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467 Und wär ihm da Siegfried zu Hülfe nicht gekommen, So hätte sie dem König das Leben wohl benommen. Er trat hinzu verstohlen und rührte seine Hand; Gunther seine Künste mit großen Sorgen befand.
468 "Wer wars, der mich berührte?" dachte der kühne Mann, Und wie er um sich blickte, da traf er Niemand an. Er sprach: "Ich bin es, Siegfried, der Geselle dein: Du sollst ganz ohne Sorge vor der Königin sein."
469 (Er sprach:) "Gieb aus den Händen den Schild, laß mich ihn tragen Und behalt im Sinne, was du mich hörest sagen: Du habe die Gebärde, ich will das Werk begehn." Als er ihn erkannte, da war ihm Liebes geschehn.
470 "Verhehl auch meine Künste, das ist uns beiden gut: So mag die Königstochter den hohen Uebermuth Nicht an dir vollbringen, wie sie gesonnen ist: Nun sieh doch, welcher Kühnheit sie wider dich sich vermißt."
471 Da schoß mit ganzen Kräften die herrliche Maid Den Sper nach einem neuen Schild, mächtig und breit; Den trug an der Linken Sieglindens Kind. Das Feuer sprang vom Stahle, als ob es wehte der Wind.
472 Des starken Spießes Schneide den Schild ganz durchdrang, Daß das Feuer lohend aus den Ringen sprang. Von dem Schuße fielen die kraftvollen Degen: War nicht die Tarnkappe, sie wären beide da erlegen.
473 Siegfried dem kühnen vom Munde brach das Blut. Bald sprang er auf die Füße: da nahm der Degen gut Den Sper, den sie geschoßen ihm hatte durch den Rand: Den warf ihr jetzt zurücke Siegfried mit kraftvoller Hand.
474 Er dacht: "Ich will nicht schießen das Mägdlein wonniglich." Des Spießes Schneide kehrt’ er hinter den Rücken sich; Mit der Sperstange schoß er auf ihr Gewand, Daß es laut erhallte von seiner kraftreichen Hand.
475 Das Feuer stob vom Panzer, als trieb’ es der Wind. Es hatte wohl geschoßen der Sieglinde Kind: Sie vermochte mit den Kräften dem Schuße nicht zu stehn; Das war von König Gunthern in Wahrheit nimmer geschehn.
476 Brunhild die schöne bald auf die Füße sprang: "Gunther, edler Ritter, des Schußes habe Dank!" Sie wähnt’, er hätt es selber mit seiner Kraft gethan Nein, zu Boden warf sie ein viel stärkerer Mann.
477 Da gieng sie hin geschwinde, zornig war ihr Muth, Den Stein hoch erhub sie, die edle Jungfrau gut; Sie schwang ihn mit Kräften weithin von der Hand, Dann sprang sie nach dem Wurfe, daß laut erklang ihr Gewand.
478 Der Stein fiel zu Boden von ihr zwölf Klafter weit: Den Wurf überholte im Sprung die edle Maid. Hin gieng der schnelle Siegfried, wo der Stein nun lag: Gunther must ihn wägen, des Wurfs der Verholne pflag.
479 Siegfried war kräftig, kühn und auch lang; Den Stein warf er ferner, dazu er weiter sprang. Ein großes Wunder war es und künstlich genug, Daß er in dem Sprunge den König Gunther noch trug.
480 Der Sprung war ergangen, am Boden lag der Stein: Gunther wars, der Degen, den man sah allein. Brunhild die schöne ward vor Zorne roth; Gewendet hatte Siegfried dem König Gunther den Tod.
481 Zu ihrem Ingesinde sprach die Königin da, Als sie gesund den Helden an des Kreises Ende sah: "Ihr, meine Freund und Mannen, tretet gleich heran: Ihr sollt dem König Gunther alle werden unterthan."
482 Da legten die Kühnen die Waffen von der Hand Und boten sich zu Füßen von Burgundenland Gunther dem reichen, so mancher kühne Mann: Sie wähnten, die Spiele hätt er mit eigner Kraft gethan.
