962 Was da der Brack ersprengte, das schlug mit seiner Hand
Siegfried der kühne, der Held von Niederland.
Sein Ross lief so geschwinde, daß ihm nicht viel entrann:
Das Lob er bei dem Jagen vor ihnen allen gewann.
963 Er war in allen Dingen mannhaft genug.
Das erste der Thiere, die er zu Tode schlug,
War ein starker Büffel, den traf des Helden Hand:
Nicht lang darauf der Degen einen grimmen Leuen fand.
964 Als den der Hund ersprengte, schoß er ihn mit dem Bogen
Und dem scharfen Pfeile, den er darauf gezogen;
Der Leu lief nach dem Schuße nur dreier Sprünge lang.
Seine Jagdgesellen, die sagten Siegfrieden Dank.
965 Einen Wisend schlug er wieder darnach und einen Elk,
Vier starker Auer nieder und einen grimmen Schelk,
So schnell trug ihn die Mähre, daß ihm nichts entsprang:
Hinden und Hirsche wurden viele sein Fang.
966 Einen großen Eber trieb der Spürhund auf.
Als der flüchtig wurde, da kam in schnellem Lauf
Alles Jagens Meister und nahm zum Ziel ihn gleich.
Anlief das Schwein im Zorne diesen Helden tugendreich.
967 Da schlug es mit dem Schwerte der Kriemhilde Mann:
Das hätt ein andrer Jäger nicht so leicht gethan.
Als er nun gefällt lag, fieng man den Spürhund.
Seine reiche Beute wurde den Burgunden allen kund.
968 Da sprachen seine Jäger: "Kann es füglich sein,
So laßt uns, Herr Siegfried, des Wilds ein Theil gedeihn:
Ihr wollt uns heute leeren den Berg und auch den Tann."
Darob begann zu lächeln der Degen kühn
und wohlgethan.
969 Da vernahm man allenthalben Lärmen und Getos.
Von Leuten und von Hunden ward der Schall so groß,
Man hörte widerhallen den Berg und auch den Tann.
Vierundzwanzig Meuten hatten die Jäger losgethan.
970 Da wurde viel des Wildes vom grimmen Tod ereilt.
Sie wähnten es zu fügen, daß ihnen zugetheilt
Der Preis des Jagens würde: das konnte nicht geschehn,
Als bei der Feuerstätte der starke Siegfried ward gesehn.
971 Die Jagd war zu Ende, doch nicht so ganz und gar,
Zu der Feuerstelle brachte der Jäger Schar
Häute mancher Thiere und des Wilds genug.
Hei! was des zur Küche des Königs Ingesinde trug!
972 Da ließ der König künden den Jägern wohlgeborn,
Daß er zum Imbiß wolle; da wurde laut ins Horn
Einmal gestoßen: so machten sie bekannt,
Daß man den edeln Fürsten nun bei den Herbergen fand.
973 Da sprach ein Jäger Siegfrieds: "Mit eines Hornes Schall
Ward uns kund gegeben, Herr, daß wir nun all
Zur Herberge sollen: erwiedre ichs, das behagt."
Da ward nach den Gesellen mit Blasen lange gefragt.
974 Da sprach der edle Siegfried: "Nun räumen wir den Wald."
Sein Ross trug ihn eben; die Andern folgten bald.
Sie ersprengten mit dem Schalle ein Waldthier
fürchterlich,
Einen wilden Bären; da sprach der Degen hinter sich:
975 "Ich schaff uns Jagdgesellen eine Kurzweil.
Da seh ich einen Bären: den Bracken löst vom Seil.
Zu den Herbergen soll mit uns der Bär:
Er kann uns nicht entrinnen, und flöh er auch noch
so sehr."
976 Da lös’ten sie den Bracken: der Bär sprang hindann.
Da wollt ihn erreiten der Kriemhilde Mann.
Er kam in eine Bergschlucht: da konnt er ihm nicht bei:
Das starke Thier wähnte von den Jägern schon sich frei.
977 Da sprang von seinem Rosse der stolze Ritter gut
Und begann ihm nachzulaufen. Das Thier war ohne Hut,
ES konnt ihm nicht entrinnen: er fieng es allzuhand;
Ohn es zu verwunden, der Degen eilig es band.
978 Kratzen oder beißen konnt es nicht den Mann.
Er band es an den Sattel; auf saß der Schnelle dann
Und bracht es an die Feuerstatt in seinem hohen Muth
Zu einer Kurzweile, dieser Degen kühn und gut.
979 Er ritt zur Herberge in welcher Herrlichkeit!
Sein Sper war gewaltig, stark dazu und breit;
Eine schmucke Waffe hieng ihm herab bis auf den Sporn;
Von rothem Golde führte der Held ein herrliches Horn.
980 Von beßerm Birschgewande hört ich niemals sagen.
Einen Rock von schwarzem Zeuge sah man ihn tragen
Und einen Hut von Zobel, der reich war genug.
Hei! was edler Borten an seinem Köcher er trug!
981 Ein Vlies von einem Panther war darauf gezogen
Des Wohlgeruches wegen. Auch trug er einen Bogen:
Mit einer Winde must ihn ziehen an,
Wer ihn spannen wollte, er hätt es selbst denn gethan.
982 Von fremden Tierhäuten war all sein Gewand,
Das man von Kopf zu Füßen bunt überhangen fand.
Aus dem lichten Rauchwerk zu beiden Seiten hold
An dem kühnen Jägermeister schien manche Flitter
von Gold.
983 Auch führt’ er Balmungen, das breite schmucke Schwert:
Das war solcher Schärfe, nichts blieb unversehrt,
Wenn man es schlug auf Helme: seine Schneiden
waren gut.
Der herrliche Jäger trug gar hoch seinen Muth.
984 Wenn ich euch der Märe ganz bescheiden soll,
So war sein edler Köcher guter Pfeile voll,
Mit goldenen Röhren, die Eisen händebreit.
Was er traf mit Schießen, dem war das Ende nicht weit.
985 Da ritt der edle Ritter stattlich aus dem Tann.
Gunthers Leute sahen, wie er ritt heran.
Sie liefen ihm entgegen und hielten ihm das Ross:
Da trug er an dem Sattel einen Bären stark und groß.
986 Als er vom Ross gestiegen, löst’ er ihm das Band
Vom Mund und von den Füßen: die Hunde gleich
zur Hand
Begannen laut zu heulen, als sie den Bären sahn.
Das Thier zu Walde wollte: das erschreckte manchen
Mann.
987 Der Bär durch die Küche von dem Lärm gerieth:
Hei! was er Küchenknechte da vom Feuer schied!
Gestürzt ward mancher Keßel, verschleudert mancher
Brand;
Hei! was man guter Speisen in der Asche liegen fand!
988 Da sprang von den Sitzen Herr und Knecht zumal.
Der Bär begann zu zürnen; der König gleich befahl
Der Hunde Schar zu lösen, die an den Seilen lag;
Und war es Wohl geendet, sie hätten fröhlichen Tag.