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863 Was man auch wünschen mochte, Niemand konnte sagen, Daß er so reiche Kleider je gesehen tragen, Als da zur Stunde trugen ihre Mägdlein wohlgethan. Brunhilden wars zu Leide, sonst hätt es Kriemhild nicht gethan.
864 Nun kamen sie zusammen vor dem Münster weit. Die Hausfrau des Königs aus ingrimmem Neid Hieß da Kriemhilden unwirsch stille stehn: "Es soll vor Königsweibe die Eigenholde nicht gehn."
865 Da sprach die schöne Kriemhild, zornig war ihr Muth: "Hättest du noch geschwiegen, das wär dir wohl gut. Du hast geschändet selber deinen schönen Leib: Mocht eines Mannes Kebse je werden Königesweib?"
866 "Wen willst du hier verkebsen?" sprach des Königs Weib. "Das thu ich dich," sprach Kriemhild: "deinen schönen Leib Hat Siegfried erst geminnet, mein geliebter Mann: Wohl war es nicht mein Bruder, der dein Magdthum gewann.
867 "Wo blieben deine Sinne? Es war doch arge List: Was ließest du ihn minnen, wenn er dein Dienstmann ist? Ich höre dich," sprach Kriemhild, "ohn alle Ursach klagen." "In Wahrheit," sprach da Brunhild, "das will ich doch Gunthern sagen."
868 "Wie mag mich das gefährden? Dein Uebermuth hat dich betrogen: Du hast mich mit Reden in deine Dienste gezogen, Daß wiße du in Treuen, es ist mir immer leid: Zu trauter Freundschaft bin ich dir nimmer wieder bereit."
869 Brunhild begann zu weinen; Kriemhild es nicht verhieng, Vor des Königs Weibe sie in das Münster gieng Mit ihrem Ingesinde. Da hub sich großer Haß; Es wurden lichte Augen sehr getrübt davon und naß.
870 Wie man da Gott auch diente oder Jemand sang, Brunhilden währte die Weile viel zu lang. War allzutrübe der Sinn und auch der Muth: Des muste bald entgelten mancher Degen kühn und gut.
871 Brunhild mit ihren Frauen gieng vor das Münster stehn. Sie gedachte: "Ich muß von Kriemhild mehr zu hören sehn, Wes mich so laut hier zeihte das wortscharfe Weib: Und wenn er sichs gerühmt hat, gehts ihm an Leben und Leib!"
872 Nun kam die edle Kriemhild mit manchem kühnen Mann. Da begann Frau Brunhild: "Haltet hier noch an. Ihr wolltet mich verkebsen: laßt uns Beweise sehn, Mir ist von euern Reden, das wißet, übel geschehn."
873 Da sprach die schöne Kriemhild: "Was laßt ihr mich nicht gehn? Ich bezeug es mit dem Golde, an meiner Hand zu sehn. Das brachte mir Siegfried, nachdem er bei euch lag." Nie erlebte Brunhild wohl einen leidigen Tag.
874 Sie sprach: "Dieß Gold das edle, das ward mir gestohlen Und blieb mir lange Jahre übel verhohlen: Ich komme nun dahinter, wer mir es hat genommen." Die Frauen waren beide in großen Unmuth gekommen.
875 Da sprach wieder Kriemhild: "Ich will nicht sein der Dieb. Du hättest schweigen sollen, wär dir Ehre lieb. Ich bezeug es mit dem Gürtel, den ich umgethan, Ich habe nicht gelogen: wohl wurde Siegfried dein Mann."
876 Von Niniveer Seide sie eine Borte trug Mit edelm Gesteine, die war wohl schön genug. Als Brunhild sie erblickte, zu weinen hub sie an. Das muste Gunther wißen und alle Die ihm unterthan.
877 Da sprach des Landes Königin: "Sendet her zu mir Den König vom Rheine: hören soll er hier, Wie sehr seine Schwester schändet meinen Leib: Sie sagt vor allen Leuten, ich sei Siegfriedens Weib."
878 Der König kam mit Recken: als er weinen sah Brunhild seine Traute, gütlich sprach er da: "Von wem, liebe Fraue, ist euch ein Leid geschehn?" Sie sprach zu dem König: "Unfröhlich muß ich hier stehn.
