400 Sie waren all willfährig zu thun, wie er sie hieß:
In seinem Uebermuthe es auch nicht Einer ließ.
Sie sprachen, wie er wollte; wohl frommt’ es ihnen da,
Als der König Gunther die schöne Brunhild ersah.
401 "Wohl thu ichs nicht so gerne dir zu lieb allein,
Als um deine Schwester, das schöne Mägdelein.
Die ist mir wie die Seele und wie mein eigner Leib;
Ich will es gern verdienen, daß sie werde mein Weib."
Abenteuer 7
Wie Gunther Brunhilden gewann
402 Ihr Schifflein unterdessen war auf dem Meer
Zur Burg heran gefloßen: da sah der König hehr
Oben in den Fenstern manche schöne Maid.
Daß er sie nicht erkannte, das war in Wahrheit ihm leid.
403 Er fragte Siegfrieden, den Gesellen sein:
"Hättet ihr wohl Kunde um diese Mägdelein,
Die dort hernieder schauen nach uns auf die Flut?
Wie ihr Herr auch heiße, so tragen sie hohen Muth."
404 Da sprach der kühne Siegfried: "Nun sollt ihr heimlich
spähn
Nach den Jungfrauen und sollt mir dann gestehn,
Welche ihr nehmen wolltet, wär euch die Wahl verliehn."
"Das will ich," sprach Gunther, dieser Ritter schnell
und kühn.
405 "So schau ich ihrer Eine in jenem Fenster an,
Im schneeweißen Kleide, die ist so wohlgethan:
Die wählen meine Augen, so schön ist sie von Leib.
Wenn ich gebieten dürfte, sie müste werden mein Weib."
406 "Dir hat recht erkoren deiner Augen Schein:
Es ist die edle Brunhild, das schöne Mägdelein,
Nach der das Herz dir ringet, der Sinn und auch der Muth."
All ihr Gebaren dauchte König Gunthern gut.
407 Da hieß die Königstochter von den Fenstern gehn
Die minniglichen Maide: sie sollten da nicht stehn
Zum Anblick für die Fremden; sie folgten unverwandt.
Was da die Frauen thaten, das ist uns auch wohl bekannt.
408 Sie zierten sich entgegen den unkunden Herrn,
Wie es immer thaten schöne Frauen gern.
Dann an die engen Fenster traten sie heran,
Wo sie die Helden sahen: das ward aus Neugier gethan.
409 Nur ihrer Viere waren, die kamen in das Land.
Siegfried der kühne ein Ross zog auf den Strand.
Das sahen durch die Fenster die schönen Frauen an:
Große Ehre dauchte sich König Gunther gethan.
410 Er hielt ihm bei dem Zaume das zierliche Ross,
Das war gut und stattlich, stark dazu und groß,
Bis der König Gunther fest im Sattel saß.
Also dient’ ihm Siegfried, was er hernach doch ganz
vergaß.
411 Dann zog er auch das seine aus dem Schiff heran:
Er hatte solche Dienste gar selten sonst gethan,
Daß er am Steigreif Helden gestanden wär.
Das sahen durch die Fenster die schönen Frauen hehr.
412 Es war in gleicher Weise den Helden allbereit
Von schneeblanker Farbe das Ross und auch das Kleid,
Dem einen wie dem andern, und schön der Schilde Rand:
Die warfen hellen Schimmer an der edeln Recken Hand.
413 Ihre Sättel wohlgesteinet, die Brustriemen schmaclass="underline"
So ritten sie herrlich vor Brunhildens Saal;
Daran hiengen Schellen von lichtem Golde roth.
Sie kamen zu dem Lande, wie ihr Hochsinn gebot,
414 Mit Speren neu geschliffen, mit wohlgeschaffnem
Schwert,
Das bis auf die Sporen gieng den Helden werth.
Die Wohlgemuthen führten es scharf genug und breit.
Das alles sah Brunhild, diese herrliche Maid.
415 Mit ihnen kam auch Dankwart und sein Bruder Hagen:
Diese beide trugen, wie wir hören sagen,
Von rabenschwarzer Farbe reichgewirktes Kleid;
Neu waren ihre Schilde, gut, dazu auch lang und breit.
416 Von India dem Lande trugen sie Gestein,
Das warf an ihrem Kleide auf und ab den Schein.
Sie ließen unbehütet das Schifflein bei der Flut;
So ritten nach der Veste diese Helden kühn und gut.
