1192 Da sprach der edle König: "Wem ist nun bekannt
Unter euch am Rheine das Volk und auch das Land?"
Da sprach von Bechlaren der gute Rüdiger:
"Kund von Kindesbeinen sind mir die edeln Könige
hehr,
1193 "Gunther und Gernot, die edeln Ritter gut;
Der dritte heißt Geiselher: ein Jeglicher thut,
Was er nach Zucht und Ehren am besten mag begehn:
Auch ist von ihren Ahnen noch stäts dasselbe geschehn."
1194 Da sprach wieder Etzeclass="underline" "Freund, nun sage mir,
Ob ihr wohl die Krone ziemt zu tragen hier;
Und hat sie solche Schöne, wie man sie zeiht,
Meinen besten Freunden sollt es nimmer werden leid."
1195 "Sie vergleicht sich an Schöne wohl der Frauen mein,
Helke der reichen: nicht schöner könnte sein
Auf der weiten Erde eine Königin:
Wen sie erwählt zum Freunde, der mag wohl trösten
den Sinn."
1196 Er sprach: "So wirb sie, Rüdiger, so lieb als ich dir sei.
Und darf ich Kriemhilden jemals liegen bei,
Das will ich dir lohnen, so gut ich immer kann;
Auch hast du meinen Willen mit großer Treue gethan.
1197 "Von meinem Kammergute laß ich so viel dir geben,
Daß du mit den Gefährten in Freude mögest leben;
Von Rossen und von Kleidern, was ihr nur begehrt,
Des wird zu der Botschaft euch die Genüge gewährt."
1198 Zur Antwort gab der Markgraf, der reiche Rüdiger:
"Begehrt’ ich deines Gutes, das ziemte mir nicht sehr.
Ich will dein Bote gerne werden an den Rhein
Mit meinem eignen Gute; ich hab es aus den Händen
dein."
1199 Da sprach der reiche König: "Wann denkt ihr zu fahren
Nach der Minniglichen? So soll euch Gott bewahren
Dabei an allen Ehren und auch die Fraue mein;
Und möge Glück mir helfen, daß sie uns gnädig
möge sein."
1200 Da sprach wieder Rüdiger: "Eh wir räumen dieses Land,
Müßen wir uns rüsten mit Waffen und Gewand,
Daß wir vor den Königen mit Ehren dürfen stehn:
Ich will zum Rheine führen fünfhundert Degen
ausersehn.
1201 "Wenn man bei den Burgunden mich
und die Meinen seh,
Daß dann einstimmig das Volk im Land gesteh,
Es habe nie ein König noch so manchen Mann
So fern daher gesendet, als du zum Rheine gethan.
1202 "Und wiß, edler König, stehst du darob nicht an,
Sie war dem besten Manne, Siegfrieden unterthan,
Siegmundens Sohne; du hast ihn hier gesehn:
Man mocht ihm große Ehre wohl in Wahrheit
zugestehn."
1203 Da sprach der König Etzeclass="underline" "War sie dem Herrn
vermählt,
Sie war so hohes Namens der edle Fürst erwählt,
Daß ich nicht verschmähen darf die Königin.
Ob ihrer großen Schönheit gefällt sie wohl meinem
Sinn."
1204 Da sprach der Markgraf wieder: "Wohlan, ich will
euch sagen,
Wir heben uns von hinnen in vierundzwanzig Tagen.
Ich entbiet es Gotelinden, der lieben Fraue mein,
Daß ich zu Kriemhilden selber wolle Bote sein."
1205 Hin gen Bechelaren sandte Rüdiger
Boten seinem Weibe, der Markgräfin hehr,
Er werbe für den König um eine Königin:
Der guten Helke dachte sie da mit freundlichem Sinn.
1206 Als die Botenkunde die Markgräfin gewann,
Leid war es ihr zum Theile, zu sorgen hub sie an,
Ob sie wohl eine Herrin gewänne so wie eh.
Gedachte sie an Helke, das that ihr inniglich weh.
1207 Nach sieben Tagen Rüdiger ritt aus Heunenland,
Worüber frohgemuthet man König Etzeln fand.
Man fertigte die Kleider in der Stadt zu Wien;
Da wollt er mit der Reise auch nicht länger mehr
verziehn.
1208 Zu Bechlaren harrte sein Frau Gotelind
Und die junge Markgräfin, Rüdigers Kind,
Sah ihren Vater gerne und Die ihm unterthan;
Da ward ein liebes Harren von schönen Frauen gethan.
