731 Wohl eine Tagereise, bis man die Gäste sah.
Die Heimischen und Fremden litten Beschwerde da,
Bis sie endlich kamen zu einer Veste weit,
Die Santen war geheißen, wo sie Krone trugen
nach der Zeit.
732 Mit lachendem Munde Siegmund und Siegelind
Manche liebe Weile küssten sie Utens Kind
Und Siegfried den Degen; ihnen war ihr Leid benommen.
All ihr Ingesinde hieß man fröhlich willkommen.
733 Da brachten sie die Gäste vor König Siegmunds Saal.
Die schönen Jungfrauen hub man allzumal
Von den Mähren nieder; da war mancher Mann,
Der den schönen Frauen mit Fleiß zu dienen begann.
734 So prächtig ihre Hochzeit am Rhein war bekannt,
Doch gab man hier den Helden köstlicher Gewand,
Als sie all ihr Leben je zuvor getragen.
Man mochte große Wunder von ihrem Reichthume
sagen.
735 So saßen sie in Ehren und hatten genug.
Was goldrothe Kleider ihr Ingesinde trug!
Edel Gestein und Borten sah man gewirkt darin.
So verpflag sie fleißig Sieglind die edle Königin.
736 Da sprach vor seinen Freunden der König Siegmund:
"Allen meinen Freunden thu ichs heute kund,
Daß Siegfried meine Krone hier hinfort soll tragen."
Die Märe hörten gerne Die von Niederlanden sagen.
737 Er befahl ihm seine Krone mit Gericht und Land:
Da war er Herr und König. Wem er den Rechtsspruch
fand
Und wen er strafen sollte, das wurde so gethan,
Daß man wohl fürchten durfte der schönen Kriemhilde
Mann.
738 In diesen hohen Ehren lebt’ er, das ist wahr,
Und richtet’ unter Krone bis an das zehnte Jahr,
Da die schöne Königin einen Sohn gewann,
An dem des Königs Freunde ihren Wunsch
und Willen sahn.
739 Alsbald ließ man ihn taufen und einen Namen nehmen:
Gunther, nach seinem Oheim, des dürft er sich nicht
schämen.
Gerieth’ er nach den Freunden, er würd ein kühner Mann.
Man erzog ihn sorgsam: sie thaten auch recht daran.
740 In denselben Zeiten starb Frau Siegelind:
Da nahm die volle Herrschaft der edeln Ute Kind,
Wie so reicher Frauen geziemte wohl im Land.
Es ward genug betrauert, daß der Tod sie hatt entwandt.
741 Nun hatt auch dort am Rheine, wie wir hören sagen,
Gunther dem reichen einen Sohn getragen
Brunhild die schöne in Burgundenland.
Dem Helden zu Liebe ward er Siegfried genannt.
742 Mit welchen Sorgen immer man sein hüten hieß!
Von Hofmeistern Gunther ihn Alles lehren ließ,
Was er bedürfen möchte, erwüchs’ er einst zum Mann.
Hei, was ihm bald das Unglück der Verwandten
abgewann!
743 Zu allen Zeiten Märe war so viel gesagt,
Wie doch so herrlich die Degen unverzagt
Zu allen Stunden lebten in Siegmundens Land:
So lebt’ auch König Gunther mit seinen Freunden
auserkannt.
744 Das Land der Nibelungen war Siegfried unterthan
Keiner seiner Freunde je größern Schatz gewann)
Mit Schilbungens Recken und der Beiden Gut.
Darüber trug der Kühne desto höher den Muth.
745 Hort den allermeisten, den je ein Held gewann,
Nach den ersten Herren, besaß der kühne Mann,
Den vor einem Berge seine Hand erwarb im Streit:
Er schlug darum zu Tode manchen Ritter allbereit.
746 Vollauf besaß er Ehre, und hätt ers halb entbehrt,
Doch müste man gestehen dem edeln Recken werth,
Daß er der Beste wäre, der je auf Rossen saß.
Man scheute seine Stärke, mit allem Grunde that man das.
Abenteuer 12
Wie Gunther Siegfrieden zum Hofgelage lud
747 Da dacht auch alle Tage Brunhild die Königin:
"Wie trägt nur Frau Kriemhild so übermüthgen Sinn!
Nun ist doch unser Eigen Siegfried ihr Mann:
Der hat uns nun schon lange wenig Dienste gethan."