417 Sechsundachtzig Thürme sahn sie darin zumal,
Drei weite Pfalzen und einen schönen Saal
Von edelm Marmelsteine, so grün wie das Gras,
Darin die Königstochter mit ihrem Ingefinde saß.
418 Die Burg war erschloßen und weithin aufgethan,
Brunhildes Mannen liefen alsbald heran
Und empfiengen die Gäste in ihrer Herrin Land.
Die Rosse nahm man ihnen und die Schilde von der Hand.
419 Da sprach der Kämmrer Einer: "Gebt uns euer Schwert
Und die lichten Panzer." "Das wird euch nicht
gewährt,"
Sprach Hagen von Tronje, "wir wollens selber tragen."
Da begann ihm Siegfried von des Hofs Gebrauch
zu sagen:
420 "In dieser Burg ist Sitte, das will ich euch sagen,
Keine Waffen dürfen da die Gäste tragen:
Laßt sie von hinnen bringen, das ist wohlgethan."
Ihm folgte wider Willen Hagen, König Gunthers Mann.
421 Man ließ den Gästen schenken und schaffen gute Ruh.
Manchen schnellen Recken sah man dem Hofe zu
Allenthalben eilen in fürstlichem Gewand;
Doch wurden nach den Kühnen ringsher die Blicke
gesandt.
422 Nun wurden auch Brunhilden gesagt die Mären,
Daß unbekannte Recken gekommen wären
In herrlichem Gewande gefloßen auf der Flut.
Da begann zu fragen diese Jungfrau schön und gut:
423 "Ihr sollt mich hören laßen," sprach das Mägdelein,
"Wer die unbekannten Recken mögen sein,
Die ich dort stehen sehe in meiner Burg so hehr,
Und wem zu Lieb die Helden wohl gefahren sind hieher."
424 Des Gesindes sprach da Einer: "Frau, ich muß gestehn,
Daß ich ihrer Keinen je zuvor gesehn;
Doch Einer steht darunter, der Siegfrieds Weise hat:
Den sollt ihr wohl empfangen, das ist in Treuen
mein Rath.
425 "Der andre der Gesellen, gar löblich dünkt er mich;
Wenn er die Macht besäße, zum König ziemt’ er sich
Ob weiten Fürstenlanden, sollt er die versehn.
Man sieht ihn bei den Andern so recht herrlich da stehn.
426 "Der dritte der Gesellen, der hat gar herben Sinn,
Doch schönen Wuchs nicht minder, reiche Königin.
Die Blicke sind gewaltig, deren so viel er thut:
Er trägt in seinem Sinne, wähn ich, grimmigen Muth.
427 "Der jüngste darunter, gar löblich dünkt er mich:
Man sieht den reichen Degen so recht minniglich
In jungfräulicher Sitte und edler Haltung stehn:
Wir müstens alle fürchten, wär ihm ein Leid hier
geschehn.
428 "So freundlich er gebahre, so wohlgethan sein Leib,
Er brächte doch zum Weinen manch waidliches Weib,
Wenn er zürnen sollte; sein Wuchs ist wohl so gut,
Er ist an allen Tugenden ein Degen kühn
und wohlgemuth."
429 Da sprach die Königstochter: "Nun bringt
mir mein Gewand:
Und ist der starke Siegfried gekommen in mein Land
Um meiner Minne willen, es geht ihm an den Leib:
Ich fürcht ihn nicht so heftig, daß ich würde sein Weib."
430 Brunhild die schöne trug bald erlesen Kleid.
Auch gab ihr Geleite manche schöne Maid,
Wohl hundert oder drüber, sie all in reicher Zier.
Die Gäste kam zu schauen manches edle Weib mit ihr.
431 Mit ihnen giengen Degen aus Isenland,
Brunhildens Recken, die Schwerter in der Hand,
Fünfhundert oder drüber; das war den Gästen leid.
Aufstanden von den Sitzen die kühnen Helden allbereit.
432 Als die Königstochter Siegfrieden sah,
Wohlgezogen sprach sie zu dem Gaste da:
"Seid willkommen, Siegfried, hier in diesem Land.
Was meint eure Reise? das macht mir, bitt ich, bekannt."
433 "Viel Dank muß ich euch sagen, Frau Brunhild,
Daß ihr mich geruht zu grüßen, Fürstentochter mild,
Vor diesem edeln Recken, der hier vor mir steht:
Denn der ist mein Lehnsherr; der Ehre Siegfried
wohl enträth.
