Выбрать главу

Die Kämpfer suchten Zuflucht bei ihren Weinbechern. Hoode war erleichtert, daß es ihm gelungen war, den Streit beizulegen, bevor es so schlimm wurde, daß Gill Firethorn der ungezügelten Tyrannei bezichtigte und seinerseits schiere Verachtung zu spüren bekam, weil er eine Vorliebe für Knaben mit hübschem Gesicht und schlankem Körper hatte. Eine ungemütliche Stille hing über den drei Männern. Hoode unterbrach sie.

»Ich halt' das nicht durch, in der Provinz herumzuziehen.«

»Bettler können keine Ansprüche stellen«, warf Gill ein.

»In meinem Fall können sie es. Ich würde eher in London bleiben und die Pest riskieren, als hinter dem Theaterkarren durch halb England zu laufen. Darin sehe ich keinerlei Gewinn.«

»Noch viel weniger davon in der Stadt«, sagte Firethorn. »Wovon wollt Ihr leben, wenn Ihr Euren Beruf verliert? Ihr seid vielleicht ein Zauberer der Worte, Edmund, aber auch Ihr könnt kein Geld aus der Luft pflücken.«

»Ich kann meine Gedichte verkaufen.«

»Eure Armut ist todsicher«, sagte Gill maliziös.

»Es gibt genug, die sie kaufen werden.«

»Und noch mehr, die sich nicht darum scheren.«

Lawrence Firethorn gluckste verständnisvoll.

»Ich sehe die Wahrheit dahinter, Edmund. Es gibt nur einen Grund, der Euch dazu bringen könnte, hierzubleiben und das Elend des Hungers kennenzulernen. Mann, Ihr habt Euch verliebt!«

»Schluß mit diesen Sticheleien.«'

»Seht Ihr, wie er rot wird, Barnaby?«

»Ihr habt ins Schwarze getroffen, Lawrence.«

»Er verschmäht seine Kollegen, damit er sich ins gemachte Bett legen kann. Während wir auf der Suche nach Geld auf der Straße liegen, arbeitet er im Bett wie ein lüsterner Bräutigam.« Firethorn gab seinem Kollegen einen scherzhaften Stoß. »Wer ist das schöne Wesen, Edmund? Wenn sie Euch von Eurer Arbeit weglocken kann, muß sie ja unvergleichliche Vorzüge besitzen. Sagt es uns, lieber Freund. Wie ist ihr Name?«

Hoode zuckte wegwerfend mit den Schultern. Er hatte gelernt, bei Liebesdingen Lawrence Firethorn keinerlei Vertrauen zu schenken, und schon gar nicht Barnaby Gill. Der eine war ein notorischer Ehebrecher, der das unschuldigste Mädchen verführen konnte, und der andere hatte für das gesamte weibliche Geschlecht nichts als schiere Verachtung übrig. Edmund  Hoode hielt sich an seine eigenen Vorstellungen. Er war groß und schlank, ein bleicher, glattrasierter Mann in den Dreißigern, Schauspieler und Stückeschreiber bei der Gesellschaft, dem es irgendwie gelungen war, die verrohenden Aspekte eines solchen Berufes nicht an sich heranzulassen. Er war ein unbeirrbarer Romantiker, für den die Herzensschmerzen des Liebhabers eine höhere Form des Vergnügens darstellten, und er ließ sich nicht davon beeindrucken, daß seine Beziehungen so gut wie niemals an ihr Ziel gelangten. Seine frische Verliebtheit war ganz klar auf seinem Gesicht zu sehen; vor den spöttisch forschenden Blicken seiner Kollegen senkte er den Kopf.             

Lawrence Firethorn war da aus ganz anderem Holz, ein mittelgroßer Mann mit faßförmigem Brustkasten, ein Mensch, der Macht und Persönlichkeit ausstrahlte, und dessen gewelltes schwarzes Haar, sein Spitzbart und seine gefälligen Gesichtszüge eine direkte Herausforderung der Weiblichkeit darstellten. Gill war älter und kleiner, kräftig gebaut und ein verwöhnter Charakter. Außerhalb des Theaters war er ein mürrischer und ichbezogener Mann, auf der Bühne ein überragender Schauspieler, dessen verschmitztes Lächeln aus einem häßlichen Mann eine Figur mit starker Ausstrahlung machte.

Hoode war zwischen seiner Leidenschaft und seinen Stücken hin und her gerissen.

»Westfield's Men können gut ohne mich auskommen.«

»Aber gerne«, sagte Gill stichelnd.

