bei der Hand Freundlich genommen viel Frauen ausersehn. Man sah die edeln Maide vor Frau Brunhilden stehn.
608 Bis der Empfang vorüber war, das währte lange Zeit, Manch rosigem Munde war da ein Kuß bereit. Noch standen bei einander die Königinnen reich: Das freuten sich zu schauen viel der Recken ohne Gleich.
609 Da spähten mit den Augen, die oft gehört vorher, Man hab also Schönes gesehen nimmermehr Als die Frauen beide: das fand man ohne Lug. Man sah an ihrer Schöne auch nicht den mindesten Trug.
610 Wer Frauen schätzen konnte und minniglichen Leib, Der pries um ihre Schöne König Gunthers Weib; Doch sprachen da die Kenner, die es recht besehn, Man müße vor Brunhilden den Preis Kriemhilden zugestehn.
611 Nun giengen zu einander Mägdelein und Fraun; Es war in hoher Zierde manch schönes Weib zu schaun. Da standen seidne Hütten und manches reiche Zelt, Womit man erfüllt sah hier vor Worms das ganze Feld.
612 Des Könige Freunde drängten sich, um sie zu sehn. Da hieß man Brunhilden und Kriemhilden gehn Und all die Fraun mit ihnen hin, wo sich Schatten fand; Es führten sie die Degen aus der Burgunden Land.
613 Nun waren auch die Gäste zu Ross geseßen all; Da gabs beim Lanzenbrechen durch Schilde lauten Schall. Das Feld begann zu stäuben, als ob das ganze Land Entbrannt wär in der Lohe: da machten Helden sich bekannt.
614 Was da die Recken thaten, sah manche Maid mit an. Wohl ritt mit seinen Degen Siegfried der kühne Mann In mancher Wiederkehre vorbei an dem Gezelt; Der Nibelungen führte tausend Degen der Held.
615 Da kam von Tronje Hagen, wie ihm der König rieth; Der Held mit guter Sitte die Ritterspiele schied, Daß sie nicht bestaubten die schönen Mägdelein: Da mochten ihm die Gäste gerne wohl gehorsam sein.