434 "Er ist am Rheine König: was soll ich sagen mehr?
Dir nur zu Liebe fuhren wir hierher.
Er will dich gerne minnen, was ihm geschehen mag.
Nun bedenke dich bei Zeiten: mein Herr läßt
nimmermehr nach.
435 "Er ist geheißen Gunther, ein König reich und hehr.
Erwirbt er deine Minne, nicht mehr ist sein Begehr.
Deinthalb mit ihm that ich diese Fahrt;
Wenn er mein Herr nicht wäre, ich hätt es sicher gespart."
436 Sie sprach: "Wenn er dein Herr ist und du in seinem
Lehn,
Will er, die ich ertheile, meine Spiele dann bestehn
Und bleibt darin der Meister, so werd ich sein Weib;
Doch ists, daß ich gewinne, es geht euch allen
an den Leib."
437 Da sprach von Tronje Hagen: "So zeig uns, Königin,
Was ihr für Spiel’ ertheilet. Eh euch den Gewinn
Mein Herr Gunther ließe, so müst es übel sein:
Er mag wohl noch erwerben ein so schönes Mägdelein."
438 "Den Stein soll er werfen und springen darnach,
Den Sper mit mir schießen: drum sei euch nicht zu jach.
Ihr verliert hier mit der Ehre Leben leicht und Leib:
Drum mögt ihr euch bedenken," sprach das minnigliche
Weib.
439 Siegfried der schnelle gieng zu dem König hin
Und bat ihn, frei zu reden mit der Königin
Ganz nach seinem Willen; angstlos soll er sein:
"Ich will dich wohl behüten vor ihr mit den Listen mein."
440 Da sprach der König Gunther: "Königstochter hehr,
Ertheilt mir, was ihr wollet, und wär es auch noch mehr,
Eurer Schönheit willen bestünd ich Alles gern.
Mein Haupt will ich verlieren, gewinnt ihr mich nicht
zum Herrn."
441 Als da seine Rede vernahm die Königin,
Bat sie, wie ihr ziemte, das Spiel nicht zu verziehn.
Sie ließ sich zum Streite bringen ihr Gewand,
Einen goldnen Panzer und einen guten Schildesrand.
442 Ein seiden Waffenhemde zog sich an die Maid,
Das ihr keine Waffe verletzen konnt im Streit,
Von Zeugen wohlgeschaffen aus Libya dem Land:
Lichtgewirkte Borten erglänzten rings an dem Rand.
443 Derweil hatt ihr Uebermuth den Gästen schwer gedräut.
Dankwart und Hagen die standen unerfreut.
Wie es dem Herrn ergienge, sorgte sehr ihr Muth.
Sie dachten: "Unsre Reise bekommt uns Recken
nicht gut."
444 Derweilen gieng Siegfried, der listige Mann,
Eh es wer bemerkte, an das Schiff heran,
Wo er die Tarnkappe verborgen liegen fand,
In die er hurtig schlüpfte: da war er Niemand bekannt.
445 Er eilte bald zurücke und fand hier Recken vieclass="underline"
Die Königin ertheilte da ihr hohes Spiel.
Da gieng er hin verstohlen und daß ihn Niemand sah
Von Allen, die da waren, was durch Zauber geschah.
446 Es war ein Kreis gezogen, wo das Spiel geschehn
Vor kühnen Recken sollte, die es wollten sehn.
Wohl siebenhundert sah man Waffen tragen:
Wer das Spiel gewänne, das sollten sie nach Wahrheit sagen.
447 Da war gekommen Brunhild, die man gewaffnet fand,
Als ob sie streiten wolle um aller Könge Land.
Wohl trug sie auf der Seide viel Golddrähte fein;
Ihre minnigliche Farbe gab darunter holden Schein.
448 Nun kam ihr Gesinde, das trug herbei zuhand
Aus allrothem Golde einen Schildesrand
Mit hartem Stahlbeschlage, mächtig groß und breit,
Worunter spielen wollte diese minnigliche Maid.
449 An einer edeln Borte ward der Schild getragen,
Auf der Edelsteine, grasgrüne, lagen;
Die tauschten mannigfaltig Gefunkel mit dem Gold.
Er bedurfte großer Kühnheit, dem die Jungfrau
wurde hold.