1209 Eh der edle Rüdiger aus der Stadt zu Wien
Ritt nach Bechlaren, da waren hier für ihn
Kleider und Gewaffen auf Säumern angekommen.
Sie fuhren solcherweise, daß ihnen wenig ward
genommen.
1210 Als sie zu Bechlaren kamen in die Stadt,
Für seine Heergesellen um Herbergen bat
Der Wirth mit holden Worten: die gab man ihnen da.
Gotelind die reiche den Wirth gar gerne kommen sah.
1211 Auch seine liebe Tochter, die Marfgräfin jung,
Ob ihres Vaters Kommen war sie froh genung,
Aus Heunenland die Helden, wie gern sie die sah!
Mit lachendem Muthe sprach die edle Jungfrau da:
1212 "Willkommen sei mein Vater und Die ihm unterthan."
Da ward ein schönes Danken von manchem werthen
Mann
Freundlich geboten der jungen Markgräfin.
Wohl kannte Frau Gotlind des edeln Rüdiger Sinn.
1213 Als sie des Nachts nun bei Rüdigern lag,
Mit holden Worten fragte die Markgräfin nach,
Wohin ihn denn gesendet der Fürst von Heunenland?
"Meine Frau Gotlind," sprach er, "ich mach
es gern euch bekannt.
1214 "Meinem Herren werben soll ich ein ander Weib,
Da ihm ist erstorben der schönen Helke Leib.
Nun will ich nach Kriemhilden reiten an den Rhein:
Die soll hier bei den Heunen gewaltge Königin sein."
1215 "Das wollte Gott!" sprach Gotlind, "möcht uns dies
Heil geschehn,
Da wir so hohe Ehren ihr hören zugestehn.
Sie ersetzt uns Helken vielleicht in alten Tagen;
Wir mögen bei den Heunen sie gerne sehen Krone
tragen."
1216 Da sprach Markgraf Rüdiger: "Liebe Fraue mein,
Die mit mir reiten sollen von hinnen an den Rhein,
Denen sollt ihr freundlich bieten euer Gut:
Wenn Helden reichlich leben, so tragen sie hohen
Muth."
1217 Sie sprach: "Da ist nicht Einer, wenn er es gerne nähm,
Ich wollt ihm willig bieten, was Jeglichem genehm,
Eh ihr von hinnen scheidet und Die euch unterthan."
Da sprach der Markgraf wieder: "Ihr thut mir Liebe
daran."
1218 Hei! was man reicher Zeuge von ihrer Kammer trug!
Da ward den edeln Recken Gewand zu Theil genug
Mit allem Fleiß gefüttert vom Hals bis auf die Sporen;
Die ihm davon gefielen, hatte Rüdger sich erkoren.
1219 Am siebenten Morgen von Bechlaren ritt
Der Wirth mit seinen Degen. Sie führten Waffen mit
Und Kleider auch die Fülle durch der Baiern Land.
Sie wurden auf der Straße von Räubern selten angerannt.
1220 Binnen zwölf Tagen kamen sie an den Rhein.
Da konnte diese Märe nicht lang verborgen sein:
Dem König und den Seinen ward es kund gethan,
Es kämen fremde Gäste. Der Wirth zu fragen begann,
1221 Ob sie Jemand kennte? das sollte man ihm sagen.
Man sah die Saumrosse schwere Lasten tragen:
Wie reich die Helden waren, ward daran erkannt.
Herberge schuf man ihnen in der weiten Stadt zuhand.
1222 Als die Gäste waren in die Stadt gekommen,
Ihres Aufzugs hatte man mit Neugier wahrgenommen.
Sie wunderte, von wannen sie kämen an den Rhein.
Der Wirth fragte Hagen, wer die Herren möchten sein?
1223 Da sprach der Held von Tronje: "Ich sah sie noch nicht;
Wenn ich sie erschaue, mag ich euch Bericht
Wohl geben, von wannen sie ritten in dies Land.
Sie wären denn gar fremde, so sind sie gleich
mir bekannt."
1224 Herbergen hatten die Gäste nun empfahn.
Der Bote hatte reiche Gewänder angethan
Mit seinen Heergesellen, als sie zu Hofe ritten.
Sie trugen gute Kleider, die waren zierlich geschnitten.