879 Aller meiner Ehren hat die Schwester dein Mich berauben wollen. Geklagt soll dir sein, Sie sagt: ich sei die Kebse von Siegfried ihrem Mann." Da sprach König Gunther: "So hat sie übel gethan."
880 "Sie trägt hier meinen Gürtel, den ich längst verloren, Und mein Gold das rothe. Daß ich je ward geboren, Des muß mich sehr gereuen: befreist du, Herr, mich nicht Solcher großen Schande, ich minne nie wieder dich."
881 Da sprach König Gunther: "So ruft ihn herbei: Hat er sichs gerühmet, das gesteh er frei, Er woll es denn läugnen, der Held von Niederland." Da ward der kühne Siegfried bald hin zu ihnen gesandt.
882 Als Siegfried der Degen die Unmuthvollen sah Und den Grund nicht wuste, balde sprach er da: "Was weinen diese Frauen? das macht mir bekannt: Oder wessentwegen wurde hier nach mir gesandt"
883 Da sprach König Gunther: "Groß Herzleid fand ich hier. Eine Märe sagte mein Weib Frau Brunhild mir: Du habest dich gerühmet, du wärst ihr erster Mann. So spricht dein Weib Frau Kriemhild: hast du, Degen, das gethan?"
884 "Niemals," sprach da Siegfried; "und hat sie das gesagt, Nicht eher will ich ruhen, bis sie es beklagt, Und will davon mich reinigen vor deinem ganzen Heer Mit meinen hohen Eiden, ich sagte Solches nimmermehr."
885 Da sprach der Fürst vom Rheine: "Wohlan, das zeige mir. Der Eid, den du geboten, geschieht der allhier, Aller falschen Dinge laß ich dich ledig gehn." Man ließ in einem Ringe die stolzen Burgunden stehn.
886 Da bot der kühne Siegfried zum Eide hin die Hand. Da sprach der reiche König: "Jetzt hab ich wohl erkannt, Ihr seid hieran unschuldig und sollt des ledig gehn: Des euch Kriemhild zeihte, das ist nicht von euch geschehn."
887 Da sprach wieder Siegfried: "Und kommt es ihr zu Gut, Daß deinem schönen Weibe sie so betrübt den Muth, Das wäre mir wahrlich aus der Maßen leid." Da blickten zu einander die Ritter kühn und allbereit.
888 "Man soll so Frauen ziehen," sprach Siegfried der Degen, "Daß sie üppge Reden laßen unterwegen; Verbiet es deinem Weibe, ich will es meinem thun. Solchen Uebermuthes in Wahrheit schäm ich mich nun."
889 Viel schöne Frauen wurden durch Reden schon entzweit. Da erzeigte Brunhild solche Traurigkeit, Daß es erbarmen muste Die in Gunthers Lehn. Von Tronje Hagen sah man zu der Königin gehn.
890 Er fragte, was ihr wäre, da er sie weinend fand. Sie sagt’ ihm die Märe. Er gelobt’ ihr gleich zur Hand, Daß es büßen sollte der Kriemhilde Mann, Oder man treff ihn nimmer unter Fröhlichen an.
891 Ueber die Rede kamen Ortwein und Gernot, Allda die Helden riethen zu Siegfriedens Tod. Dazu kam auch Geiselher, der schönen Ute Kind; Als er die Rede hörte, sprach der Getreue geschwind:
892 "O weh, ihr guten Knechte, warum thut ihr das? Siegfried verdiente ja niemals solchen Haß, Daß er darum verlieren Leben sollt und Leib: Auch sind es viel Dinge, um die wohl zürnet ein Weib."
893 "Sollen wir Gäuche ziehen?" sprach Hagen entgegen: "Das brächte wenig Ehre solchen guten Degen. Daß er sich rühmen durfte der lieben Frauen mein, Ich will des Todes sterben oder es muß gerochen sein."
894 Da sprach der König selber: "Er hat uns nichts gethan Als Liebes und Gutes: leb er denn fortan. Was sollt ich dem Recken hegen solchen Haß? Er bewies uns immer Treue, gar williglich that er das."
895 Da begann der Degen von Metz Herr Ortewein: "Wohl kann ihm nicht mehr helfen die große Stärke sein. Will es mein Herr erlauben, ich thu ihm alles Leid." Da waren ihm die Helden ohne Grund zu schaden bereit.
