187 Da hatte sich ein Recke auch aus der Feinde Schar
Erhoben auf die Warte, der wohl gewappnet war:
Den sah der Degen Siegfried und ihn der kühne Mann;
Jedweder auf den andern mit Zorn zu blicken begann.
188 Ich sag euch, wer der wäre, der hier der Warte pflag;
Ein lichter Schild von Golde ihm vor der Linken lag.
Es war der König Lüdegast, der hütete sein Heer.
Der edle Fremdling sprengte herrlich wider ihn einher.
189 Nun hatt auch ihn Herr Lüdegast sich feindlich erkoren:
Ihre Rosse reizten Beide zur Seite mit den Sporen;
Sie neigten auf die Schilde mit aller Macht den Schaft:
Da kam der hehre König darob in großer Sorgen Haft.
190 Dem Stich gehorsam trugen die Rosse pfeilgeschwind
Die Könige zusammen, als wehte sie der Wind;
Dann mit den Zäumen wandten sie ritterlich zurück:
Die grimmen Zwei versuchten da mit dem Schwerte
das Glück.
191 Da schlug der Degen Siegfried, das Feld erscholl umher.
Aus dem Helme stoben, als obs von Bränden wär,
Die feuerrothen Funken von des Helden Hand;
Da stritt mit großen Kräften der kühne Vogt von
Niederland.
192 Auch ihm schlug Herr Lüdegast manch grimmen Schlag;
Jedweder auf dem Schilde mit ganzer Stärke lag.
Da hatten es wohl dreißig erspäht aus seiner Schar:
Eh die ihm Hülfe brachten, der Sieg doch Siegfrieden war
193 Mit drei starken Wunden, die er dem König schlug
Durch einen lichten Harnisch; der war doch fest genug.
Das Schwert mit seiner Schärfe entlockte Wunden Blut;
Da gewann König Lüdegast einen traurigen Muth.
194 Er bat ihn um sein Leben und bot ihm all sein Land
Und sagt’ ihm, er wäre Lüdegast genannt.
Da kamen seine Recken: die hatten wohl gesehn,
Was da von ihnen beiden auf der Warte war geschehn.
195 Er führt’ ihn gern von dannen: da ward er angerannt
Von dreißig seiner Mannen; doch wehrte seine Hand
Seinen edeln Geisel mit ungestümen Schlägen.
Bald that noch größern Schaden dieser zierliche Degen.
196 Die Dreißig zu Tode wehrlich er schlug;
Ihrer Einen ließ er leben: der ritt da schnell genug
Und brachte hin die Märe von dem, was hier geschehn;
Auch konnte man die Wahrheit an seinem rothen
Helme sehn.
197 Gar leid wars den Recken aus dem Dänenland,
Als ihres Herrn Gefängniss ihnen ward bekannt.
Man sagt’ es seinem Bruder: der fieng zu toben an
In ungestümem Zorne: ihm war gar wehe gethan.
198 Lüdegast der König war hinweggebracht
Zu Gunthers Ingesinde von Siegfrieds Uebermacht.
Er befahl ihn Hagen: der kühne Recke gut,
Als er vernahm die Märe, da gewann er fröhlichen Muth.
199 Man gebot den Burgunden: «Die Fahne bindet an.»
«Wohlauf,» sprach da Siegfried, «hier wird noch
mehr gethan
Vor Abendzeit, verlier ich Leben nicht und Leib:
Das betrübt im Sachsenlande noch manches waidliche
Weib.»
200 «Ihr Helden vom Rheine, ihr sollt mein nehmen wahr:
Ich kann euch wohl geleiten zu Lüdegers Schar.
Da seht ihr Helme hauen von guter Helden Hand:
Eh wir uns wieder wenden, wird ihnen Sorge bekannt.»
201 Zu den Rossen sprangen Gernot und Die ihm unterthan.
Die Heerfahne faßte der kühne Spielmann,
Volker der Degen, und ritt der Schar vorauf.
Da war auch das Gesinde zum Streite muthig und
wohlauf.
202 Sie führten doch der Degen nicht mehr denn tausend
Mann,
Darüber zwölf Recken. Zu stieben da begann
Der Staub von den Straßen: sie ritten über Land;
Man sah von ihnen scheinen manchen schönen
Schildesrand.
203 Nun waren auch die Sachsen gekommen und ihr Heer
Mit Schwertern wohlgewachsen; die Klingen schnitten
sehr,
Das hab ich wohl vernommen, den Helden an der Hand:
Da wollten sie die Gäste von Burgen wehren und Land.
204 Der Herren Scharmeister führten das Volk heran.
Da war auch Siegfried kommen mit den zwölf Mann,
Die er mit sich führte aus dem Niederland.
Des Tags sah man im Sturme manche blutige Hand.
205 Sindold und Hunold und auch Gernot
Die schlugen in dem Streite viel der Helden todt,
Eh sie ihrer Kühnheit noch selber mochten traun:
Das musten bald beweinen viel der waidlichen Fraun.
206 Volker und Hagen und auch Ortwein
Leschten in dem Streite manches Helmes Schein
Mit fließendem Blute, die Kühnen in der Schlacht.
Von Dankwarten wurden viel große Wunder vollbracht.
207 Da versuchten auch die Dänen waidlich ihre Hand;
Von Stößen laut erschallte mancher Schildesrand
Und von den scharfen Schwertern, womit man Wunden
schlug.
Die streitkühnen Sachsen thaten Schadens auch genug.
208 Als die Burgunden drangen in den Streit,
Von ihnen ward gehauen manche Wunde weit:
Ueber die Sättel fließen sah man das Blut;
So warben um die Ehre diese Ritter kühn und gut.
209 Man hörte laut erhallen den Helden an der Hand
Ihre scharfen Waffen, als Die von Niederland
Ihrem Herrn nachdrangen in die dichten Reihn;
Die zwölfe kamen ritterlich zugleich mit Siegfried hinein.
210 Deren vom Rheine kam ihnen Niemand nach.
Man konnte fließen sehen den blutrothen Bach
Durch die lichten Helme von Siegfriedens Hand,
Eh er Lüdegeren vor seinen Heergesellen fand.
211 Dreimal die Kehre hat er nun genommen
Bis an des Heeres Ende; da war auch Hagen kommen:
Der half ihm wohl vollbringen im Kampfe seinen Muth.
Da muste bald ersterben vor ihnen mancher Ritter gut.
212 Als der starke Lüdeger Siegfrieden fand,
Wie er so erhaben trug in seiner Hand
Balmung den guten und da so Manchen schlug,
Darüber ward der Kühne vor Zorn ingrimmig genug.
213 Da gab es stark Gedränge und lauten Schwerterklang,
Wo ihr Ingesinde auf einander drang.
Da versuchten desto heftiger die beiden Recken sich;
Die Scharen wichen beide: der Kämpen Haß ward
fürchterlich.