669 "Das will ich euch beweisen, verschmerzt ihr
den Verdruß.
Ich schaffe, daß sie heute Nacht so nah euch liegen muß,
Daß sie euch ihre Minne nicht länger vorenthält."
Die Rede hörte gerne nach seinem Leide der Held.
670 "Nun schau meine Hände, wie die geschwollen sind:
Die drückte sie so mächtig, als wär ich ein Kind,
Daß Blut mir allenthalben aus den Nägeln drang.
Ich hegte keinen Zweifel, mein Leben währe nicht lang."
671 Da sprach der starke Siegfried: "Es wird noch Alles gut.
Uns Beiden war wohl ungleich heute Nacht zu Muth.
Mir ist deine Schwester wie Leben lieb und Leib!
So muß nun auch Frau Brunhild noch heute werden
dein Weib.
672 "Ich komme heut Abend zu deinem Kämmerlein
Also wohl verborgen in der Tarnkappe mein,
Daß sich meiner Künste Niemand mag versehn.
Laß dann die Kämmerlinge zu ihren Herbergen gehn:
673 "So lesch ich den Knappen die Lichter an der Hand:
Bei diesem Wahrzeichen sei dir bekannt,
Daß ich hereingetreten. Wohl zwing ich dir dein Weib,
Daß du sie heute minnest, ich verlör’ denn Leben
und Leib."
674 "Wenn du sie nicht minnest," der König sprach da so,
"Meine liebe Fraue: des Andern bin ich froh;
Was du auch thust und nähmst du Leben ihr und Leib,
Das wollt ich wohl verschmerzen: sie ist ein schreckliches
Weib."
675 "Das nehm ich," sprach da Siegfried,
"auf die Treue mein,
Daß ich sie nicht berühre; die liebe Schwester dein
Geht mir über alle, die ich jemals sah."
Wohl glaubte König Gunther der Rede Siegfriedens da.
676 Da gabs von Ritterspielen Freude so wie Noth.
Den Buhurd und das Lärmen man allzumal verbot.
Als die Frauen sollten nach dem Saale gehn,
Geboten Kämmerlinge den Leuten, nicht im Weg
zu stehn.
677 Von Rossen und von Leuten räumte man den Hof.
Der Frauen Jedwede führt’ ein Bischof,
Als sie vor den Königen zu Tische sollten gehn.
Ihnen folgten zu den Stühlen viel der Degen ausersehn.
678 Bei seinem Weib der König in froher Hoffnung saß:
Was Siegfried ihm verheißen, im Sinne lag ihm das.
Der eine Tag ihn dauchte wohl dreißig Tage lang:
Nach Brunhildens Minne all sein Denken ihm rang.
679 Er konnt es kaum erwarten, bis vorbei das Mahl.
Brunhild die schöne rief man aus dem Saal
Und auch Kriemhilden: sie sollten schlafen gehn:
Hei! was man kühner Degen sah vor den Königinnen
stehn!
680 Siegfried der Herre gar minniglich saß
Bei seinem schönen Weibe mit Freuden ohne Haß.
Sie kos’te seine Hände mit ihrer weißen Hand,
Bis er ihr vor den Augen, sie wuste nicht wie, verschwand.
681 Da sie mit ihm spielte und sie ihn nicht mehr sah,
Zu seinem Ingesinde sprach die Königin da:
"Mich wundert sehr, wo ist doch der König
hingekommen?
Wer hat seine Hände mir aus den meinen genommen?"
682 Sie ließ die Rede bleiben. Da eilt’ er hinzugehn,
Wo er die Kämmerlinge fand mit Lichtern stehn:
Die lescht’ er unversehens den Knappen an der Hand:
Daß es Siegfried wäre, das war da Gunthern bekannt.
683 Wohl wust er, was er wolle: er ließ von dannen gehn
Mägdelein und Frauen. Als das war geschehn,
Der edle König selber verschloß der Kammer Thür:
Starker Riegel zweie die warf er eilends dafür.
684 Hinterm Bettvorhange barg er der Kerzen Licht.
Ein Spiel sogleich begannen, vermeiden ließ sichs nicht,
Siegfried der starke und die schöne Maid:
Das war dem König Gunther beides lieb und auch leid.
685 Da legte sich Siegfried der Königin bei.
Sie sprach: "Nun laßt es, Gunther, wie lieb es euch auch sei,
Daß ihr nicht Noth erleidet heute so wie eh:
Oder euch geschieht hier von meinen Händen
wieder Weh."
686 Er hehlte seine Stimme, kein Wörtlein sprach er da.
Wohl hörte König Gunther, obgleich er sie nicht sah,
Daß Heimliches von Beiden wenig geschehen sei;
Nicht viel bequeme Ruhe im Bette fanden die Zwei.
687 Er stellte sich, als wär er Gunther der König reich;
Er umschloß mit Armen das Mägdlein ohne Gleich.
Sie warf ihn aus dem Bette dabei auf eine Bank,
Daß laut an einem Schemel ihm das Haupt davon erklang.
688 Wieder auf mit Kräften sprang der kühne Mann,
Es beßer zu versuchen: wie er das begann,
Daß er sie zwingen wollte, da widerfuhr ihm Weh.
Ich glaube nicht, daß solche Wehr von Frauen
je wieder gescheh.
689 Da ers nicht laßen wollte, das Mägdlein aufsprang:
"Euch ziemt nicht zu zerraufen mein Hemd also blank.
Ihr seid ungezogen: das wird euch noch leid.
Des bring ich euch wohl inne," sprach die waidliche
Maid.
690 Sie umschloß mit den Armen den theuerlichen Degen
Und wollt ihn auch in Bande wie den König legen,
Daß sie im Bette läge mit Gemächlichkeit.
Wie grimmig sie das rächte, daß er zerzerret ihr Kleid!
691 Was half ihm da die Stärke, was seine große Kraft?
Sie erwies dem Degen ihres Leibes Meisterschaft.
Sie trug ihn übermächtig, das muste nur so sein,
Und drückt ihn ungefüge bei dem Bett an einen Schrein.
692 "O weh," gedacht er, "soll ich Leben nun und Leib
Von einer Maid verlieren, so mag jedes Weib
In allen künftgen Zeiten tragen Frevelmuth
Dem Mann gegenüber, die es sonst wohl nimmer thut."
693 Der König hörte Alles; er bangte für den Mann.
Da schämte sich Siegfried, zu zürnen fieng er an.
Mit ungefügen Kräften ihr widersetzt’ er sich
Und versuchte seine Stärke an Brunhilden ängstiglich.
694 Wie sie ihn niederdrückte, sein Zorn erzwang es noch
Und seine starken Kräfte, daß ihr zum Trotz er doch
Sich aufrichten konnte; seine Angst war groß.
Sie gaben in der Kammer sich her und hin manchen Stoß.
695 Auch litt König Gunther Sorgen und Beschwer:
Er muste manchmal flüchten vor ihnen hin und her.
Sie rangen so gewaltig, daß es Wunder nahm,
Wie Eins vor dem Andern mit dem Leben noch entkam.