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935 Als er ersah das Zeichen, da schickt’ er ungesehn, Andre Mär zu bringen, zwei aus seinem Lehn: In Frieden sollte bleiben König Gunthers Land; Es habe sie Herr Lüdeger zu dem König gesandt.
936 Wie ungerne Siegfried abließ vom Streit, Eh er gerochen hatte seiner Freunde Leid! Kaum hielten ihn zurücke Die Gunthern unterthan. Da ritt er zu dem König, der ihm zu danken begann:
937 "Nun lohn euch Gott, Freund Siegfried, den willigen Sinn, Daß ihr so gerne thatet, was mir vonnöthen schien: Das will ich euch vergelten, wie ich billig soll. Vor allen meinen Freunden vertrau ich euch immer wohl.
938 "Da wir uns der Heerfahrt so entledigt sehn, So laßt uns nun Bären und Schweine jagen gehn Nach dem Odenwalde, wie ich oft gethan." Gerathen hatte Hagen das, dieser ungetreue Mann.
939 "Allen meinen Gästen soll man das nun sagen, Ich denke früh zu reiten: die mit mir wollen jagen, Die laßt sich fertig halten; die aber hier bestehn, Kurzweilen mit den Frauen: so sei mir Liebes geschehn."
940 Mit herrlichen Sitten sprach da Siegfried: "Wenn ihr jagen reitet, da will ich gerne mit. So sollt ihr mir leihen einen Jägersmann Mit etlichen Bracken: So reit ich mit euch in den Tann."
941 "Wollt ihr nur Einen?" frug Gunther zuhand; "Ich leih euch, wollt ihr, viere, denen wohl bekannt Der Wald ist und die Steige, wo viel Wildes ist, Daß ihr des Wegs unkundig nicht ledig wieder heimwärts müßt."
942 Da ritt zu seinem Weibe der Degen unverzagt. Derweil hatte Hagen dem König gesagt, Wie er verderben wolle den herrlichen Degen. So großer Untreue sollt ein Mann nimmer pflegen.
943 Als die Ungetreuen beschloßen seinen Tod, Da wusten sie es Alle. Geiselher und Gernot Wollten nicht mit jagen. Weiß nicht, aus welchem Groll Sie ihn nicht verwarnten; doch des entgalten sie voll.

Abenteuer 16

Wie Siegfried erschlagen ward

944 Gunther und Hagen, die Recken wohlgethan Gelobten mit Untreuen ein Birschen in den Tann. Mit ihren scharfen Spießen wollten sie jagen Schwein’ Und Bären und Wisende: was mochte Kühneres sein?
945 Da ritt auch mit ihnen Siegfried mit stolzem Sinn. Man bracht ihnen Speise aller Art dahin. An einem kühlen Brunnen ließ er da das Leben: Den Rath hatte Brunhild, König Gunthers Weib, gegeben.
946 Da gieng der kühne Degen hin, wo er Kriemhild fand. Schon war aufgeladen das edle Birschgewand Ihm und den Gefährten: sie wollten über Rhein. Da konnte Kriemhilden nicht leider zu Muthe sein.
947 Seine liebe Traute küsst’ er auf den Mund: "Gott laße mich dich, Liebe, noch wiedersehn gesund Und deine Augen mich auch; mit holden Freunden dein Kürze dir die Stunden: ich kann nun nicht bei dir sein."
948 Da gedachte sie der Märe, sie durft es ihm nicht sagen, Nach der sie Hagen fragte: da begann zu klagen Die edle Königstochter, daß ihr das Leben ward: Ohne Maßen weinte die wunderschöne Fraue zart.
949 Sie sprach zu dem Recken: "Laßt euer Jagen sein: Mir träumte heunt von Leide, wie euch zwei wilde Schwein Ueber die Haide jagten: da wurden Blumen roth. Daß ich so bitter weine, das thut mir armem Weibe Noth.
950 "Wohl muß ich fürchten Etlicher Verrath, Wenn man den und jenen vielleicht beleidigt hat, Die uns verfolgen könnten mit feindlichem Haß. Bleibt hier, lieber Herre, mit Treuen rath ich euch das."
951 Er sprach: "Liebe Traute, ich kehr in kurzer Zeit; Ich weiß nicht, daß hier Jemand mir Haß trüg oder Neid. Alle deine Freunde sind insgemein mir hold; Auch verdient’ ich von den Degen wohl nicht anderlei Sold."
952 "Ach nein, lieber Siegfried: wohl fürcht ich deinen Fall. Mir träumte heunt von Leide, wie über dir zu Thal Fielen zwei Berge, daß ich dich nie mehr sah: Und willst du von mir scheiden, das geht mir inniglich nah."
953 Er umfieng mit Armen das zuchtreiche Weib, Mit holden Küssen herzt’ er ihr den schönen Leib. Da nahm er Urlaub und schied in kurzer Stund: Sie ersah ihn leider darnach nicht wieder gesund.
954 Da ritten sie von dannen in einen tiefen Tann Der Kurzweile willen; manch kühner Rittersmann Ritt mit dem König; hinaus gesendet ward Auch viel der edeln Speise, die sie brauchten zu der Fahrt.
955 Manch Saumross zog beladen vor ihnen überrhein, Das den Jagdgesellen das Brot trug und den Wein, Das Fleisch mit den Fischen und Vorrath aller Art, Wie sie ein reicher König wohl haben mag auf der Fahrt.
956 Da ließ man herbergen bei dem Walde grün Vor des Wildes Wechsel die stolzen Jäger kühn, Wo sie da jagen wollten, auf breitem Angergrund. Auch Siegfried war gekommen: das ward dem Könige kund.
957 Von den Jagdgesellen ward umhergestellt Die Wart an allen Enden: da sprach der kühne Held, Siegfried der starke: "Wer soll uns in den Wald Nach dem Wilde weisen, ihr Degen kühn und wohlgestalt?"
958 "Wollen wir uns scheiden," hub da Hagen an, "Eh wir beginnen zu jagen hier im Tann: So mögen wir erkennen, ich und der Herre mein, Wer die besten Jäger bei dieser Waldreise sei’n.
959 "Leute so wie Hunde, wir theilen uns darein: Dann fährt, wohin ihm lüstet, Jeglicher allein" Und wer das Beste jagte, dem sagen wir den Dank." Da weilten die Jäger bei einander nicht mehr lang.
960 Da sprach der edle Siegfried: "Der Hunde hab ich Rath Bis auf einen Bracken, der so genoßen hat, Daß er die Fährte spüre der Thiere durch den Tann. Wir kommen wohl zum Jagen!" sprach der Kriemhilde Mann.
961 Da nahm ein alter Jäger einen Spürhund hinter sich Und brachte den Herren, eh lange Zeit verstrich, Wo sie viel Wildes fanden: was des erstöbert ward, Das erjagten die Gesellen, wie heut noch guter Jäger Art.