483 Er grüßte sie gar minniglich; wohl trug er höfschen Sinn. Da nahm ihn bei der Rechten die schöne Königin: Sie erlaubt’ ihm, zu gebieten in ihrem ganzen Land. Des freute sich da Hagen, der Degen kühn und gewandt.
484 Sie bat den edeln Ritter mit ihr zurück zu gehn Zu dem weiten Saale, wo mancher Mann zu sehn, Und mans aus Furcht dem Degen nun desto beßer bot. Siegfrieds Kräfte hatten sie erledigt aller Noth.
485 Siegfried der schnelle war wohl schlau genug, Daß er die Tarnkappe aufzubewahren trug. Dann gieng er zu dem Saale, wo manche Fraue saß: Er sprach zu dem König, gar listiglich that er das:
486 "Was säumt ihr, Herr König, und beginnt die Spiele nicht, Die euch aufzugeben die Königin verspricht? Laßt uns doch bald erschauen, wie es damit bestellt." Als wüst er nichts von allem, so that der listige Held.
487 Da sprach die Königstochter: "Wie konnte das geschehn, Daß ihr nicht die Spiele, Herr Siegfried, habt gesehn, Worin hier Sieg errungen hat König Gunthers Hand?" Zur Antwort gab ihr Hagen aus der Burgunden Land.
488 Er sprach: "Da habt ihr, Königin, uns betrübt den Muth: Da war bei dem Schiffe Siegfried der Degen gut, Als der Vogt vom Rheine das Spiel euch abgewann; Drum ist es ihm unkundig," sprach da Gunthers Unterthan,
489 "Nun wohl mir dieser Märe," sprach Siegfried der Held, "Daß hier eure Hochfahrt also ward gefällt, Und Jemand lebt, der euer Meister möge sein. Nun sollt ihr, edle Jungfrau, uns hinnen folgen an den Rhein."
490 Da sprach die Wohlgethane: "Das mag noch nicht geschehn. Erst frag ich meine Vettern und Die in meinem Lehn. Ich darf ja nicht so leichthin räumen dieß mein Land: Meine höchsten Freunde die werden erst noch besandt."
491 Da ließ sie ihre Boten nach allen Seiten gehn: Sie besandte ihre Freunde und Die in ihrem Lehn, Daß sie zum Isensteine kämen unverwandt; Einem jeden ließ sie geben reiches, herrliches Gewand.
492 Da ritten alle Tage Beides, spat und fruh, Der Veste Brunhildens die Recken scharweis zu. "Nun ja doch," sprach da Hagen, "was haben wir gethan! Wir erwarten uns zum Schaden hier Die Brunhild unterthan."
493 "Wenn sie mit ihren Kräften kommen in dieß Land, Der Königin Gedanken die sind uns unbekannt: Wie, wenn sie uns zürnte? so wären wir verloren, Und wär das edle Mägdlein uns zu großen Sorgen geboren!"
494 Da sprach der starke Siegfried: "Dem will ich widerstehn. Was euch da Sorge schaffet, das laß ich nicht geschehn. Ich will euch Hülfe bringen her in dieses Land Durch auserwählte Degen: die sind euch noch unbekannt.
495 "Ihr sollt nach mir nicht fragen, ich will von hinnen fahren; Gott möge eure Ehre derweil wohl bewahren. Ich komme bald zurücke und bring euch tausend Mann Der allerbesten Degen, deren Jemand Kunde gewann."
496 "So bleibt nur nicht zu lange," der König sprach da so, "Wir sind eurer Hülfe nicht unbillig froh." Er sprach: "Ich komme wieder gewiss in wenig Tagen. Ihr hättet mich versendet, sollt ihr der Königin sagen."

Abenteuer 8

Wie Siegfried nach den Nibelungen fuhr

497 Von dannen gieng da Siegfried zum Hafen an den Strand In seiner Tarnkappe, wo er ein Schifflein fand. Darin stand verborgen König Siegmunds Kind: Er führt’ es bald von dannen, als ob es wehte der Wind.
498 Den Steuermann sah Niemand, wie schnell das Schifflein floß Von Siegfriedens Kräften, die waren also groß. Da wähnten sie, es trieb es ein eigner starker Wind: Nein, es führt’ es Siegfried, der schönen Sieglinde Kind.