896 Dem folgte doch Niemand, außer daß Hagen Alle Tage pflegte zu Gunthern zu sagen: Wenn Siegfried nicht mehr lebte, ihm würden unterthan Manches Königs Lande. Da hub der Held zu trauern an.
897 Man ließ es bewenden und gieng dem Kampfspiel nach. Hei! was man starker Schäfte vor dem Münster brach Vor Siegfriedens Weibe bis hinan zum Saal! Mit Unmuth sah es Mancher, dem König Gunther befahl.
898 Der König sprach: "Laßt fahren den mordlichen Zorn. Er ist uns zu Ehren und zum Heil geborn; Auch ist so grimmer Stärke der wunderkühne Mann, Wenn ers inne würde, so dürfte Niemand ihm nahn."
899 "Nicht doch," sprach da Hagen, "da dürft ihr ruhig sein: Wir leiten in der Stille alles sorglich ein. Brunhildens Weinen soll ihm werden leid. Immer sei ihm Hagen zu Haß und Schaden bereit."
900 Da sprach der König Gunther: "Wie möcht es geschehn?" Zur Antwort gab ihm Hagen: "Das sollt ihr bald verstehn: Wir laßen Boten reiten her in dieses Land, Uns offnen Krieg zu künden, die hier Niemand sind bekannt.
901 "Dann sagt ihr vor den Gästen, ihr wollt mit euerm Lehn Euch zur Heerfahrt rüsten. Sieht er das geschehn, So verspricht er euch zu helfen; dann gehts ihm an den Leib, Erfahr ich nur die Märe von des kühnen Recken Weib."
902 Der König folgte leider seines Dienstmanns Rath. So huben an zu sinnen auf Untreu und Verrath, Eh es wer erkannte, die Ritter auserkoren: Durch zweier Frauen Zanken gieng da mancher Held verloren.

Abenteuer 15

Wie Siegfried verrathen ward

903 Man sah am vierten Morgen zweiunddreißig Mann Hin zu Hofe reiten: da ward es kund gethan Gunther dem reichen, es droh ihm neuer Streit. Die Lüge schuf den Frauen das allergrößeste Leid.
904 Sie gewannen Urlaub, an den Hof zu gehn. Da sagten sie, sie ständen in Lüdegers Lehn, Den einst bezwungen hatte Siegfriedens Hand Und ihn als Geisel brachte König Gunthern in das Land.
905 Die Boten grüßte Gunther und hieß sie sitzen gehn. Einer sprach darunter: "Herr König, laßt uns stehn, Daß wir die Mären sagen, die euch entboten sind. Wohl habt ihr zu Feinden, das wißt, mancher Mutter Kind.
906 "Euch wiedersagen Lüdegast und König Lüdeger: Denen schuft ihr weiland grimmige Beschwer; Nun wollen sie mit Heereskraft reiten in dieß Land." Gunther begann zu zürnen, als wär es ihm unbekannt.
907 Man ließ die falschen Boten zu den Herbergen gehn. Wie mochte da Siegfried der Tücke sich versehn, Er oder anders Jemand, die man so listig spann? Doch war es ihnen selber zu großem Leide gethan.
908 Der König mit den Freunden gieng raunend ab und zu: Hagen von Tronje ließ ihm keine Ruh, Noch wollt es Mancher wenden in des Königs Lehn; Doch nicht vermocht er Hagen von seinen Räthen abzustehn.
909 Eines Tages Siegfried die Degen raunend fand. Da begann zu fragen der Held der Niederland: "Wie traurig geht der König und Die ihm unterthan? Das helf ich immer rächen, hat ihnen wer ein Leid gethan."
910 Da sprach König Gunther: "Wohl hab ich Herzeleid: Lüdegast und Lüdeger drohn mir wieder Streit. Mit Heerfahrten wollen sie reiten in mein Land." Da sprach der kühne Degen: "Dem soll Siegfriedens Hand
911 "Nach allen euern Ehren mit Kräften widerstehn; Von mir geschieht den Degen, was ihnen einst geschehn. Ihre Burgen leg ich wüste und dazu ihr Land, Eh ich ablaße: des sei mein Haupt euer Pfand.
