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»Einen schönen guten Tag, Master Bracewell!«

»Euch desgleichen, Christopher.«

»Wir wollen nur hoffen, daß er bessere Früchte trägt als der gestrige.«

»Ich bin sicher, das wird er.«

»Wo werden wir heute Station machen?«

»In Royston, mit Gottes Hilfe.«

»Royston…«

Der Ortsname ließ einen Gedanken in seinem Kopf lebendig werden. Zwei Tage Fußmarsch hatten nichts von Christopher Millfields Elan gedämpft. Er wirkte schlank und gepflegt in Rock und Hose. Nicholas, der nur ein altes Hemd und sein Lederwams trug, fühlte sich im Vergleich mit ihm derangiert. Er hatte den jungen Schauspieler eigentlich nie so recht gemocht, führte das aber auf die gezwungen wirkende Freundlichkeit des anderen zurück.

Christopher Millfield setzte sein lässiges Grinsen auf.

»Darf ich es wagen, einen Vorschlag zu machen?«

»Bitte, redet, Sir.«

»Falls wir auch in Royston kein Publikum finden, wie es ja bereits in Ware der Fall war, könnte es trotzdem noch eine Aufführung für uns geben.«

»Wo sollte das sein?«

»In Pomeroy Manor.«

»Kennt Ihr das Haus?«

»Nur vom Hörensagen«, sagte Millfield leichthin. »Es liegt auf dem Landbesitz eines gewissen Neville Pomeroy, ein Mann bester Herkunft und Kultur, dem Theater durchaus freundlich gesinnt, der uns vermutlich anders begrüßen wird als die Leute in Ware.«

Nicholas nickte dankend. Der Name Pomeroy kam ihm irgendwie bekannt vor. Er hatte ihn einmal bei Lord Westfield gehört, und zwar in lobendem Zusammenhang, was bei ihrem Schirmherrn eine Seltenheit war. Ein hiesiger Grundbesitzer mit Freude an guter Unterhaltung würde bestimmt in der Lage sein, seine größte Halle mit Zuschauern für sie zu füllen.

»Wo ist das Haus?« fragte er.

»In Richtung Meldreth. In der Nähe unserer Route.«

»In welcher Richtung?«

»Richtung Cambridge.«

Es lohnte sich, darüber nachzudenken. Wenn Banbury's Men es darauf anlegten, ihnen in die Quere zu kommen, konnte es gut sein, daß ihnen Royston verschlossen war. In Pomeroy Manor konnte Giles Randolph ihnen ihre Chance nicht vereiteln. Vielleicht war er doch noch zu bezwingen.

Christopher Millfield stand da und stemmte die Arme in die Seiten.

»Warum mögt Ihr mich nicht, Master Bracewell?«

»Habe ich so etwas gesagt?«

»Das lese ich aus Eurem Verhalten.«

»Ihr irrt Euch. Ich mag Euch durchaus.«

»Aber nicht so sehr wie Gabriel Hawkes.«

»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.«

»Mastor Gill denkt anders darüber. Er sagte mir, Ihr hättet Gabriels Namen dem meinen vorgezogen.«

»Das kann ich nicht abstreiten.«

»Darf ich fragen, aus welchem Grund?«

»Ich hielt ihn für den besseren Schauspieler.«

Millfield krümmte sich. »Da irrt Ihr Euch, Sir.«

»Ich kann nur meine wahre Überzeugung wiederholen.«

»Das kann sich schon bald ändern«, sagte der andere mit einem Anflug von Stolz. »Aber war das der einzige Grund, aus dem Ihr ihn vorgezogen habt? Daß Ihr ihn für besser gehalten habt?«

»Nein, Christopher.«

»Was denn sonst?«

»Ich empfand ihn als den ehrlicheren Menschen.«

Nicholas gab ihm eine klare Antwort, die überhaupt nicht nach Millfields Geschmack war. Er warf dem Regisseur einen feindseligen Blick zu, doch dann setzte er ein unbekümmertes Lächeln auf.

»Das hat alles nichts zu bedeuten.«

»Wieso das?«

»Gabriel ist jetzt im Himmel. Jetzt stehe ich an seiner Stelle.«

»Habt Ihr für die Toten keinen Respekt übrig?«

»Er war mein Rivale. Ich trauere nicht um ihn.«

»Obwohl er umgebracht wurde?«

Für eine Sekunde war Christopher Millfield verblüfft, doch dann gewann seine lässige Haltung sofort wieder die Oberhand. Nicholas, der nicht in der Lage war, einzuschätzen, ob die Reaktion des anderen auf Schuld oder Überraschung basierte, beschloß, der Sache auf den Grund zu gehen.