499 Nach des Tags Verlaufe und in der einen Nacht Kam er zu einem Lande von gewaltger Macht: Es war wohl hundert Rasten und noch darüber lang, Das Land der Nibelungen, wo er den großen Schatz errang.
500 Der Held fuhr alleine nach einem Werder breit: Sein Schiff band er feste, der Ritter allbereit. Er fand auf einem Berge eine Burg gelegen Und suchte Herberge, wie die Wegemüden pflegen.
501 Da kam er vor die Pforte, die ihm verschloßen stand: Sie bewachten ihre Ehre, wie Sitte noch im Land. Ans Thor begann zu klopfen der unbekannte Mann: Das wurde wohl behütet; da traf er innerhalben an
502 Einen Ungefügen, der da der Wache pflag, Bei dem zu allen Zeiten sein Gewaffen lag. Der sprach: "Wer pocht so heftig da draußen an das Thor?" Da wandelte die Stimme der kühne Siegfried davor
503 Und sprach: "Ich bin ein Recke: thut mir auf alsbald, Sonst erzürn ich Etlichen hier außen mit Gewalt, Der gern in Ruhe läge und hätte sein Gemach." Das verdroß den Pförtner, als da Siegfried also sprach.
504 Der kühne Riese hatte die Rüstung angethan, Den Helm aufs Haupt gehoben, der gewaltge Mann: Den Schild alsbald ergriffen und schwang nun auf das Thor. Wie lief er Siegfrieden da so grimmig an davor!
505 Wie er zu wecken wage so manchen kühnen Mann? Da wurden schnelle Schläge von seiner Hand gethan. Der edle Fremdling schirmte sich vor manchem Schlag; Da hieb ihm der Pförtner in Stücke seines Schilds Beschlag
506 Mit einer Eisenstange: so litt der Degen Noth. Schier begann zu fürchten der Held den grimmen Tod, Als der Thürhüter so mächtig auf ihn schlug. Dafür war ihm gewogen sein Herre Siegfried genug.
507 Sie stritten so gewaltig, die Burg gab Widerhalclass="underline" Man hörte fern das Tosen in König Niblungs Saal. Doch zwang er den Pförtner zuletzt, daß er ihn band; Kund ward diese Märe in allem Nibelungenland.
508 Das Streiten hatte ferne gehört durch den Berg Alberich der kühne, ein wildes Gezwerg. Er waffnete sich balde und lief hin, wo er fand Diesen edeln Fremdling, als er den Riesen eben band.
509 Alberich war muthig, dazu auch stark genug. Helm und Panzerringe er am Leibe trug Und eine schwere Geisel von Gold an seiner Hand. Da lief er hin geschwinde, wo er Siegfrieden fand.
510 Sieben schwere Knöpfe hiengen vorn daran, Womit er vor der Linken den Schild dem kühnen Mann So bitterlich zergerbte, in Splitter gieng er fast. In Sorgen um sein Leben gerieth der herrliche Gast.
511 Den Schild er ganz zerbrochen seiner Hand entschwang: Da stieß er in die Scheide eine Waffe, die war lang. Seinen Kammerwärter wollt er nicht schlagen todt: Er schonte seiner Leute, wie ihm die Treue gebot.
512 Mit den starken Händen Albrichen lief er an, Und erfaßte bei dem Barte den altgreisen Mann. Den zuckt’ er ungefüge: der Zwerg schrie auf vor Schmerz. Des jungen Helden Züchtigung gieng Alberichen ans Herz.
513 Laut rief der Kühne: "Nun laßt mir das Leben: Und hätt ich einem Helden mich nicht schon ergeben, Dem ich schwören muste, ich war ihm unterthan, Ich dient euch, bis ich stürbe," so sprach der listige Mann.
514 Er band auch Alberichen wie den Riesen eh: Siegfriedens Kräfte thaten ihm gar weh. Der Zwerg begann zu fragen: "Wie seid ihr genannt?" Er sprach: "Ich heiße Siegfried: ich wähnt, ich wäre euch bekannt."
515 "So wohl mir diese Kunde," sprach da Alberich, "An euern Heldenwerken spürt ich nun sicherlich, Daß ihrs wohl verdientet, des Landes Herr zu sein. Ich thu, was ihr gebietet, laßt ihr nur mich gedeihn."
