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»Auf welche Weise?«

»Indem ich ihn in seinem Stolz treffe.«

»Ich wette, der schmerzt bereits in Ware ganz schön.«

»Wartet, bis er Grantham erreicht. Ich spiele ihm einen Streich, der ihn wünschen lassen wird, er wäre zu Hause in Shoreditch bei seiner keifenden Alten geblieben.« Er stellte sein Glas zurück. »Nun, Sir, welches ist seine beste Rolle?«

»Vincentio?« riet der andere.

»Ein billiges Stück, das nur drei mäßige Reden enthält.«

»Dann ist es Hektor. Master Firethorn brüstet sich immerzu mit seiner überragenden Tüchtigkeit in ›Hektor von Troja‹. Die Rolle paßt zu ihm.«

»In diesem Jahre hat er sie noch nicht gespielt.«

»Dann müssen wir an seine Lieblingsrolle ran.«

»Und das wäre? Ihr kennt ihn doch.«

»Pompeius!«

»Genau der!«

»Das Stück wurde immer und immer wieder aufgeführt.«

»Es stammt von Edmund Hoode, glaube ich.«

»Ja, Sir. Es heißt ›Pompeius der Große‹.«

»Dann werden ich dem Stück den Stempel meiner Größe aufdrücken.«

»Wir führen es in Grantham auf.«

»Hervorragend, Sir. Lawrence Firethorns guter Ruf wird unter ihm zu Staub zerfallen. Ich mache die Rolle zu meiner eigenen und werde Westfield's Men in den Morast stoßen. Diese Tournee wird mich voll und ganz entschädigen.« 

Giles Randolph ließ mehr Wein auftischen.

Er schmeckte süßer als je zuvor.

4. KAPITEL

Marmion Hall war eine optische Illusion. Weil das Gebäude in einer Bodensenke lag und von einem Halbkreis aus Bäumen umgeben war, wirkte es kleiner als in Wirklichkeit. Hinter der bescheidenen Fassade war es bemerkenswert geräumig, denn der Hauptteil des Hauses war weit ausladend, und es gab einen großen Flügelanbau, der hinter einem Platanendickicht verborgen lag. Vor etwa zehn Jahren hatte ein Feuer am rückwärtigen Teil des Hauses erheblichen Schaden angerichtet, langwierige Reparaturarbeiten waren erforderlich gewesen. Sir Clarence Marmion nutzte diese Gelegenheit, um einige bauliche Veränderungen vornehmen zu lassen, die jedoch nicht auf den ersten Blick erkennbar waren. Wie sein Besitzer, so umgab auch Marmion Hall sich mit einer gewissen Verschwiegenheit.

Der Sonntagnachmittag fand Sir Clarence im Speisesaal, wo er am Kopfende eines glänzenden Eichentisches saß und die Bibel studierte. Er war in gedeckten Farben gekleidet und zeigte höchste Konzentration. Er hatte sich seinen geistlichen Bedürfnissen gewidmet und schloß gedankenverloren die Augen.

Es klopfte an die Tür, ein Diener betrat den Saal.

»Was gibt es?«

»Die Gäste sind eingetroffen, Sir Clarence.«

»Alle?«

»Jawohl, Sir Clarence.«

»Wieviel Uhr ist es?«

»Genau vier Uhr.«

»Danke.«

Eine abschließende Handbewegung, der Diener verließ den Saal. Sir Clarence hob die Augen und las erneut den Abschnitt, den er studiert hatte. Dann schloß er das Buch vorsichtig, klemmte es sich unter den Arm und verließ den Saal. Er fühlte sich jetzt gut vorbereitet für das, was vor ihm lag.

Die Halle war ein großes Rechteck, drei Seiten waren mit Eichenholz getäfelt, die vierte Wand von einer Reihe hoher Fenster mit Bleiverglasung durchbrochen. Goldgerahmte Spiegel und Familienporträts unterbrachen die monotone Fläche. Die geschwungene Decke vermittelte den Eindruck von Eleganz. Die Möbel waren aus feinster Eiche und geschmackvoll arrangiert. Der große, gemauerte Feuerplatz am entfernten Ende der Halle hatte eine eiserne Kaminumrandung, die das Wappen der Marmions zeigte. Eiserne Feuerböcke neben dem Kamin trugen hohe Holzstapel.