450 Der Schild war untern Buckeln, so ward uns gesagt,
Von dreier Spannen Dicke; den trug hernach die Magd.
An Stahl und auch an Golde war er reich genug,
Den ihrer Kämmrer Einer mit Mühe selbvierter trug.
451 Als der starke Hagen den Schild hertragen sah,
In großem Unmuthe sprach der Tronjer da:
"Wie nun, König Gunther? An Leben gehts und Leib:
Die ihr begehrt zu minnen, die ist ein teuflisches Weib."
452 Hört noch von ihren Kleidern: deren hatte sie genug.
Von Azagauger Seide einen Wappenrock sie trug,
Der kostbar war und edeclass="underline" daran warf hellen Schein
Von der Königstochter gar mancher herrliche Stein.
453 Da brachten sie der Frauen mächtig und breit
Einen scharfen Wurfspieß; den verschoß sie allezeit,
Stark und ungefüge, groß dazu und schwer.
An seinen beiden Seiten schnitt gar grimmig der Sper.
454 Von des Spießes Schwere höret Wunder sagen:
Wohl hundert Pfund Eisen war dazu verschlagen.
Ihn trugen mühsam Dreie von Brunhildens Heer:
Gunther der edle rang mit Sorgen da schwer.
455 Er dacht in seinem Sinne: "Was soll das sein hier?
Der Teufel aus der Hölle, wie schützt’ er sich vor ihr?
War ich mit meinem Leben wieder an dem Rhein,
Sie dürfte hier wohl lange meiner Minne ledig sein."
456 Er trug in seinen Sorgen, das wißet, Leid genug.
All seine Rüstung man ihm zur Stelle trug.
Gewappnet Stand der reiche König bald darin.
Vor Leid hätte Hagen schier gar verwandelt den Sinn.
457 Da sprach Hagens Bruder, der kühne Dankwart:
"Mich reut in der Seele her zu Hof die Fahrt.
Nun hießen wir einst Recken! wie verlieren wir den Leib!
Soll uns in diesem Lande nun verderben ein Weib?
458 "Des muß mich sehr verdrießen, daß ich kam
in dieses Land.
Hätte mein Bruder Hagen sein Schwert an der Hand
Und auch ich das meine, so sollten sachte gehn
Mit ihrem Uebermuthe Die in Brunhildens Lehn.
459 Sie sollten sich bescheiden, das glaubet mir nur.
Hätt ich den Frieden tausendmal bestärkt mit einem
Schwur,
Bevor ich sterben sähe den lieben Herren mein,
Das Leben müste laßen dieses schöne Mägdelein."
460 "Wir möchten ungefangen wohl räumen dieses Land,"
Sprach sein Bruder Hagen, "hätten wir das Gewand,
Des wir zum Streit bedürfen, und die Schwerter gut,
So sollte sich wohl sänften der schönen Fraue
Uebermuth."
461 Wohl hörte, was er sagte, die Fraue wohlgethan;
Ueber die Achsel sah sie ihn lächelnd an.
"Nun er so kühn sich dünket, so bringt doch ihr Gewand,
Ihre scharfen Waffen gebt den Helden an die Hand.
462 "Es kümmert mich so wenig, ob sie gewaffnet sind,
Als ob sie bloß da stünden," so sprach das Königskind.
"Ich fürchte Niemands Stärke, den ich noch je gekannt:
Ich mag auch wohl genesen im Streit vor des Königs
Hand."
463 Als man die Waffen brachte, wie die Maid gebot,
Dankwart der kühne ward vor Freuden roth.
"Nun spielt, was ihr wollet," sprach der Degen werth,
"Gunther ist unbezwungen: wir haben wieder unser
Schwert."
464 Brunhildens Stärke zeigte sich nicht klein:
Man trug ihr zu dem Kreise einen schweren Stein,
Groß und ungefüge, rund dabei und breit.
Ihn trugen kaum zwölfe dieser Degen kühn im Streit.
465 Den warf sie allerwegen, wie sie den Sper verschoß.
Darüber war die Sorge der Burgunden groß.
"Wen will der König werben?" sprach da Hagen laut:
"Wär sie in der Hölle doch des übeln Teufels Braut!"
466 An ihre weißen Arme sie die Ärmel wand,
Sie schickte sich und faßte den Schild an die Hand,
Sie schwang den Spieß zur Höhe: das war des Kampfe
Beginn.
Gunther und Siegfried bangten vor Brunhildens
grimmem Sinn.