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Dies alles war Giles Randolph durchaus bewußt.

»Wirklich ein gut geschriebenes Stück«, sagte er voller Neid.

»Master Hoode ist ein guter Dichter.«

»Die Schlußrede hätte einen Stein erweichen können.«

»Bei solchen Szenen kann ihn niemand übertreffen.«

»Da habt Ihr recht, Sir«, sagte Randolph. »Schluß mit dem Geschreibsel von lehrlingshaften Dichterlingen! Gebt mir Männer, die wirklich schreiben können. Wir haben selber gute Stücke, aber keines, das sich mit der Wirkung des ›Pompeius‹ vergleichen lassen könnte. Dieses Geständnis ist sehr schmerzhaft für mich, doch ich würde mir wirklich wünschen, daß dieser Master Hoode seine Stücke für Banbury's Men schriebe.«

»Das tut er, Master, das tut er.«

Giles Randolph lachte zustimmend.

»Wenn er Grantham erreicht, erlebt er eine Überraschung.«

»Und hebt ein Geschrei an, als sei er unter die Räuber gefallen.«

»Und Master Firethorn schreit ›Mord!‹ in seinem Echo.« Sein Ton wurde geschäftsmäßig. »Wir müssen einen gewissen Vorsprung halten. Es wäre nicht gut, wenn Westfield's Men uns überholten. Wenn das passiert, kommt es zu einem Zusammenstoß.«

»Ich habe einen Trick, um sie zum völligen Stillstand zu bringen.«

»Sprecht, Master Scruton.«

»Kommt etwas näher.«

Giles Randolph beugte sich vor, damit er das Flüstern hören konnte. Ein Grinsen zog über sein dunkles Gesicht. Ihm gefiel die Idee so gut, daß er seinem Begleiter zum Dank ein paar Münzen über den Tisch zusteckte. Es war nur ein geringer Lohn für einen Mann, der sich als ein so guter Freund von Banbury's Men herausstellte.

Mark Scruton war ihre Rettung.

*

Die Nacht hatte Pomeroy Arms mit ihrem dunklen Mantel umhüllt. Mit dem sicheren Wissen, daß am nächsten Morgen ein Publikum auf sie wartete, probten Westfield's Men bis in den Abend hinein und hockten noch bis Mitternacht zusammen. Dann fielen sie ins Bett und überließen sich zufrieden ihren Träumen. Nicholas Bracewell teilte sich mit vier anderen Männern einen Raum am Ende des Gebäudes. Angenehme Gedanken an Anne Hendrik begleiteten seinen Schlaf, an denen er sich die ganze Nacht erfreut hätte, wenn ihn nicht irgend etwas gestört hätte. Er war sofort hellwach und sah sich mit blinzelnden Augen um. In der Dunkelheit konnte er nichts erkennen, er hörte lediglich das friedliche Schnarchen der anderen. Er lauschte sorgfältig, dann wurde ihm klar, was nicht stimmte.

Einer der Männer war verschwunden.

Das entfernte Geräusch von Schritten auf dem gepflasterten Hof ließ ihn aus dem Bett springen und zum Fenster hasten. Er konnte gerade noch die große Gestalt eines Mannes erkennen, der sich von dem Gasthaus entfernte. Nicholas starrte in die Finsternis hinaus. Der Mann erreichte eine Anhöhe, und seine Silhouette stand ein paar Sekunden vor dem Himmel. Das reichte. Der Regisseur erkannte das Profil und die Gangart.

Christopher Millfield rannte in die Nacht hinaus.

*

Auf ihrer Reise ins antike Rom improvisierten Westfield's Men mit großem Geschick. Bettücher wurden zu Togen, lange Schwerter zu kurzen Schwertern, Büsche wurden geplündert, um Lorbeerkränze abzugeben, und ein Schemel mit hohem Rücken aus dem Gasthof geholt, um als Thron zu dienen. Unter der Anleitung des Regisseurs verwandelten sich die Schauspieler in Zimmerleute und bauten einfache Bühnenbilder zusammen. Edmund Hoode arbeitete tüchtig mit Beitel, Hobel und Säge. »Tarquinius von Rom« war ein langes Stück mit großer Besetzung. Fände ihre Aufführung in einer Stadt von der Größe Bristols, Newcastles oder Exeters statt, hätten sie ohne Probleme Hilfskräfte als Statisten anheuern können, doch diese Möglichkeit gab es hier nicht. Das Stück mußte also der geringen Zahl von Mitwirkenden angepaßt werden, dennoch war es auch in der verkleinerten Besetzung ein starkes Drama. Nur vollblütiges Spielen und hektisches Doubeln konnten es über die Bühne bringen. Das war die Art von Herausforderung, die ihnen gefiel.

