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1068 Es könnt euch des Wunders ein Ende Niemand sagen, Die Ritter und die Frauen, wie man sie hörte klagen, Bis man des Wehrufs ward in der Stadt gewahr. Die edeln Bürger kamen daher in eilender Schar.
1069 Sie klagten mit den Gästen: sie schmerzte der Verlust. Was Siegfried verschulde, war ihnen unbewust, Weshalb der edle Recke Leben ließ und Leib. Da weinte mit den Frauen manchen guten Bürgers Weib.
1070 Schmiede hieß man eilen und würken einen Sarg Von Silber und von Golde, mächtig und stark, Und ließ ihn wohl beschlagen mit Stahl, der war gut. Da war allen Leuten das Herz beschwert und der Muth.
1071 Die Nacht war vergangen: man sagt’, es wolle tagen. Da ließ die edle Königin hin zum Münster tragen Diesen edeln Todten, ihren lieben Mann. Mit ihr giengen weinend, was sie der Freunde gewann.
1072 Da sie zum Münster kamen, wie manche Glocke klang! Allenthalben hörte man der Pfaffen Sang. Da kam der König Gunther hinzu mit seinem Lehn Und auch der grimme Hagen; es wäre klüger nicht geschehn.
1073 Er sprach: "Liebe Schwester, o weh des Leides dein; Daß wir nicht ledig mochten so großen Schadens sein! Wir müßen immer klagen um Siegfriedens Tod." "Daran thut ihr Unrecht," sprach die Frau in Jammersnoth.
1074 "Wenn euch das betrübte, so wär es nicht geschehn. Ihr hattet mein vergeßen, das muß ich wohl gestehn, Als ich so geschieden ward von meinem lieben Mann. Wollte Gott vom Himmel, mir selber war es gethan."
1075 Sie hielten sich am Läugnen. Da hub Kriemhild an: "Wer unschuldig sein will, leicht ist es dargethan, Er darf nur zu der Bahre hier vor dem Volke gehn: Da mag man gleich zur Stelle sich der Wahrheit versehn."
1076 Das ist ein großes Wunder, wie es noch oft geschieht, Wenn man den Mordbefleckten bei dem Todten sieht, So bluten ihm die Wunden, wie es auch hier geschah; Daher man nun der Unthat sich zu Hagen versah.
1077 Die Wunden floßen wieder so stark als je vorher. Die erst schon heftig klagten, die weinten nun noch mehr. Da sprach König Gunther: "Nun hört die Wahrheit an: Ihn erschlugen Schächer; Hagen hat es nicht gethan."
1078 Sie sprach: "Diese Schächer sind mir wohl bekannt: Nun laß es Gott noch rächen von seiner Freunde Hand! Gunther und Hagen, ja ihr habt es gethan." Da wollten wieder streiten Die Siegfrieden unterthan.
1079 Da sprach aber Kriemhild: "Ertragt mit mir die Noth." Da kamen auch die Beiden, wo sie ihn fanden todt, Gernot ihr Bruder und Geiselher das Kind. Sie beklagten ihn in Treuen; ihre Augen wurden thränenblind.
1080 Sie weinten von Herzen um Kriemhildens Mann. Man wollte Messe singen: zum Münster heran Sah man allenthalben Frauen und Männer ziehn, Die ihn doch leicht verschmerzten, weinten alle jetzt um ihn.
1081 Geiselher und Gernot sprachen: "Schwester mein, Nun tröste dich des Todes, es muß wohl also sein. Wir wollen dirs ersetzen, so lange wir leben." Da wust ihr auf Erden Niemand doch Trost zu geben.
1082 Sein Sarg war geschmiedet wohl um den hohen Tag; Man hob ihn von der Bahre, darauf der Todte lag. Da wollt ihn noch die Königin nicht laßen begraben: Es musten alle Leute große Mühsal erst haben.
1083 In kostbare Zeuge man den Todten wand. Gewiss daß man da Niemand ohne Weinen fand. Aus ganzem Herzen klagte Ute das edle Weib Und all ihr Ingesinde um Siegfrieds herrlichen Leib.
1084 Als die Leute hörten, daß man im Münster sang Und ihn besargt hatte, da hob sich großer Drang: Um seiner Seele willen was man da Opfer trug! Er hatte bei den Feinden doch guter Freunde genug.
1085 Kriemhild die arme zu den Kämmerlingen sprach: "Ihr sollt mir zu Liebe leiden Ungemach: Die ihm Gutes gönnen und mir blieben hold, Um Siegfriedens Seele verteilt an diese sein Gold."
1086 Da war kein Kind so kleine, mocht es Verstand nur haben, Das nicht zum Opfer gienge, eh er ward begraben. Wohl an hundert Messen man des Tages sang. Von Siegfriedens Freunden hob sich da mächtiger Drang.
1087 Als die gesungen waren, verlief die Menge sich. Da sprach wieder Kriemhild: "Nicht einsam sollt ihr mich Heunt bewachen laßen den auserwählten Degen: Es ist an seinem Leibe all meine Freude gelegen.
1088 "Drei Tag und drei Nächte will ich verwachen dran, Bis ich mich ersättige an meinem lieben Mann. Vielleicht daß Gott gebietet, daß mich auch nimmt der Tod: So wäre wohl beendet der armen Kriemhilde Noth."
1089 Zur Herberge giengen die Leute von der Stadt. Die Pfaffen und die Mönche sie zu verweilen bat Und all sein Ingesinde, das sein billig pflag. Sie hatten üble Nächte und gar mühselgen Tag.
1090 Ohne Trank und Speise verblieb da mancher Mann. Wers nicht gern entbehrte, dem ward kund gethan, Man gab ihm gern die Fülle: das schuf Herr Siegmund. Da ward den Nibelungen viel Noth und Beschwerde kund.
1091 In diesen dreien Tagen, so hörten wir sagen, Muste mit Kriemhilden viel Mühsal ertragen, Wer da singen konnte. Was man auch Opfer trug! Die eben arm gewesen, die wurden nun reich genug.
1092 Was man fand der Armen, die es nicht mochten haben, Die ließ sie mit dem Golde bringen Opfergaben Aus seiner eignen Kammer: er durfte nicht mehr leben, Da ward um seine Seele manches Tausend Mark gegeben.
1093 Güter und Gefälle vertheilte sie im Land, So viel man der Klöster und guter Leute fand. Silber gab man und Gewand den Armen auch genug. Sie ließ es wohl erkennen, wie holde Liebe sie ihm trug.
1094 An dem dritten Morgen zur rechten Messezeit Sah man bei dem Münster den ganzen Kirchhof weit Von der Landleute Weinen also volclass="underline" Sie dienten ihm im Tode, wie man lieben Freunden soll.