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Der Oberste Schauspieler hätte eine weitere Stunde oder noch länger herumgetobt, wenn der Wirt ihn nicht unterbrochen und ihm mitgeteilt hätte, ein anderer Gast wünsche ihn privat zu sprechen. Firethorn stapfte davon wie Pompeius auf dem Weg, um das Mittelmeer von Piraten zu befreien.

Anne Hendrik konnte sich jetzt nach Nicholas erkundigen. »Ist er nicht hier bei Euch?«

»Noch nicht, Mistress«, sagte Hoode. »Dick Honeydew wurde von Zigeunern entführt, und Nicholas ist losgeritten, um ihn zu befreien.«

»Allein?«

»Er wollte von Begleitung nichts hören.«

»Aber die Sache ist doch bestimmt gefährlich.«

»Nicholas wird damit fertig«, beruhigte Hoode sie. Dann stellte er die Frage, die ihn wirklich beschäftigte. »Sagt mir bitte, denn das bohrt wie ein Messer in meiner Seele, wer von Banbury's Men hat es gewagt, meine Rolle zu spielen?«

»Eure Rolle, Sir? In ›Pompeius der Große‹?«

»Sicinius.«

»Das weiß ich nicht, Master Hoode.«

»Das hat nichts zu bedeuten«, sagte Gill abschließend. »Die Rolle ist überhaupt nicht wichtig und fällt bei der Aufführung kaum ins Gewicht.«

»Das stimmt nicht, Barnaby!«

»Streicht sie - wem würde das auffallen?«

»Mir, Mann! Mir!«

»Sicinius ist eine schlechte Rolle für einen Mann.«

»Es ist meine Rolle!« winselte Hoode. »Ich schrieb sie und ich spiele sie. Ich bin Sicinius. Ich will nicht, daß man mich einfach so stiehlt. Also sagt mir - wer spielte die Rolle?«

*

Mark Scruton hob seinen Dolch und stieß ihn seinem Opfer brutal in den Rücken. Der Mann stürzte auf sein Gesicht, zuckte noch für ein paar Sekunden, dann lag er still. Der Mörder wischte das Blut von der Waffe, grinste bösartig und ging seelenruhig davon.

Eine weitere Theaterprobe war zu Ende.

Kynaston Hall war das größte Privathaus, in dem Banbury's Men seit Beginn ihrer Tournee aufgetreten waren; es bot ihnen beste Möglichkeiten. Die Halle stand ihnen für ihre Proben zur Verfügung, sie hatten vier livrierte Diener als Hilfskräfte sowie normale Küchenhilfen. Alles war sehr zufriedenstellend, niemand aus der Gruppe genoß das mehr als Mark Scruton. Er erhielt seine erste Chance in einer wichtigen Rolle. Diesmal war es ein Stück aus ihrem eigenen Repertoire, »Der Renegat«, eine finstere und blutdürstige Tragödie zum Thema Rache. Sie versetzte Giles Randolph in die Lage, in einer Titelrolle zu glänzen, die seinen Talenten entsprach, und sie brachte Mark Scruton ins Rampenlicht.

»Ausgezeichnete Arbeit, Sir.«

»Danke, Master Randolph.«

»Ihr macht Euch gut in der Rolle.«

»Ich hoffe nur, das Publikum teilt Eure Meinung.«

»Habt nur Vertrauen.«

»Habt Ihr keine Kritik anzumerken?«

»Keine«, sagte Randolph lustlos. »Außer daß Ihr zu lange auf der Bühne geblieben seid, nachdem Ihr mich erstochen habt. Der Mord an dem Herzog ist von größerer dramatischer Bedeutung als die Reaktion seines Mörders. Sobald Ihr mich mit dem Dolch erledigt habt, verschwindet Ihr von der Bühne.«

»Das werde ich, Sir.«

»Meine Leiche wird ein Selbstgespräch in sich sein.«

Sie standen in der Großen Halle, die Bühnenarbeiter wieselten herum und bewegten die Bühnenbilder und Requisiten. Giles Randolph war sehr zufrieden mit dem Verlauf der Dinge. Auf der Bühne und auch ohne sie war Rache das ideale Thema für ihn. Er wollte gerade weggehen, als Scruton ihn am Ärmel zupfte.

