642 Was ihr der König sagte, traurig blieb ihr Muth.
Da eilte von den Tischen mancher Ritter gut:
Das Kampfspiel ward so heftig, daß rings die Burg
erklang.
Dem Wirth bei seinen Gästen ward die Weile viel zu lang.
643 Er dacht: "Ich läge sanfter der schönen Frauen bei."
Er wurde des Gedankens nicht mehr im Herzen frei,
Von ihrer Minne müße ihm Liebes viel geschehn.
Da begann er freundlich Frau Brunhilden anzusehn.
644 Vom Ritterspiel die Gäste bat man abzustehn:
Mit seinem Weibe wollte zu Bett der König gehn.
Vor des Saales Stiege begegneten da
Sich Kriemhild und Brunhild; noch in Güte das geschah.
645 Da kam ihr Ingesinde; sie säumten länger nicht:
Ihre reichen Kämmerlinge brachten ihnen Licht.
Es theilten sich die Recken in beider Könge Lehn.
Da sah man viel der Degen hinweg mit Siegfrieden gehn.
646 Die Helden kamen beide hin, wo sie sollten liegen.
Da dachte Jedweder mit Minnen obzusiegen
Den minniglichen Frauen: des freute sich ihr Muth.
Siegfriedens Kurzweil die wurde herrlich und gut.
647 Als Siegfried der Degen bei Kriemhilden lag
Und er da der Jungfrau so minniglich pflag
Mit seinem edeln Minnen, sie ward ihm wie sein Leben:
Er hätte nicht die eine für tausend andre gegeben.
648 Ich sag euch nicht weiter, wie er der Frauen pflag.
Nun hört diese Märe, wie König Gunther lag
Bei Brunhild der Frauen; der zierliche Degen
Hätte leichtlich sanfter bei andern Frauen gelegen.
649 Das Volk hatt ihn verlaßen zumal, so Frau als Mann:
Da ward die Kemenate balde zugethan.
Er wähnt’, er solle kosen ihren minniglichen Leib:
Da währt’ es noch gar lange, bevor sie wurde sein Weib.
650 Im weißen Linnenhemde gieng sie ins Bett hinein.
Der edle Ritter dachte: "Nun ist das alles mein,
Wes mich je verlangte in allen meinen Tagen."
Sie must ob ihrer Schöne mit großem Recht ihm behagen.
651 Das Licht begann zu bergen des edeln Königs Hand.
Hin gieng der kühne Degen, wo er die Jungfrau fand.
Er legte sich ihr nahe: seine Freude die war groß,
Als die Minnigliche der Held mit Armen umschloß.
652 Minnigliches Kosen möcht er da viel begehn,
Ließe das willig die edle Frau geschehn.
Doch zürnte sie gewaltig: den Herrn betrübte das.
Er wähnt, er fände Freude, da fand er feindlichen Haß.
653 Sie sprach: "Edler Ritter, laßt euch das vergehn:
Was ihr da habt im Sinne, das kann nicht geschehn.
Ich will noch Jungfrau bleiben, Herr König,
merkt euch das,
Bis ich die Mär erfahre." Da faßte Gunther ihr Haß.
654 Er rang nach ihrer Minne und zerrauft’ ihr Kleid.
Da griff nach einem Gürtel die herrliche Maid,
Einer starken Borte, die sie um sich trug:
Da that sie dem König großen Leides genug.
655 Die Füß und die Hände sie ihm zusammenband,
Zu einem Nagel trug sie ihn und hieng ihn an die Wand.
Als er im Schlaf sie störte, sein Minnen sie verbot.
Von ihrer Stärke hätt er beinah gewonnen den Tod.
656 Da begann zu flehen, der Meister sollte sein:
"Nun löst mir die Bande, viel edle Fraue mein.
Ich getrau euch, schöne Herrin, doch nimmer obzusiegen
Und will auch wahrlich selten mehr so nahe bei euch
liegen."
657 Sie frug nicht, wie ihm wäre, da sie in Ruhe lag.
Dort must er hangen bleiben die Nacht bis an den Tag,
Bis der lichte Morgen durchs Fenster warf den Schein:
Hatt er je Kraft beseßen, die ward an seinem Leibe klein.
658 "Nun sagt mir, Herr Gunther, ist euch das etwa leid,
Wenn euch gebunden finden," sprach die schöne Maid,
"Eure Kämmerlinge von einer Frauen Hand?"
Da sprach der edle Ritter: "Das würd euch übel gewandt.
659 "Auch wär mirs wenig Ehre," sprach der edle Mann:
"Bei eurer Zucht und Güte nehmt mich nun bei euch an.
Und ist euch meine Minne denn so mächtig leid,
So will ich nie berühren mit meiner Hand euer Kleid."
660 Da löste sie den König, daß er nicht länger hieng;
Wieder an das Bette er zu der Frauen gieng.
Er legte sich so ferne, daß er ihr Hemde fein
Nicht oft darnach berührte: auch wollte sie des ledig sein.
661 Da kam auch ihr Gesinde, das brachte neu Gewand:
Des war heute Morgen genug für sie zur Hand.
Wie froh man da gebahrte, traurig war genug
Der edle Wirth des Landes, wie er des Tags
die Krone trug.
662 Nach des Landes Sitte, die zu begehen Pflicht,
Unterließ es Gunther mit Brunhild länger nicht:
Sie giengen nach dem Münster, wo man die Messe sang.
Dahin auch kam Herr Siegfried; da hob sich mächtiger
Drang.
663 Nach königlichen Ehren war da für sie bereit,
Was sie haben sollten, die Krone wie das Kleid.
Da ließen sie sich weihen: als das war geschehn,
Da sah man unter Krone alle Viere herrlich stehn.
664 Das Schwert empfiengen Knappen, sechshundert
oder mehr,
Den Königen zu Ehren auf meines Worts Gewähr.
Da hob sich große Freude in Burgundenland:
Man hörte Schäfte brechen an der Schwertdegen Hand.
665 Da saßen in den Fenstern die schönen Mägdelein.
Sie sahen vor sich leuchten manches Schildes Schein.
Nun hatte sich der König getrennt von seinem Lehn:
Was man beginnen mochte, er ließ es trauernd geschehn.
666 Ihm und Siegfrieden ungleich stand der Muth:
Wohl wuste, was ihm fehlte, der edle Ritter gut.
Da gieng er zu dem König, zu fragen er begann:
"Wie ists euch gelungen die Nacht, das saget mir an."
667 Da sprach der Wirth zum Gaste: "Den Schimpf
und den Schaden
Hab ich an meiner Frauen in mein Haus geladen.
Ich wähnte sie zu minnen, wie schnell sie mich da band!
Zu einem Nagel trug sie mich und hieng mich hoch
an die Wand.
668 "Da hieng ich sehr in Aengsten die Nacht bis an den Tag.
Eh sie mich wieder löste, wie sanft sie da lag!
Das sei dir in der Stille geklagt in Freundlichkeit."
Da sprach der starke Siegfried: "Das ist in Wahrheit
mir leid.