912 "Ihr mit euern Mannen nehmt der Heimat wahr; Laßt mich zu ihnen reiten mit meiner Leute Schar. Daß ich euch gerne diene, laß ich euch wohl sehn: Von mir soll euern Feinden, das wißet, übel geschehn."
913 "Nun wohl mir dieser Märe," der König sprach da so, Als wär er seiner Hülfe alles Ernstes froh. Tief neigte sich in Falschheit der ungetreue Mann. Da sprach der edle Siegfried: "Laßt euch keine Sorge nahn."
914 Sie schickten mit den Knechten zu der Fahrt sich an: Siegfrieden und den Seinen ward es zum Schein gethan. Da hieß er sich rüsten Die von Niederland: Siegfriedens Recken suchten ihr Streitgewand.
915 Da sprach der starke Siegfried: "Mein Vater Siegmund, Bleibt ihr hier im Lande: wir kehren bald gesund, Will Gott uns Glück verleihen, wieder an den Rhein. Ihr sollt bei dem König unterdessen fröhlich sein."
916 Da wollten sie von dannen: die Fähnlein band man an. Umher standen Viele, die Gunthern unterthan Und hatten nicht erfahren, wie es damit bewandt. Groß Heergesinde war es, das da bei Siegfrieden stand.
917 Die Panzer und die Helme man auf die Rosse lud; Aus dem Lande wollten viel starke Recken gut. Da gieng von Tronje Hagen hin, wo er Kriemhild fand; Er bat sie um Urlaub: sie wollten räumen das Land.
918 "Nun wohl mir," sprach Kriemhild, "daß ich den Mann gewann." Der meine lieben Freunde so wohl beschützen kann, Wie hier mein Herr Siegfried an meinen Brüdern thut: Darum trag ich," sprach die Königin, "immer fröhlichen Muth.
919 "Lieber Freund Hagen, nun hoff ich, ihr gedenkt, Daß ich euch gerne diene; ich hab euch nie gekränkt. Das komme mir zu Gute an meinem lieben Mann: Laßt es ihn nicht entgelten, was ich Brunhilden gethan.
920 "Des hat mich schon gereuet," sprach das edle Weib, "Auch hat er so zerbleuet zur Strafe mir den Leib, Daß ich je beschwerte mit Reden ihr den Muth, Er hat es wohl gerochen, dieser Degen kühn und gut."
921 Da sprach er: "Ihr versöhnt euch wohl nach wenig Tagen. Kriemhild, liebe Herrin, nun sollt ihr mir sagen, Wie ich euch dienen möge an Siegfried euerm Herrn. Ich gönn es niemand beßer und thu es, Königin, gern."
922 "Ich wär ohn alle Sorge," sprach da das edle Weib, "Daß man ihm im Kampfe Leben nähm und Leib, Wenn er nicht folgen wollte seinem Uebermuth; So wär immer sicher dieser Degen kühn und gut."
923 "Fürchtet ihr, Herrin," Hagen da begann, "Daß er verwundet werde, so vertraut mir an, Wie soll ichs beginnen, dem zu widerstehn? Ihn zu schirmen will ich immer bei ihm reiten und gehn."
924 Sie sprach: "Du bist mir Sippe, so will ich dir es sein: Ich befehle dir auf Treue den holden Gatten mein. Daß du mir behütest den geliebten Mann." Was beßer wär verschwiegen, vertraute da sie ihm an.
925 Sie sprach: "Mein Mann ist tapfer, dazu auch stark genug. Als er den Linddrachen an dem Berge schlug, Da badet’ in dem Blute der Degen allbereit, Daher ihn keine Waffe je versehren mocht im Streit.
926 "Jedoch bin ich in Sorgen, wenn er im Kampfe steht Und aus der Helden Hände mancher Sperwurf geht, Daß ich da verliere meinen lieben Mann. Hei! was ich Sorgen oft um Siegfried gewann!
927 "Mein lieber Freund, ich meld es nun auf Gnade dir, Daß du deine Treue bewähren mögst an mir, Wo man mag verwunden meinen lieben Mann. Das sollst du nun vernehmen: es ist auf Gnade gethan.
928 "Als von des Drachen Wunden floß das heiße Blut, Und sich darinne badete der kühne Recke gut, Da fiel ihm auf die Achseln ein Lindenblatt so breit: Da kann man ihn verwunden; das schafft mir Sorgen und Leid."