133 Man bot ihm große Ehre darauf in manchen Tagen,
Mehr zu tausend Malen, als ich euch könnte sagen;
Das hatte seine Kühnheit verdient, das glaubt fürwahr.
Ihn sah wohl selten Jemand, der ihm nicht gewogen war.
134 Flißen sich der Kurzweil die Könge und ihr Lehn,
So war er stäts der Beste, was man auch ließ geschehn.
Es konnt ihm Niemand folgen, so groß war seine Kraft,
Ob sie den Stein warfen oder schoßen den Schaft.
135 Nach höfscher Sitte ließen sich auch vor den Fraun
Der Kurzweile pflegend die kühnen Ritter schaun:
Da sah man stäts den Helden gern von Niederland;
Er hatt auf hohe Minne seine Sinne gewandt.
136 Die schönen Fraun am Hofe erfragten Märe,
Wer der stolze fremde Recke wäre.
«Er ist so schön gewachsen, so reich ist sein Gewand!»
Da sprachen ihrer Viele: «Das ist der Held von
Niederland.»
137 Was man beginnen wollte, er war dazu bereit;
Er trug in seinem Sinne eine minnigliche Maid,
Und auch nur ihn die Schöne, die er noch nie gesehn,
Und die sich doch viel Gutes von ihm schon heimlich
versehn.
138 Wenn man auf dem Hofe das Waffenspiel begann,
Ritter so wie Knappen, immer sah es an
Kriemhild aus den Fenstern, die Königstochter hehr;
Keiner andern Kurzweil hinfort bedurfte sie mehr.
139 Und wüst er, daß ihn sähe, die er im Herzen trug,
Davon hätt er Kurzweil immerdar genug.
Ersähn sie seine Augen, ich glaube sicherlich,
Keine andre Freude hier auf Erden wünscht’ er sich.
140 Wenn er bei den Recken auf dem Hofe stand,
Wie man noch zur Kurzweil pflegt in allem Land,
Wie stand dann so minniglich das Sieglindenkind,
Daß manche Frau ihm heimlich war von Herzen hold
gesinnt.
141 Er gedacht auch manchmaclass="underline" «Wie soll das geschehn,
Daß ich das edle Mägdlein mit Augen möge sehn,
Die ich von Herzen minne, wie ich schon längst gethan?
Die ist mir noch gar fremde; mit Trauern denk ich
daran.»
142 So oft die reichen Könige ritten in ihr Land,
So musten auch die Recken mit ihnen all zur Hand.
Auch Siegfried ritt mit ihnen: das war der Frauen leid;
Er litt von ihrer Minne auch Beschwer zu mancher Zeit.
143 So wohnt’ er bei den Herren, das ist alles wahr,
In König Gunthers Lande völliglich ein Jahr,
Daß er die Minnigliche in all der Zeit nicht sah,
Durch die ihm bald viel Liebes und auch viel Leides
geschah.
Abenteuer 4
Wie Siegfried mit den Sachsen stritt
144 Da kamen fremde Mären in König Gunthers Land
Durch Boten aus der Ferne ihnen zugesandt
Von unbekannten Recken, die ihnen trugen Haß
Als sie die Rede hörten, gar sehr betrübte sie das.
145 Die will ich euch nennen: es war Lüdeger
Aus der Sachsen Lande, ein mächtger König hehr;
Dazu vom Dänenlande der König Lüdegast:
Die gewannen zu dem Kriege gar manchen herrlichen
Gast.
146 Ihre Boten kamen in König Gunthers Land,
Die seine Widersacher hatten hingesandt.
Da frug man um die Märe die Unbekannten gleich
Und führte bald die Boten zu Hofe vor den König reich.
147 Schön grüßte sie der König und sprach: «Seid
willkommen!
Wer euch hieher gesendet, hab ich noch nicht
vernommen:
Das sollt ihr hören laßen,» sprach der König gut.
Da bangten sie gewaltig vor des grimmen Gunther Muth.
148 «Wollt ihr uns, Herr, erlauben, daß wir euch Bericht
Von unsrer Märe sagen, wir hehlen sie euch nicht.
Wir nennen euch die Herren, die uns hieher gesandt:
Lüdegast und Lüdeger die suchen heim euer Land.
149 Ihren Zorn habt ihr verdienet: wir vernahmen das
Gar wohl, die Herren tragen euch beide großen Haß.