»Auf ein Wort, Sir.«

»Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.«

»Es dauert nur eine Sekunde.«

»Nun denn.« Randolph zuckte mit den Schultern. »Was gibt es?«

»Ich bin so frei und erinnere Euch an meinen Vertrag. «

»Den habe ich nicht vergessen.«

»Wann kann ich ihn sehen, Sir?«

»Sobald ich ihn aufgesetzt habe.«

»Und wann wird das sein?«

»Zuerst muß ich die anderen Teilhaber dazu überreden.«

Scruton runzelte die Stirn. »Meine Auffassung war, daß Ihr die Angelegenheit alleine regeln könntet.«

»Nun, ja, natürlich. Keine Frage, daß ich das kann.«

»Wieso dann diese Verzögerung?«

»Ich bin kein Rechtsanwalt, Mark. Die Bedingungen müssen korrekt aufgesetzt werden, und der Earl muß sie persönlich zur Kenntnis nehmen. Das ist eine große Beförderung für Euch.«

»Ihr wißt, daß ich sie verdient habe, Master Randolph.«

»Niemand mehr als Ihr.«

»Dann nennt mir ein Datum. Das habt Ihr mir versprochen.«

Giles Randolph bedachte ihn mit jenem rätselhaften Lächeln, das zu seiner Grundausstattung gehörte, und schritt langsam im Kreis um ihn herum. Scruton schätzte es nicht, wenn man ihn warten ließ. Sein freundliches Lächeln begann, etwas verkrampft zu wirken. Randolph blickte ihn an und traf eine Entscheidung.

»York.«

»Was sagt Ihr da?«

»Dann wird der Vertrag unterzeichnet.«

»Ist das ganz sicher?«

»Meine Hand darauf!« Sie schüttelten sich die Hände. »Ihr werdet Teilhaber bei Banbury's Men und könnt die süßeren Früchte unseres Berufes kosten.«

»Ich danke Euch!« sagte Scruton mit Nachdruck. »Ich hatte keinen Augenblick an Euch gezweifelt. Jetzt verspüre ich echtes Glück.«

»Wartet nur auf York.«

»Das ist das Ziel meiner Pilgerreise.«

»Tragt Euer Kreuz noch solange.«

Mark Scruton grinste. Er war fast am Ziel.

*

Nicholas Bracewell benötigte fünfzehn Minuten, um ihr klarzumachen, daß er nicht Jesus Christus sei, doch auch danach war sie noch nicht ganz überzeugt. Als er sie hineinwaten sah, um ihn mitten im Fluß zu treffen, hatte er seinen Körper sofort absinken lassen und trat Wasser. Noch nie zuvor war er von einer so merkwürdigen, wenn auch hübschen Frau angesprochen worden, besonders nicht von einer, die ihn immer wieder bat, sie im Jordan zu taufen. Er brauchte eine Ewigkeit, bis sie wieder ans Ufer zurückging, dann schwamm er zu der Stelle zurück, an der seine Kleider lagen, trocknete sich ab, so gut es ging, und zog sich wieder an. Erholt und erfrischt ritt er über die Brücke und am Ufer entlang zu Eleanor Budden zurück. Ihr nasses Hemd klebte ihr wie eine zweite Haut am Körper, er bemerkte, daß es an der Schulter repariert war. Höflich wie er war, stieg er vom Pferd und lüftete seine Mütze.

»Kann ich Euch sicher nach Hause bringen, Mistress?«

»Den ganzen Weg nach Jerusalem.«

»Ich hab's Euch doch gesagt, ich gehöre zu Westfield's Men.«

»Unser Zusammentreffen heute war vorhergesagt.«

»Mir aber nicht.«

»Es ist uns bestimmt, daß sich unsere Pfade kreuzen, Master Bracewell.«

»Mitten im River Trent?«

»Macht Euch nicht über göttliche Vorbestimmung lustig.«

»Laßt mich Euch nach Hause bringen.«

»Ich habe beschlossen, mein Zuhause für immer zu verlassen.«

»Aber Ihr spracht von Mann und Kindern.«

»Die müssen sehen, wie sie ohne mich zurechtkommen.«

»Hält Euch Eure Pflicht nicht zurück?«

»Aber ja, Sir. Die Pflicht, der Stimme Gottes zu folgen.«

Nicholas hatte auch schon früher religiöse Fanatiker getroffen. Mehr als einer seiner Schiffsgenossen auf der Reise mit Drake hatte die Entbehrungen unerträglich hart empfunden. Sie hatten sich in eine Art rastlose Religiosität geflüchtet, die ihrem Leben einen neuen Sinn gab und zu einer Reihe guter Taten und zu endlosen Zitaten aus der Bibel führte. Eleanor Budden war jedoch nicht von dieser Art. Ihre Besessenheit hatte eine stillere und rationalere Grundlage. Das machte sie um so gefährlicher.