516 Da sprach der Degen Siegfried: "So macht euch auf geschwind Und bringt mir her der Besten, die in der Veste sind, Tausend Nibelungen; die will ich vor mir sehn. So laß ich euch kein Leides an euerm Leben geschehn."
517 Albrichen und den Riesen löst’ er von dem Band. Hin lief der Zwerg geschwinde, wo er die Recken fand. Sorglich erweckt’ er Die in Niblungs Lehn Und sprach: "Wohlauf, ihr Helden, ihr sollt zu Siegfrieden gehn."
518 Sie sprangen von den Betten und waren gleich bereit: Tausend schnelle Ritter standen im Eisenkleid. Er brachte sie zur Stelle, wo er Siegfried fand: Der grüßte schön die Degen und gab Manchem die Hand.
519 Viel Kerzen ließ man zünden; man schenkt’ ihm lautern Trank. Daß sie so bald gekommen, des sagt’ er Allen Dank. Er sprach: "Ihr sollt von hinnen mir folgen über Flut." Dazu fand er willig diese Helden kühn und gut.
520 Wohl dreißig hundert Recken kamen ungezählt: Von denen wurden tausend der besten auserwählt, Man brachte ihre Helme und ander Rüstgewand, Da er sie führen wollte hin zu Brunhildens Land.
521 Er sprach: "Ihr guten Ritter, Eins laßt euch sagen: Ihr sollt reiche Kleider dort am Hofe tragen, Denn uns wird da schauen manch minnigliches Weib: Darum sollt ihr zieren mit guten Kleidern den Leib."
522 Nun möchten mich die Thoren vielleicht der Lüge zeihn: Wie konnten so viel Ritter wohl beisammen sein? Wo nähmen sie die Speise? Wo nähmen sie Gewand? Und besäß er dreißig Lande, er brächt es nimmer zu Stand.
523 Ihr habt doch wol vernommen, Siegfried war gar reich. Sein war der Nibelungenhort, dazu das Königreich. Drum gab er seinen Degen völliglich genug; Es ward ja doch nicht minder, wie viel man von dem Schatze trug.
524 Eines frühen Morgens begannen sie die Fahrt: Was schneller Mannen hatte da Siegfried sich geschart! Sie führten gute Rosse und herrlich Gewand: Sie kamen stolz gezogen hin zu Brunhildens Land.
525 Da stand in den Zinnen manch minnigliches Kind. Da sprach die Königstochter: "Weiß Jemand, wer die sind, Die ich dort fließen sehe so fern auf der See? Sie führen reiche Segel, die sind noch weißer als der Schnee."
526 Da sprach der Vogt vom Rheine: "Es ist mein Heergeleit, Das ich auf der Reise verließ von hier nicht weit: Ich habe sie besendet: nun sind sie, Frau, gekommen." Der herrlichen Gäste ward mit Züchten wahrgenommen.
527 Da sah man Siegfrieden im Schiffe stehn voran In herrlichem Gewande mit manchem andern Mann. Da sprach die Königstochter: "Herr König, wollt mir sagen: Soll ich die Gäste grüßen oder ihnen Gruß versagen?"
528 Er sprach: "Ihr sollt entgegen ihnen vor den Pallas gehn, Ob ihr sie gerne sehet, daß sie das wohl verstehn." Da that die Königstochter, wie ihr der König rieth; Siegfrieden mit dem Gruße sie von den Andern unterschied.
529 Herberge gab man ihnen und wahrt’ ihr Gewand. Da waren so viel Gäste gekommen in das Land, Daß sie sich allenthalben drängten mit den Scharen: Da wollten heim die Kühnen zu den Burgunden fahren.
530 Da sprach die Königstochter: "Dem blieb ich immer hold, Der zu vertheilen wüste mein Silber und mein Gold Meinen Gästen und des Königs, des ich so viel gewann." Zur Antwort gab ihr Dankwart, des kühnen Geiselher Mann:
531 "Viel edle Königstochter, laßt mich der Schlüßel pflegen; Ich will es so vertheilen," sprach der kühne Degen, "Wenn ich mir Schand erwerbe, die treffe mich allein." Daß er milde wäre, das leuchtete da wohl ein.