748 Das trug sie im Herzen in großer Heimlichkeit;
Daß sie ihr fremde blieben, das war der Frauen leid.
Daß man ihr nicht zinste von des Fürsten Land,
Woher das wohl käme, das hätte sie gern erkannt.
749 Sie versucht’ es bei dem König, ob es nicht geschehn
Möchte, daß sie Kriemhild noch sollte wiedersehn.
Sie vertraut’ ihm heimlich, worauf ihr sann der Muth;
Da dauchte den König der Frauen Rede nicht gut.
750 "Wie könnten wir sie bringen," sprach der König hehr,
"Her zu diesem Lande? das fügt sich nimmermehr.
Sie wohnen uns zu ferne: ich darf sie nicht drum bitten."
Da gab ihm Brunhild Antwort mit gar hochfährtgen
Sitten:
751 "Und wäre noch so mächtig eines Königs Mann,
Was ihm sein Herr gebietet, das muß doch sein gethan."
Lächeln muste Gunther ihrer Rede da:
Er nahm es nicht als Dienst an, wenn er Siegfrieden sah.
752 Sie sprach: "Lieber Herre, bei der Liebe mein,
Hilf mir, daß Siegfried und die Schwester dein
Zu diesem Lande kommen und wir sie hier ersehn:
So könnte mir auf Erden nimmer lieber geschehn.
753 "Deiner Schwester Güte, ihr wohlgezogner Muth,
Wenn ich daran gedenke, wie wohl mirs immer thut;
Wie wir beisammen saßen, als ich dir ward vermählt!
Sie hat sich mit Ehren den kühnen Siegfried erwählt."
754 Da bat sie ihn so lange, bis der König sprach:
"Nun wißt, daß ich Gäste nicht lieber sehen mag.
Ihr mögt mich leicht erbitten: ich will die Boten mein
Zu ihnen beiden senden, daß sie kommen an den Rhein."
755 Da sprach die Königstochter: "So sollt ihr mir sagen,
Wann ihr sie wollt besenden, oder zu welchen Tagen
Die lieben Freunde sollen kommen in dieß Land;
Die ihr dahin wollt senden, die macht zuvor
mir bekannt."
756 "Das will ich," sprach der König: "dreißig aus meinem
Lehn
Laß ich zu ihnen reiten." Die hieß er vor sich gehn:
Durch sie entbot er Märe in Siegfriedens Land.
Da beschenkte sie Frau Brunhild mit manchem reichen
Gewand.
757 Der König sprach: "Ihr Recken sollt von mir sagen
Und nichts von dem verschweigen, was ich euch
aufgetragen,
Siegfried dem starken und der Schwester mein,
Ihnen dürf auf Erden nimmer Jemand holder sein.
758 "Und bittet, daß sie beide uns kommen an den Rhein:
Dafür will ich und Brunhild ihnen stäts gewogen sein.
Vor dieser Sonnenwende soll er hier Manchen sehn,
Er und seine Mannen, die ihm Ehre laßen geschehn.
759 "Vermeldet auch dem König Siegmund die Dienste mein,
Daß ich und meine Freunde ihm stäts gewogen sein.
Und bittet meine Schwester, daß sie’s nicht unterläßt
Und zu den Freunden reitet: nie ziemt’ ihr so
ein Freudenfest."
760 Brunhild und Ute und was man Frauen fand,
Die entboten ihre Dienste in Siegfriedens Land
Den minniglichen Frauen und manchem kühnen Mann.
Nach Wunsch des Königs hoben sich bald die Boten
hindann.
761 Sie standen reisefertig; ihr Ross und ihr Gewand
War ihnen angekommen: da räumten sie das Land.
Sie eilten zu dem Ziele, dahin sie wollten fahren.
Der König hieß die Boten durch Geleite wohl bewahren.
762 Innerhalb zwölf Tagen kamen sie in das Land,
Zu Nibelungens Veste, wohin man sie gesandt,
In der Mark zu Norweg fanden sie den Degen:
Ross und Leute waren müde von den langen Wegen.
763 Siegfried und Kriemhilden war eilends hinterbracht,
Daß Ritter kommen waren, die trügen solche Tracht,
Wie bei den Burgunden man trug der Sitte nach.
Sie sprang von einem Bette, darauf die Ruhende lag.
764 Zu einem Fenster ließ sie eins ihrer Mägdlein gehn;
Die sah den kühnen Gere auf dem Hofe stehn,
Ihn und die Gefährten, die man dahin gesandt.