Sie wollen heerfahrten gen Worms an den Rhein;
Ihnen helfen viel der Degen: laßt euch das zur
Warnung sein.»
150 «Binnen zwölf Wochen muß ihre Fahrt geschehn;
Habt ihr nun guter Freunde, so laßt es bald ersehn,
Die euch befrieden helfen die Burgen und das Land:
Hier werden sie verhauen manchen Helm und
Schildesrand.»
151 «Oder wollt ihr unterhandeln, so macht es offenbar;
So reitet euch so nahe nicht gar manche Schar
Eurer starken Feinde zu bitterm Herzeleid,
Davon verderben müßen viel der Ritter kühn im Streit.»
152 «Nun harrt eine Weile (ich künd euch meinen Muth),
Bis ich mich recht bedachte,» sprach der König gut.
«Hab ich noch Getreue, denen will ichs sagen,
Diese schwere Botschaft muß ich meinen Freunden
klagen.»
153 Dem mächtigen Gunther war es leid genug;
Den Botenspruch er heimlich in seinem Herzen trug.
Er hieß berufen Hagen und Andr’ in seinem Lehn
Und hieß auch gar geschwinde zu Hof nach Gernoten
gehn.
154 Da kamen ihm die Besten, so viel man deren fand.
Er sprach: «Die Feinde wollen heimsuchen unser Land
Mit starken Heerfahrten; das sei euch geklagt.
Es ist gar unverschuldet, daß sie uns haben widersagt.»
155 «Dem wehren wir mit Schwertern,» sprach da Gernot,
«Da sterben nur, die müßen: die laßet liegen todt.
Ich werde nicht vergeßen darum der Ehre mein:
Unsre Widersacher sollen uns willkommen sein.»
156 Da sprach von Tronje Hagen: «Das dünkt mich
nicht gut;
Lüdegast und Lüdeger sind voll Uebermuth.
Wir können uns nicht sammeln in so kurzen Tagen,»
So sprach der kühne Recke: «ihr sollt es Siegfrieden
sagen.»
157 Da gab man den Boten Herbergen in der Stadt.
Wie feind sie ihnen waren, sie gut zu pflegen bat
Gunther der reiche, das war wohlgethan,
Bis er erprobt an Freunden, wer ihm zu Hülfe zög heran.
158 Der König trug im Herzen Sorge doch und Leid.
Da sah ihn also trauern ein Ritter allbereit,
Der nicht wißen konnte, was ihm war geschehn:
Da bat er König Gunthern, ihm den Grund zu gestehn.
159 «Mich nimmt höchlich Wunder,» sprach da Siegfried,
«Wie die frohe Weise so völlig von euch schied,
Deren ihr so lange mit uns mochtet pflegen.»
Zur Antwort gab ihm Gunther, dieser zierliche Degen:
160 «Wohl mag ich allen Leuten nicht von dem Leide sagen,
Das ich muß verborgen in meinem Herzen tragen:
Stäten Freunden klagen soll man des Herzens Noth.»
Siegfriedens Farbe ward da bleich und wieder roth.
161 Er sprach zu dem Könige: «Was blieb euch je versagt?
Ich will euch wenden helfen das Leid, das ihr klagt.
Wollt ihr Freunde suchen, so will ich einer sein
Und getrau es zu vollbringen mit Ehren bis ans Ende
mein.»
162 «Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried, die Rede dünkt
mich gut;
Und kann mir auch nicht helfen eure Kraft und hoher
Muth,
So freut mich doch die Märe, daß ihr so hold mir seid:
Leb ich noch eine Weile, ich vergelt es mit der Zeit.
163 Ich will euch hören laßen, was mich traurig macht.
Von Boten meiner Feinde ward mir hinterbracht,
Mit Heerfahrten kämen sie mich zu suchen hie:
Das geschah uns von Degen in diesen Landen noch nie.»
164 «Das laßt euch nicht betrüben,» sprach da Siegfried,
«Sänftet eur Gemüthe und thut, wie ich euch rieth:
Laßt mich euch erwerben Ehre so wie Frommen,
Bevor eure Feinde her zu diesen Landen kommen.»
165 «Und hätten dreißigtausend Helfer sich ersehn
Eure starken Feinde, doch wollt ich sie bestehn,
Hätt ich auch selbst nur tausend: verlaßt euch auf mich.»