»Ist Euch der Tod dieses Mannes nicht sehr plötzlich vorgekommen?«

»Er war von der Pest angesteckt.«

»Die bringt normalerweise ihre Opfer nicht so rasch um.«

»Ich habe Leute gesehen, die innerhalb eines einzigen Tages dahinschwanden.«

»Ja, die Alten oder die Schwachen«, sagte Nicholas. »Die Jungen und Starken können ein paar Tage lang kämpfen.«

»Was wollt Ihr damit sagen, Master Bracewell?«

»Bis zu dem Tag, an dem er das Fieber bekam, war Gabriel ein gesunder junger Mann in den besten Jahren. Der wäre niemals so rasch am Ende gewesen.«

»Was schließt Ihr daraus?«

»Jemand hat dabei nachgeholfen.«

»Habt Ihr dafür Beweise?«

»Ich habe das sehr starke Gefühl.«

»Ist das alles?« fragte Millfield mit einem Grinsen. »Ihr werdet mehr als das brauchen, um eine Anzeige daraus zu machen. Außerdem, was soll das Ganze jetzt noch? Gabriel war vom Tode gezeichnet. Wenn ihn jemand tatsächlich umgebracht hat, dann hat er ihm nur einen Gefallen getan, indem er ihm den Todeskampf erspart hat.«

»Ihr nehmt das zu sehr auf die leichte Schulter, Christopher.«

»Es sind nur müßige Gedanken.«

»Wenn ein guter Mann umgebracht wird?«                       

»Von wem?« forderte der andere ihn heraus.

»Von jemand, der Vorteile durch den schnellen Tod hatte.«

Millficld erwiderte seinen forschenden Blick, ohne mit der Wimper zu zucken.

*

Royston war nicht mehr als ein verherrlichtes Nest mit einer Handvoll strohgedeckter Hütten, die sich wie ängstliche Küken um die Kirche drängten. Westfield's Men waren auch hier wieder zu spät gekommen. Ihre Mitbewerber hatten im Hof des Barley Mow vor einem Publikum gespielt, das aus den Dörfern der ganzen Umgebung herbeigeströmt war. Was aber Lawrence Firethorn an den Rand einer Explosion brachte, war die Tatsache, daß Banbury's Men schon wieder ein Stück aus seinem Repertoire gegeben hatten. »Die beiden Mädchen aus Milchester«, wieder so ein Stück, das für ein einfaches Publikum geeignet war. Sie vergifteten die Brunnen, aus denen Westfield's Men tranken.

Nachdem er jeden in seiner Nähe mit den übelsten Ausdrücken beleidigt hatte, zog sich der Erste Schauspieler mit seiner Gruppe auf ein Feld in der Nähe zurück, um seine nächsten Schritte zu überlegen. Nicholas Bracewell brachte Christopher Millfields Idee vor, die auch rasch Anklang fand. Bevor sie sich zu einem möglichen anderen Spielort weiterkämpften, hielten sie es für richtig, sich etwas mehr in der Nähe umzusehen. Pomeroy Manor klang nach einer interessanten Möglichkeit; Firethorn erwärmte sich für den Gedanken.

»Master Pomeroy ist kein Unbekannter für mich«, sagte er mit seiner lässigen Arroganz. »Lord Westfield stellte ihn mir nach einer meiner Aufführungen in The Rose vor. Er weiß meine Fähigkeiten einzuschätzen.«

»Wer täte das nicht?« fragte Nicholas.

»Ware tut das nicht! Royston - zum Teufel damit — tut es nicht!«

»Zu ihrer eignen ewigen Schande, Master.«

»Ich würde vor diesen Flachköpfen nicht spielen, und wenn man mir das Geld eines Königs böte. Gaumen, die durch den Geschmack eines Giles Randolph abgestumpft wurden, wären niemals in der Lage, den exquisiten Geschmack meiner Kunst zu erkennen. Es gibt noch eine andere Welt irgendwo anders.«

»Soll ich nach Pomeroy Manor reiten?«

»Auf dem schnellsten Weg, Nick«, sagte Firethorn. der eine Chance witterte, doch noch zu einer Aufführung zu kommen. »Nehmt Master Millfield mit. Er kennt den Weg und kann Euch Gesellschaft leisten.«

Nicholas hätte sich wohl einen anderen Begleiter gewünscht, aber er hatte keine Wahl. Edmund Hoode war sofort bereit, dem Regisseur sein Pferd zu leihen, und - was noch überraschender war - Barnaby Gill gab Millfield sein Pferd und erweckte den Eindruck einer gewissen Willfährigkeit. Es war eine Geste, an die Nicholas sich später noch erinnern sollte.