1225 Da sprach der schnelle Hagen: "So viel ich mag verstehn,
Da ich seit langen Tagen den Herrn nicht hab ersehn,
So sind sie so zu schauen, als wär es Rüdiger
Aus der Heunen Lande, dieser Degen kühn und hehr."
1226 "Wie sollt ich das glauben," der König sprachs zuhand,
"Daß der von Bechelaren kam in dieses Land?"
Kaum hatte König Gunther das Wort gesprochen gar,
So nahm der kühne Hagen den guten Rüdiger wahr.
1227 Er und seine Freunde liefen ihm entgegen:
Da sprangen von den Rossen fünfhundert schnelle
Degen.
Wohl empfangen wurden die von Heunenland;
Niemals trugen Boten wohl so herrlich Gewand.
1228 Da rief von Tronje Hagen mit lauter Stimme Schalclass="underline"
"Nun sei’n uns hochwillkommen diese Degen all,
Der Vogt von Bechelaren mit seiner ganzen Schar."
Man empfieng mit Ehren die schnellen Heunen fürwahr.
1229 Des Königs nächste Freunde drängten sich heran:
Da hub von Metzen Ortewein zu Rüdigern an:
"Wir haben lange Tage hier nicht mehr gesehn
Also liebe Gäste, das muß ich wahrlich gestehn!"
1230 Sie dankten des Empfanges den Recken allzumal.
Mit dem Heergesinde giengen sie zum Saal,
Wo sie den König fanden bei manchem kühnen Mann.
Der stand empor vom Sitze: das ward aus höfscher Zucht
gethan.
1231 Wie freundlich dem Boten er entgegengieng
Und allen seinen Degen! Gernot auch empfieng
Den Gast mit hohen Ehren und Die ihm unterthan.
Den guten Rüdger führte der König an der Hand heran.
1232 Er bracht’ ihn zu dem Sitze, darauf er selber saß.
Den Gästen ließ er schenken (gerne that man das)
Von dem guten Methe und von dem besten Wein,
Den man mochte finden in den Landen um den Rhein.
1233 Geiselher und Gere waren auch gekommen,
Dankwart und Volker, die hatten bald vernommen
Von den werthen Gästen. Sie waren wohlgemuth:
Sie empfiengen vor dem König die Ritter edel und gut.
1234 Da sprach von Tronje Hagen zu Gunthern seinem Herrn:
"Mit Dienst vergelten sollten stäts eure Degen gern,
Was uns der Markgraf zu Liebe hat gethan;
Des sollte Lohn empfangen der schönen Gotlinde
Mann."
1235 Da sprach der König Gunther: "Ich laße nicht
das Fragen:
Wie beide sich gehaben, das sollt ihr mir sagen,
Etzel und Frau Helke in der Heunen Land?"
Der Markgraf gab zur Antwort: "Ich mach es gern euch
bekannt."
1236 Da erhob er sich vom Sitze und Die ihm unterthan
Und sprach zu dem König: "Laßt mich Erlaub empfahn,
Daß ich die Märe sage, um die mich hat gesandt
Etzel der König hieher in der Burgunden Land."
1237 Er sprach: "Was man uns immer durch euch entboten
hat,
Erlaub ich euch zu sagen ohne der Freunde Rath.
Die Märe laßt vernehmen mich und die Degen mein:
Euch soll nach allen Ehren zu werben hier gestattet sein."
1238 Da sprach der biedre Bote: "Euch entbietet an den Rhein
Seine treuen Dienste der große König mein,
Dazu den Freunden allen, die euch zugethan;
Auch wird euch diese Botschaft mit großer Treue gethan.
1239 "Euch läßt der edle König klagen seine Noth:
Sein Volk ist ohne Freude, meine Frau die ist todt,
Helke die reiche, meines Herrn Gemahclass="underline"
An der sind schöne Jungfraun nun verwaist in großer
Zahl,
1240 "Edler Fürsten Kinder, die sie erzogen hat;
Darum hat im Lande nun große Trauer Statt:
Sie haben leider Niemand mehr, der sie so treulich pflegt,
Drum wähn ich auch, daß selten des Königs Sorge
sich legt."
1241 "Nun lohn ihm Gott," sprach Gunther, "daß er
die Dienste sein
So williglich entbietet mir und den Freunden mein.
Ich hörte gern die Grüße, die ihr mir kund gethan;
Auch wollen sie verdienen Die mir treu und unterthan."