Lawrence Firethorn gab ihnen Herz und Hoffnung zurück.

»Laßt uns so spielen, daß das alte Gemäuer von Begeisterung widerhallt!«

Pomeroy Manor wurde zum Anziehungspunkt des einfachen Landadels. Die Leute kamen in Massen, um den ungewohnten Anblick eines Lucius Tarquinius Superbus zu genießen, des siebten und letzten Königs von Rom, und das in der Banketthalle eines Landhauses in Hertfordshire. Es war wie eine Offenbarung für sie. Auf einer Hilfsbühne, mit minimalen Bühnenbildern und Kostümen versetzten Westfield's Men ihr Publikum zweitausend Jahre in die Vergangenheit zurück.

Lawrence Firethorn riß sie zu wahrer Begeisterung hin mit seiner Darstellung des Tarquinius, der, trunken von Machtgier und ein Meister des Ränkespiels, Roms Macht und Reichtum an sich reißt, um sie zu seinem Nutzen auszubeuten.

Christopher Millfield war es, der das Stück zu Ende führte.

Tapfre Kämpfer haben Euer feiges Heer bezwungen, den Frieden unsrem leidgeprüften Land wieder errungen.

Verflucht seist Du, Tyrann, laß uns zufrieden, an diesem Tag des Siegs sei Ehre uns beschieden. Wenn Herrscher grausam uns den Tod auch senden, wird Freiheits Fahne siegreich doch den Tag beenden.

Neville Pomeroy riß es vom Sitz zum langanhaltenden Applaus für ein Stück, das gleichermaßen tiefbewegt und wunderbar unterhalten hatte. Westfield's Men wurden gefeiert. Das war eine Wohltat nach all ihren Rückschlägen. Als sie Pomeroy Manor verließen, hatten sie Geld in der Tasche und Triumph in der Brust. Ein sehr belebendes Gefühl.

Ihr Gastgeber überschüttete sie nochmals mit seinem Dank.

»Ihr könnt nicht ahnen, welche Freude Ihr uns gebracht habt.«

»Wir sind tief befriedigt«, sagte Firethorn mit der Stimme des Tarquinius. »Wir armen Wichte leben von der Nachsicht unserer Schirmherren. Pomeroy Manor war uns ein Quell großer Freude. Es wäre schön, wenn wir auch anderswo einen so herzlichen Empfang erlebten.«

»Den werdet Ihr gewiß bekommen, Sir.«

»Nicht in Ware oder Royston, fürchte ich.«

»Geht weiter nach Norden, dem sicheren Sieg entgegen.«

»Das ist auch unsere Absicht.«

»Ich habe meinen Teil dazu beigetragen«, sagte Pomeroy. »Als ich von Euren Plänen erfuhr, habe ich von London aus an meinen besten Freund geschrieben, um ihn von Eurer Ankunft zu unterrichten. Westfield's Men werden dort einen freundlichen Empfang bekommen.«

»Wir danken Euch für Eure Freundlichkeit, Sir. Wo liegt der Ort?«

»Es ist Marmion Hall.«

»In welcher Stadt?«

»Nahe bei York.«

Lawrence Firethorn mußte mal wieder den Kreuzritter spielen.

»York, sagt ihr? Wir kennen einen anderen Namen dafür.«

»Wie könnte der lauten?«

»Jerusalem!«

*

Der Keller lag tief unter dem Haus. Kein natürliches Licht drang hinein, an den dicken Mauern schlug sich die Feuchtigkeit nieder. Ein Geruch von Verzweiflung lag in der Luft. Der Mann war bis zum Gürtel nackt. Mit gespreizten Armen und Beinen lag er auf einem hölzernen Tisch, auf eine Weise gefesselt, die seine Qualen noch verstärkte. Stricke schnitten tief in seine Hand- und Fußgelenke und zogen Arme und Beine so weit auseinander, daß es ihn fast zerriß. Schweiß vermischte sich mit dem Blut, das seine Brust und Arme bedeckte. Sein Gesicht war nur noch eine blutige Masse. Während er in seinen eigenen Exkrementen lag, hatte er kaum noch die Kraft zu stöhnen, und spürte nichts von der Spinne, die über seine Stirn kroch.

Marmion Hall war der angestammte Sitz einer der bekanntesten Familien in Yorkshire. Niemand hätte jemals geglaubt, daß dieses Haus einen solchen Gast unter seinem Dach beherbergte.