»Ich könnte später auf der Reise zu Euch stoßen.«

»Nun kommt aber, Edmund«, sagte Firethorn und klopfte ihm auf die Schulter. »Kein Gerede mehr von Desertion. Ohne unseren Poeten, der uns die Worte in den Mund legt, sind wir wie dumme Idioten. Ihr reist mit uns, weil wir Euch lieben.«

»Mein Herz ist irgendwo anders.«

»Und weil wir Euch einfach brauchen, lieber Freund.«

»Geht doch einfach ohne mich.«

»Und weil Ihr einen Vertrag mit uns habt.«

Firethorns gezielte Erinnerung beendete das Gespräch. Als Teilhaber der Gesellschaft hatte Hoode gewisse rechtliche Pflichten. Seine Bewegungsfreiheit war eingeschränkt. Er zuckte zusammen, während eine weitere Liebesbeziehung bereits im Keim erstickte.

Lawrence versuchte, ihn zu trösten. 

»Mut, Mann!« drängte er. »Sitzt hier nicht wie ein liebeskranker Schäfer. Denkt mal daran, was vor Euch liegt. Ihr gebt eine Eroberung auf, um andere zu machen. Diese Landmädchen sind fürs Kopulieren geschaffen. Laßt Euch gehen. Ihr könnt Euch quer durch sieben Grafschaften bumsen, bis Euer Schwanz blau wird und ›Schluß damit!‹ schreit. Nehmt Euch zusammen, Edmund.« Firethorn gab ihm einen Klaps auf die Schulter. »Westfield's Men werden nicht aus London weggejagt. Wir reisen ins Paradies!«

»Und wer soll die Schlange darstellen?« fragte Gill.

*

Nicholas Bracewell stand an seinem angestammten Platz hinter der Bühne und überwachte die Aufführung mit seiner typischen stillen Autorität. Als Regisseur der Gruppe spielte er eine besonders wichtige Rolle, soufflierte und inszenierte jedes Stück, das zur Aufführung kam, überwachte die Proben und half bei tausenderlei Dingen, die zu tun waren.

Er war ein großer, stattlicher, kräftig gebauter Mann mit einer Gesichtsfarbe wie wettergegerbte Eiche, mit langem blondem Haar und einem Wikingerbart. Trotz seiner eindrucksvollen Gestalt konnte er sich während einer Aufführung vollkommen unsichtbar machen, eine schattenhafte Präsenz von entscheidender Bedeutung, ein Drahtzieher wie ein meisterlicher Puppenspieler.

An diesem Nachmittag wurde dem Publikum im Innenhof des Queen's Head »Der beständige Liebhaber« geboten, eine liebenswerte Komödie über die Schwierigkeiten der Treue. Das Stück war sehr beliebt, Westfield's Men hatten es bereits mehrfach aufgeführt.

»Und jetzt, Master Bracewell?«

»Den silbernen Kelch, George.«

»Auf den Tisch?«

»Reicht ihn dem König.«

»Wann soll der Tisch gedeckt werden?«

»Für die nächste Szene.«

»Wieder der silberne Kelch?«

»Den goldenen Pokal.«

George Dart war normalerweise nicht so nervös. Er war Hilfsbühnenarbeiter und wurde gelegentlich in eine Rolle als stummer Komparse gepreßt. Seine Aufgaben im »Beständigen Liebhaber« waren einfach und anspruchslos, trotzdem war er bereits vor dem Ende des 1. Aktes mit den Nerven fertig. Dafür konnte man durchaus Verständnis haben. Alle in der Gruppe wußten, daß dies für lange Zeit ihre letzte Vorstellung in London sein konnte, für manche war es sogar der letzte Auftritt auf einer Bühne. Eine Tournee der Gruppe verlangte Sparsamkeit. Ihr Umfang mußte reduziert werden, ebenso die Wochenlöhne. Von den Teilhabern würden alle an der Gastspielreise teilnehmen, aber bei den angestellten Mitarbeitern mußte man eine sorgfältige Auswahl treffen.

George Dart gehörte dazu.

Wie seine Kollegen war er beinahe hysterisch vor Angst, entlassen zu werden, denn er wußte nur zu gut, daß die Entlassenen am Ende ihres Weges angekommen waren. Aus diesem Grund spielte er seine winzige Rolle im »Beständigen Liebhaber« mit verwirrter , Eindringlichkeit, voller Sorge über das, was ihm bevorstand, doch gleichzeitig bemüht, sein Bestes zu geben.

Nicholas Bracewell besänftigte mal wieder die allgemeine Panik und nahm Rücksicht auf sie. Einige der Schauspieler da draußen auf der Bühne kämpften im wahrsten Sinne des Wortes um ihr Leben. Im übergroßen Bemühen, ihre Sache gut zu machen, beeinträchtigten sie oft genug ihre Chancen. Nicholas hatte für jeden einzelnen von ihnen große Sympathie, doch in erster Linie fühlte er sich seinem Publikum verpflichtet und konzentrierte sich darauf, das Stück so gut und so glatt wie möglich über die Bühne zu bringen. Das bedeutete, daß er bei mehreren Auseinandersetzungen schlichten mußte.