1242 Da sprach von Burgunden der edle Gernot:
"Die Welt mag wohl beklagen der schönen Helke Tod
Um manche höfsche Tugend, der sie gewohnt
zu pflegen."
Das bestätigte Hagen und mancher andre Degen.
1243 Da sprach wieder Rüdiger, der edle Bote hehr:
"Erlaubt ihr mir, Herr König, so sag ich euch noch mehr,
Was mein lieber Herre euch hieher entbot:
Er lebt in großem Kummer seit der Königin Helke Tod.
1244 "Man sagte meinem Herren, Kriemhild sei ohne Mann,
Da Siegfried gestorben: und sprach man wahr daran,
Und wollt ihr ihrs vergönnen, so soll sie Krone tragen
Vor König Etzels Recken: das gebot mein Herr ihr
zu sagen."
1245 Da sprach König Gunther mit wohlgezognem Muth:
"Sie hört meinen Willen, wenn sie es gerne thut.
Das will ich euch berichten von heut in dreien Tagen:
Wenn sie es nicht weigert, wie sollt ichs Etzel versagen?"
1246 Man ließ Gemach bescheiden den Gästen allzuhand.
Sie fanden solche Pflege, daß Rüdiger gestand,
Er habe gute Freunde in König Gunthers Lehn.
Gerne dient’ ihm Hagen: ihm war einst Gleiches
geschehn.
1247 So verweilte Rüdiger bis an den dritten Tag.
Der Fürst berief die Räthe, wie er weislich pflag,
Und fragte seine Freunde, ob sie es gut gethan
Däuchte, daß Kriemhild Herrn Etzeln nähme
zum Mann.
1248 Da riethen sie es alle; nur Hagen stands nicht an.
Er sprach zu König Gunther, diesem kühnen Mann:
"Habt ihr kluge Sinne, so seid wohl auf der Hut,
Wenn sie auch folgen wollte, daß ihr doch nimmer
es thut."
1249 "Warum," sprach da Gunther, "ließ’ ich es nicht
ergehn?
Was künftig noch der Königin Liebes mag geschehn,
Will ich ihr gerne gönnen: sie ist die Schwester mein.
Wir müsten selbst drum werben, sollt es ihr zur Ehre
sein."
1250 Da sprach aber Hagen: "Das sprecht ihr unbedacht.
Wenn ihr Etzeln kenntet wie ich und seine Macht,
Und ließt ihr sie ihn minnen, wie ich euch höre sagen,
Das müstet ihr vor Allen mit großem Rechte beklagen."
1251 "Warum?" sprach da Gunther, "leicht vermeid ich das,
Ihm je so nah zu kommen, daß ich durch seinen Haß
Leid zu befahren hätte, würd er auch ihr Mann."
Da sprach wieder Hagen: "Mich dünkt es nimmer
wohlgethan."
1252 Da lud man Gernoten und Geiselhern heran,
Ob die Herren beide däuchte wohlgethan,
Wenn Frau Kriemhild nähme den mächtgen König hehr.
Noch widerrieth es Hagen und auch anders Niemand
mehr.
1253 Da sprach von Burgunden Geiselher der Degen:
"Nun mögt ihr, Freund Hagen, noch der Treue pflegen:
Entschädigt sie des Leides, das ihr ihr habt gethan.
Was ihr noch mag gelingen, das säht ihr billig neidlos an."
1254 "Wohl habt ihr meiner Schwester gefügt so großes Leid,"
Sprach da wieder Geiselher, der Degen allbereit,
"Ihr hättets wohl verschuldet, wäre sie euch gram:
Noch Niemand einer Frauen so viel der Freuden
benahm."
1255 "Daß ich das wohl erkenne, das sei euch frei bekannt.
Und soll sie Etzeln nehmen und kommt sie in sein Land,
Wie sie es fügen möge, viel Leid thut sie uns an.
Wohl kommt in ihre Dienste da mancher waidliche
Mann."
1256 Dawider sprach zu Hagen der kühne Gernot:
"Es mag dabei verbleiben bis an Beider Tod,
Daß wir niemals kommen in König Etzels Land.
Laßt uns ihr Treue leisten: zu Ehren wird
uns das gewandt."
1257 Da sprach Hagen wieder: "Das laß ich mir Niemand
sagen;
Und soll die edle Kriemhild Helkens Krone tragen,
Viel Leid wird sie uns schaffen, wo sie’s nur fügen kann:
Ihr sollt es bleiben laßen, das ständ euch Recken beßer an."