1015 Da muste Hagen fallen von seiner Hand zu Thal;
Der Anger von den Schlägen erscholl im Wiederhall.
Hätt er sein Schwert in Händen, so wär er Hagens Tod.
Sehr zürnte der Wunde, es zwang ihn wahrhafte Noth.
1016 Seine Farbe war erblichen; er konnte nicht mehr stehn.
Seines Leibes Stärke muste ganz zergehn,
Da er des Todes Zeichen in lichter Farbe trug.
Er ward hernach betrauert von schönen Frauen genug.
1017 Da fiel in die Blumen der Kriemhilde Mann.
Das Blut von seiner Wunde stromweis nieder rann.
Da begann er die zu schelten, ihn zwang die große Noth
Die da gerathen hatten mit Untreue seinen Tod.
1018 Da sprach der Todwunde: "Weh, ihr bösen Zagen,
Was helfen meine Dienste, da ihr mich habt erschlagen?
Ich war euch stäts gewogen und sterbe nun daran.
Ihr habt an euern Freunden leider übel gethan.
1019 "Die sind davon bescholten, so viele noch geborn
Werden nach diesem Tage: ihr habt euern Zorn
Allzusehr gerochen an dem Leben mein.
Mit Schanden geschieden sollt ihr von guten
Recken sein."
1020 Hinliefen all die Ritter, wo er erschlagen lag.
Es war ihrer Vielen ein freudeloser Tag.
Wer Treue kannt und Ehre, der hat ihn beklagt:
Das verdient’ auch wohl um Alle dieser Degen unverzagt.
1021 Der König der Burgunden klagt’ auch seinen Tod.
Da sprach der Todwunde: "Das thut nimmer Noth,
Daß der um Schaden weine, von dem man ihn gewann:
Er verdient groß Schelten, er hätt es beßer nicht gethan."
1022 Da sprach der grimme Hagen: "Ich weiß nicht,
was euch reut:
Nun hat doch gar ein Ende, was uns je gedräut.
Es gibt nun nicht manchen, der uns darf bestehn;
Wohl mir, daß seiner Herrschaft durch mich ein End
ist geschehn."
1023 "Ihr mögt euch leichtlich rühmen," sprach Der
von Niederland.
"Hätt ich die mörderische Weis an euch erkannt,
Vor euch behütet hätt ich Leben wohl und Leib.
Mich dauert nichts auf Erden als Frau Kriemhild
mein Weib.
1024 "Nun mög es Gott erbarmen, daß ich gewann den Sohn,
Der jetzt auf alle Zeiten den Vorwurf hat davon,
Daß seine Freunde Jemand meuchlerisch erschlagen:
Hätt ich Zeit und Weile, das müst ich billig beklagen.
1025 "Wohl nimmer hat begangen so großen Mord
ein Mann,"
Sprach er zu dem König, "als ihr an mir gethan.
Ich erhielt euch unbescholten in großer Angst und Noth;
Ihr habt mir schlimm vergolten, daß ich so wohl
es euch bot."
1026 Da sprach im Jammer weiter der todwunde Held:
"Wollt ihr, edler König, noch auf dieser Welt
An Jemand Treue pflegen, so laßt befohlen sein
Doch auf eure Gnade euch die liebe Traute mein.
1027 "Es komm ihr zu Gute, daß sie eure Schwester ist:
Sei aller Fürsten Tugend helft ihr zu jeder Frist.
Mein mögen lange harren mein Vater und mein Lehn:
Nie ist an liebem Freunde einem Weibe so leid
geschehn."
1028 Er krümmte sich in Schmerzen, wie ihm die Noth gebot,
Und sprach aus jammerndem Herzen: "Mein
mordlicher Tod
Mag euch noch gereuen in der Zukunft Tagen:
Glaubt mir in rechten Treuen, daß ihr euch selber habt
erschlagen.
1029 Die Blumen allenthalben waren vom Blute naß.
Da rang er mit dem Tode, nicht lange that er das,
Denn des Todes Waffe schnitt ihn allzusehr.
Da konnte nicht mehr reden dieser Degen kühn
und hehr.
1030 Als die Herren sahen den edlen Helden todt,
Sie legten ihn auf einen Schild, der war von Golde roth.
Da giengen sie zu Rathe, wie sie es stellten an,
Daß es verhohlen bliebe, Hagen hab es gethan.
1031 Da sprachen ihrer Viele: "Ein Unfall ist geschehn;
Ihr sollt es alle hehlen und Einer Rede stehn:
Als er allein ritt jagen, der Kriemhilde Mann,
Erschlugen ihn Schächer, als er fuhr durch den Tann."
1032 Da sprach von Tronje Hagen: "Ich bring ihn in das Land.
Mich soll es nicht kümmern, wird es ihr auch bekannt,
Die so betrüben konnte der Königin hohen Muth;
Ich werde wenig fragen, wie sie nun weinet und thut."
1033 Von denselben Brunnen, wo Siegfried ward erschlagen,
Sollt ihr die rechte Wahrheit von mir hören sagen.
Vor dem Odenwalde ein Dorf liegt Odenheim.
Da fließt noch der Brunnen, kein Zweifel kann
daran sein.
Abenteuer 17
Wie Siegfried beklagt und begraben ward
1034 Da harrten sie des Abends und fuhren über Rhein;
Es mochte nie von Helden ein schlimmer Jagen sein.
Ihr Beutewild beweinte noch manches edle Weib:
Sein muste bald entgelten viel guter Weigande Leib.
1035 Von großem Uebermuthe mögt ihr nun hören sagen
Und schrecklicher Rache. Bringen ließ Hagen
Den erschlagen Siegfried von Nibelungenland
Vor eine Kemenate, darin sich Kriemhild befand.
1036 Er ließ ihn ihr verstohlen legen vor die Thür,
Daß sie ihn finden müße, wenn morgen sie herfür
Zu der Mette gienge frühe vor dem Tag,
Deren Frau Kriemhild wohl selten eine verlag.
1037 Da hörte man wie immer zum Münster das Geläut:
Kriemhild die schöne weckte manche Maid.
Ein Licht ließ sie sich bringen, dazu auch ihr Gewand;
Da kam der Kämmrer Einer hin, wo er Siegfrieden fand.
1038 Er sah ihn roth von Blute, all sein Gewand war naß:
Daß sein Herr es wäre, mit Nichten wust er das.
Da trug er in die Kammer das Licht in seiner Hand,
Bei dem da Frau Kriemhild viel leide Märe befand.
1039 Als sie mit den Frauen zum Münster wollte gehn,
"Frau," sprach der Kämmerer, "wollt noch stille stehn:
Es liegt vor dem Gemache ein Ritter todtgeschlagen."
"O weh," sprach da Kriemhild, "was willst du solche
Botschaft sagen?"
1040 Eh sie noch selbst gesehen, es sei ihr lieber Mann,
An die Frage Hagens hub sie zu denken an,
Wie er ihn schützen möchte: da ahnte sie ihr Leid.
Mit seinem Tod entsagte sie nun aller Fröhlichkeit.