Da sprach der König Gunther: «Das verdien ich stäts
um dich.»
166 «So heißt mir eurer Leute gewinnen tausend Mann,
Da ich von den Meinen nicht mehr hier stellen kann
Als der Recken zwölfe; so wehr ich euer Land.
Immer soll getreulich euch dienen Siegfriedens Hand.»
167 «Dazu soll Hagen helfen und auch Ortewein,
Dankwart und Sindold, die lieben Recken dein.
Auch soll da mit uns reiten Volker der kühne Mann:
Der soll die Fahne führen: keinen Beßern trefft ihr an.»
168 «Und laßt die Boten reiten heim in ihrer Herren Land;
Daß sie uns bald da sehen, macht ihnen das bekannt,
So daß unsre Burgen befriedet mögen sein.»
Der König hieß besenden Freund und Mannen insgemein.
169 Zu Hofe giengen wieder Die Lüdeger gesandt;
Sie freuten sich der Reise zurück ins Heimatland.
Ihnen bot da reiche Gabe Gunther der König gut
Und sicheres Geleite: des waren sie wohlgemuth.
170 «Nun sagt,» sprach da Gunther, «meinen starken
Feinden an,
Ihre Reise bliebe beßer ungethan;
Doch wollten sie mich suchen hier in meinem Land,
Wir zerrännen denn die Freunde, ihnen werde Noth
bekannt.»
171 Den Boten reiche Gaben man da zur Stelle trug:
Deren hatte Gunther zu geben genug.
Das durften nicht verschmähen Die Lüdeger gesandt.
Sie baten um Urlaub und räumten fröhlich das Land.
172 Als die Boten waren gen Dänemark gekommen,
Und der König Lüdegast den Bericht vernommen,
Was sie am Rhein geredet, als das ihm ward gesagt,
Seine übermüthge Botschaft ward da bereut und beklagt.
173 Sie sagten ihm, sie hätten manch kühnen Mann im Lehn:
«Darunter sah man Einen vor König Gunthern stehn,
Der war geheißen Siegfried, ein Held aus Niederland.»
Leid wars Lüdegasten, als er die Dinge so befand.
174 Als Die vom Dänenlande hörten diese Mär,
Da eilten sie, der Helfer zu gewinnen desto mehr,
Bis der König Lüdegast zwanzigtausend Mann
Seiner kühnen Degen zu seiner Heerfahrt gewann.
175 Da besandte sich von Sachsen auch König Lüdeger,
Bis sie vierzigtausend hatten und wohl mehr,
Die mit ihnen ritten gen Burgundenland.
Da hatt auch schon zu Hause der König Gunther gesandt
176 Zu seinen nächsten Freunden und seiner Brüder Heer,
Womit sie fahren wollten im Kriegszug einher,
Und auch mit Hagens Recken: das that den Helden
Noth.
Darum musten Degen bald erschauen den Tod.
177 Sie schickten sich zur Reise; sie wollten nun hindann.
Die Fahne muste führen Volker der kühne Mann,
Da sie reiten wollten von Worms über Rhein;
Hagen von Tronje der muste Scharmeister sein.
178 Mit ihnen ritt auch Sindold und der kühne Hunold,
Die wohl verdienen konnten reicher Könge Gold.
Dankwart, Hagens Bruder, und auch Ortewein
Die mochten wohl mit Ehren bei dem Heerzuge sein.
179 «Herr König,» sprach da Siegfried, «bleibet ihr zu Haus:
Da mir eure Degen folgen zu dem Strauß,
So weilt bei den Frauen und tragt hohen Muth:
Ich will euch wohl behüten die Ehre so wie das Gut.»
180 «Die euch heimsuchen wollten zu Worms an dem Rhein,
Will euch davor bewahren, daß sie euch schädlich sei’n:
Wir wollen ihnen reiten so nah ins eigne Land,
Daß ihnen bald in Sorge der Uebermuth wird gewandt.»
181 Vom Rheine sie durch Hessen mit ihren Helden ritten
Nach dem Sachsenlande: da wurde bald gestritten.
Mit Raub und mit Brande verheerten sie das Land,
Daß bald den Fürsten beiden ward Noth und Sorge
bekannt.
182 Sie kamen an die Marke; die Knechte rückten an.
Siegfried der starke zu fragen da begann:
«Wer soll nun der Hüter des Gesindes sein?»