Als Sir Clarence die Halle betrat, warteten seine Besucher bereits, die gemurmelten Gespräche verstummten auf der Stelle. Er betrachtete sie alle mit einer Mischung aus Stolz und Mitleid, dann breitete er in einem Willkommensgruß beide Arme aus. Die ganze Familie trat heran, um ihn zu begrüßen, mit jedem wechselte er ein paar freundliche Worte. Dann kam der Augenblick, in dem ihm das Baby in den Arm gelegt wurde. Es war ein Junge, kaum drei Monate alt, jedoch schon kräftig und lebhaft, und er schüttelte seine kleinen Fäuste mit dem typischen Trotz der Marmions gegen die Welt. Er strampelte in seinem weißen, spitzenbesetzten Kleidchen herum, als habe er wichtige Dinge zu erledigen.

Sir Clarence hob das Baby hoch und gab ihm einen Kuß auf die Stirn, was ihm beinahe einen Nasenstüber für seine Kühnheit eingetragen hätte. Mit einem sanften, nur angedeuteten Lächeln reichte er sein erstes Enkelkind seiner Schwiegertochter zurück, dann trat er vor das letzte Bild der Porträtgalerie. Es war das Bild seines Vaters, der mit gestrengem Gesichtsausdruck aus dem Rahmen auf sie herabschaute und alle Charakterzüge zeigte, die man mit einem Herrscherhaus verbindet. Es war außerordentlich bedauerlich, daß er nicht mehr lebte, um an Familienfeierlichkeiten teilzunehmen.

»Gib uns deinen Segen, Vater«, sagte Sir Clarence.

Dann streckte er die Hand aus und tastete hinter der unteren Ecke des Rahmens. Man hörte ein Klicken, eine enge Tür öffnete sich auf geölten Scharnieren in der Wandtäfelung. Man konnte einen schmalen Durchgang erkennen. Steinerne Stufen führten hinab.

Sir Clarence deutete auf seinen kleinen Enkelsohn.

»Laßt ihn uns den Weg vorangehen.«

Auf dem Arm seiner Mutter wurde das Kind durch die Tür und die Stufen hinabgetragen. Kerzenlicht erhellte den Gang. Der Rest der Familie folgte dem Kind, am Ende schritt das Familienoberhaupt. Als er durch die Tür ging, zog Sir Clarence sie hinter sich zu, sie schloß sich mit einem Klicken. Ein Geruch von Weihrauch erfüllte die Luft. Er folgte der Treppe und einem feuchtkalten, unterirdischen Gang bis zu einem Raum, in dem die anderen sich bereits versammelt hatten.

Es war eine Kapelle. Sir Clarence hatte den Befehl zum Bau gegeben, sie war ihm immer wieder eine Quelle des Trostes und der Freude. Obwohl sie klein, kalt und notwendigerweise geheim war, wirkte sie für ihn so erhebend wie das Münster von York, Auch jetzt ließ er wieder ihren Eindruck auf sich wirken. Die anderen nahmen ihre Plätze in den Bänken ein und knieten nieder, um ihrem Schöpfer zu danken. Auch Sir Clarence kniete zwischen seiner Frau und seinem Enkelsohn und bekreuzigte sich.

Der Altar war von Kerzen beleuchtet. In seiner Mitte stand ein großes, goldenes Kruzifix, das im Schein der Kerzen funkelte, als ob es brenne. Als die kleine Versammlung aufblickte, waren ihre Augen von dem Schauspiel wie gebannt. Neben dem Altar öffnete sich eine Stahltür, eine Gestalt in den Gewändern eines katholischen Priesters betrat die Kapelle. Sofort erhoben sich alle Anwesenden, um ihren Respekt zu bekunden. Der Priester begab sich schweigend neben das steinerne Taufbecken und betrachtete das Kind mit gütigen Augen. Seine ruhige und zuversichtliche Haltung ließ niemand auch nur ahnen, daß er im Begriff stand, ein abscheuliches Verbrechen zu begehen.

Robert Rawlins begann mit der Taufe.

*

»Wirklich, Ihr tut ihm Unrecht, solche Dinge über ihn zu sagen.«

»Ich muß dem Wort Gottes gehorchen.«

»Aber es war Gott, der Euch in heiliger Ehe verband.«

»Jetzt hat er andere Aufgaben für mich, Sir.«

»Euer Ehemann ist schmerzlich getroffen.«

»Jeder muß im Dienste Gottes leiden.«

Miles Melhuish schüttelte verzweifelt den Kopf. Er stand in seiner Sakristei neben Eleanor Budden, weil er es für klug hielt, auf den Beinen zu sein, um fliehen zu können, falls das nötig sein sollte. Man konnte nicht vorsichtig genug sein. Die Frau wirkte jetzt ruhig auf ihn, doch er hatte den überwältigenden Ausbruch von Leidenschaft noch nicht vergessen, derer sie fähig war, und er tat alles, um einen erneuten Anfall zu vermeiden, während sie sich allein auf geheiligtem Grund und Boden befanden.

Er trat hinter den Stuhl, auf dem sie saß.