Ihr Herzeleid zu stillen, wie liebe Kunde sie fand!
765 Sie sprach zu dem Könige: "Seht ihr, wie sie stehn,
Die mit dem starken Gere auf dem Hofe gehn,
Die uns mein Bruder Gunther nieder schickt den Rhein."
Da sprach der starke Siegfried: "Die sollen
uns willkommen sein."
766 All ihr Ingesinde lief hin, wo man sie sah.
Jeder an seinem Theile gütlich sprach er da
Das Beste, was er konnte, zu den Boten hehr.
Ihres Kommens freute der König Siegmund sich sehr.
767 Herbergen ließ man Geren und Die ihm unterthan
Und ihrer Rosse warten. Die Boten brachte man
Dahin, wo Herr Siegfried bei Kriemhilden saß.
Sie sahn den Boten gerne sicherlich ohne allen Haß.
768 Der Wirth mit seinem Weibe erhob sich gleich zur Hand.
Wohl ward empfangen Gere aus Burgundenland
Mit seinen Fahrtgenossen in König Gunthers Lehn.
Den Markgrafen Gere bat man nicht länger zu stehn.
769 "Erlaubt uns die Botschaft, eh wir uns setzen gehn;
Uns wegemüde Gäste, laßt uns so lange stehn,
So melden wir die Märe, die euch zu wißen thut
Gunther mit Brunhilden: es geht ihnen beiden gut.
770 "Und was euch Frau Ute, eure Mutter, her entbot,
Geiselher der junge und auch Herr Gernot
Und eure nächsten Freunde: die haben uns gesandt
Und entbieten euch viele Dienste aus der Burgunden
Land."
771 "Lohn ihnen Gott," sprach Siegfried; "ich versah
zu ihnen wohl
Mich aller Lieb und Treue, wie man zu Freunden soll.
So thut auch ihre Schwester; ihr sollt uns ferner sagen,
Ob unsre lieben Freunde hohen Muth daheim
noch tragen.
772 "Hat ihnen, seit wir schieden, Jemand ein Leid gethan
Meiner Fraue Brüdern? Das saget mir an.
Ich wollt es ihnen immer mit Treue helfen tragen,
Bis ihre Widersacher meine Dienste müsten beklagen."
773 Antwort gab der Markgraf Gere, ein Ritter gut:
"Sie sind in allen Züchten mit Freuden wohlgemuth.
Sie laden euch zum Rheine zu einer Lustbarkeit
Sie sähn euch gar gerne, daß ihr des außer Zweifel seid.
774 "Sie bitten meine Fraue auch mit euch zu kommen.
Wenn nun der Winter ein Ende hat genommen,
Vor dieser Sonnenwende da möchten sie euch sehn."
Da sprach der starke Siegfried: "Das könnte schwerlich
geschehn."
775 Da sprach wieder Gere von Burgundenland:
"Eure Mutter Ute hat euch sehr gemahnt
Mit Gernot und Geiselher, ihr sollt es nicht versagen.
Daß ihr so ferne wohnet, hör ich sie täglich beklagen.
776 "Brunhild meine Herrin und ihre Mägdelein
Freuen sich der Kunde, und könnt es jemals sein,
Daß sie euch wiedersähen, ihnen schuf es hohen Muth."
Da dauchten diese Mären die schöne Kriemhilde gut.
777 Gere war ihr Vetter: der Wirth ihn sitzen hieß;
Den Gästen hieß er schenken, nicht länger man das ließ.
Da kam dazu auch Siegmund: als der die Boten sah,
Freundlich sprach der König zu den Burgunden da:
778 "Willkommen uns, ihr Recken in König Gunthers Lehn.
Da sich Kriemhilden zum Weibe hat ersehn
Mein Sohn Siegfried, man sollt euch öfter schaun
In diesem Lande, dürften wir bei euch auf Freundschaft
vertraun.
779 Sie sprachen: Wenn er wolle, sie würden gerne kommen.
Ihnen ward mit Freuden die Müdigkeit benommen.
Man hieß die Boten sitzen; Speise man ihnen trug:
Deren schuf da Siegfried den lieben Gästen genug.
780 Sie musten da verweilen volle neun Tage.
Darob erhoben endlich die schnellen Ritter Klage,
Daß sie nicht wieder reiten durften in ihr Land.