Wohl konnte nie den Sachsen ein Heerzug übler gedeihn.
183 Sie sprachen: «Laßt der Knappen hüten auf den Wegen
Dankwart den kühnen, das ist ein schneller Degen:
Wir verlieren desto minder durch Die in Lüdgers Lehn;
Laßt ihn mit Ortweinen hie die Nachhut versehn.»
184 «So will ich selber reiten,» sprach Siegfried der Degen,
«Den Feinden gegenüber der Warte zu pflegen,
Bis ich recht erkunde, wo die Recken sind.»
Da stand bald in den Waffen der schönen Siegelinde Kind.
185 Das Volk befahl er Hagen, als er zog hindann,
Ihm und Gernoten, diesem kühnen Mann.
So ritt er hin alleine in der Sachsen Land,
Wo er die rechte Märe wohl bald mit Ehren befand.
186 Er sah ein groß Geschwader, das auf dem Felde zog,
Und die Kraft der Seinen gewaltig überwog:
Es waren vierzigtausend oder wohl noch mehr.
Siegfried in hohem Muthe sah gar fröhlich das Heer.
187 Da hatte sich ein Recke auch aus der Feinde Schar
Erhoben auf die Warte, der wohl gewappnet war:
Den sah der Degen Siegfried und ihn der kühne Mann;
Jedweder auf den andern mit Zorn zu blicken begann.
188 Ich sag euch, wer der wäre, der hier der Warte pflag;
Ein lichter Schild von Golde ihm vor der Linken lag.
Es war der König Lüdegast, der hütete sein Heer.
Der edle Fremdling sprengte herrlich wider ihn einher.
189 Nun hatt auch ihn Herr Lüdegast sich feindlich erkoren:
Ihre Rosse reizten Beide zur Seite mit den Sporen;
Sie neigten auf die Schilde mit aller Macht den Schaft:
Da kam der hehre König darob in großer Sorgen Haft.
190 Dem Stich gehorsam trugen die Rosse pfeilgeschwind
Die Könige zusammen, als wehte sie der Wind;
Dann mit den Zäumen wandten sie ritterlich zurück:
Die grimmen Zwei versuchten da mit dem Schwerte
das Glück.
191 Da schlug der Degen Siegfried, das Feld erscholl umher.
Aus dem Helme stoben, als obs von Bränden wär,
Die feuerrothen Funken von des Helden Hand;
Da stritt mit großen Kräften der kühne Vogt von
Niederland.
192 Auch ihm schlug Herr Lüdegast manch grimmen Schlag;
Jedweder auf dem Schilde mit ganzer Stärke lag.
Da hatten es wohl dreißig erspäht aus seiner Schar:
Eh die ihm Hülfe brachten, der Sieg doch Siegfrieden war
193 Mit drei starken Wunden, die er dem König schlug
Durch einen lichten Harnisch; der war doch fest genug.
Das Schwert mit seiner Schärfe entlockte Wunden Blut;
Da gewann König Lüdegast einen traurigen Muth.
194 Er bat ihn um sein Leben und bot ihm all sein Land
Und sagt’ ihm, er wäre Lüdegast genannt.
Da kamen seine Recken: die hatten wohl gesehn,
Was da von ihnen beiden auf der Warte war geschehn.
195 Er führt’ ihn gern von dannen: da ward er angerannt
Von dreißig seiner Mannen; doch wehrte seine Hand
Seinen edeln Geisel mit ungestümen Schlägen.
Bald that noch größern Schaden dieser zierliche Degen.
196 Die Dreißig zu Tode wehrlich er schlug;
Ihrer Einen ließ er leben: der ritt da schnell genug
Und brachte hin die Märe von dem, was hier geschehn;
Auch konnte man die Wahrheit an seinem rothen
Helme sehn.
197 Gar leid wars den Recken aus dem Dänenland,
Als ihres Herrn Gefängniss ihnen ward bekannt.
Man sagt’ es seinem Bruder: der fieng zu toben an
In ungestümem Zorne: ihm war gar wehe gethan.
198 Lüdegast der König war hinweggebracht
Zu Gunthers Ingesinde von Siegfrieds Uebermacht.
Er befahl ihn Hagen: der kühne Recke gut,
Als er vernahm die Märe, da gewann er fröhlichen Muth.