Da hatt auch König Siegfried zu seinen Freunden gesandt:
781 Er fragte, was sie riethen: er solle nach dem Rhein.
"Es ließ mich entbieten Gunther der Schwager mein,
Er und seine Brüder, zu einer Lustbarkeit:
Ich möcht ihm gerne kommen, liegt gleich sein Land
mir so weit.
782 "Sie bitten Kriemhilden, mit mir zu ziehn.
Nun rathet, liebe Freunde, wie kommen wir dahin?
Und sollt ich Heerfahrten durch dreißig Herren Land,
Gern dienstbereit erwiese sich ihnen Siegfriedens Hand."
783 Da sprachen seine Recken: "Steht euch zur Fahrt
der Muth
Nach dem Hofgelage, wir rathen, was ihr thut:
Ihr sollt mit tausend Recken reiten an den Rhein:
So mögt ihr wohl mit Ehren bei den Burgunden sein."
784 Da sprach von Niederlanden der König Siegmund:
"Wollt ihr zum Hofgelage, was thut ihr mirs nicht kund?
Ich will mit euch reiten, wenn ihrs zufrieden seid;
Hundert Degen führ ich, damit mehr ich eur Geleit."
785 "Wollt ihr mit uns reiten, lieber Vater mein,"
Sprach der kühne Siegfried, "des will ich fröhlich sein.
Binnen zwölf Tagen räum ich unser Land."
Die sie begleiten sollten, denen gab man Ross’
und Gewand.
786 Als dem edeln König zur Reise stand der Muth,
Da ließ man wieder reiten die schnellen Degen gut.
Seiner Frauen Brüdern entbot er an den Rhein,
Daß er gerne wolle bei ihrem Hofgelage sein.
787 Siegfried und Kriemhild, so hörten wir sagen,
Beschenkten so die Boten, es mochten es nicht tragen
Die Pferde nach der Heimat: er war ein reicher Mann.
Ihre starken Säumer trieb man zur Reise fröhlich an.
788 Da schuf dem Volke Kleider Siegfried und Siegemund.
Eckewart der Markgraf ließ da gleich zur Stund
Frauenkleider suchen, die besten, die man fand
Und irgend mocht erwerben in Siegfriedens ganzem
Land.
789 Die Sättel und die Schilde man da bereiten ließ.
Den Rittern und den Frauen, die er sich folgen hieß,
Gab man, was sie wollten; nichts gebrach daran.
Er brachte seinen Freunden manchen herrlichen Mann.
790 Nun wandten sich die Boten zurück und eilten sehr.
Da kam zu den Burgunden Gere, der Degen hehr,
Und wurde schön empfangen: sie schwangen sich zu Thal
Von Rossen und von Mähren dort vor König Gunthers
Saal.
791 Die Jungen und die Alten kamen, wie man thut,
Und fragten nach der Märe. Da sprach der Ritter gut:
"Wenn ichs dem König sage, wird es auch euch
bekannt."
Er gieng mit den Gesellen dahin, wo er Gunthern fand.
792 Der König vor Freude von dem Seßel sprang;
Daß sie so bald gekommen, sagt’ ihnen Dank
Brunhild die Schöne. Zu den Boten sprach er da:
"Wie gehabt sich Siegfried, von dem mir Liebe
viel geschah?"
793 Da sprach der kühne Gere: "Er ward vor Freuden roth,
Er und eure Schwester. So holde Mär entbot
Seinen Freunden nimmer noch zuvor ein Mann,
Als euch der edle Siegfried und sein Vater hat gethan."
794 Da sprach zum Markgrafen des reichen Königs Weib:
"Nun sagt mir, kommt uns Kriemhild? Hat noch
ihr schöner Leib
Die hohe Zier behalten, deren sie mochte pflegen?"
Er sprach: "Sie kommen beide; mit ihnen mancher
kühne Degen."
795 Ute ließ die Boten alsbald vor sich gehn.
Da wars an ihrem Fragen leichtlich zu verstehn,
Was sie zu wißen wünsche: "War Kriemhild noch
wohlauf?"
Er gab Bescheid, sie kam auch nach kurzer Tage Verlauf.
796 Da blieb auch nicht verhohlen am Hof der Botensold,
Den ihnen Siegfried schenkte, die Kleider und das Gold:
Die ließ man alle schaun in der drei Fürsten Lehn.
Da musten sie ihm Ehre wohl für Milde zugestehn.