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»Ihr werdet keinen dankbareren Patienten als mich finden.«

»Der Dank kommt ganz von meiner Seite.«

»Eure Freundschaft ist mir Belohnung genug.«

»Die kommt mit der Salbe.«

Millfield grinste. »Beides ist mir sehr willkommen.«

Als der Schauspieler wegging, um sich umzuziehen, trat jemand anderer an Nicholas heran. Oliver Quilley hatte die Probe aufmerksam verfolgt. Wenn er ein Miniaturporträt des Ersten Schauspielers anfertigen sollte, mußte das Bild alle typischen Charaktereigenschaften (die am deutlichsten auf der Bühne zutage traten) enthalten. Quilley entging nichts.

»Ist Master Firethorn immer so hitzig?«

»Heute habt Ihr nur eine schwache Leistung von ihm gesehen.«

»Also kommt noch mehr Wildheit aus ihm?«

»Die verwahrt er für sein Publikum.«

»Ich warte mit großem Interesse«, sagte Quilley. »Wenn ich ein Porträt male, soll es so vollständig wie nur eben möglich sein. Ich erahne die Wahrheit einer Persönlichkeit.«

»Wieviel Zeit werdet Ihr für das Porträt brauchen, Sir?«

»Ich arbeite nach drei Sitzungen«, erklärte der Künstler mit fahrigen Handbewegungen. »Zunächst lege ich die groben Umrisse seiner Gesichtszüge fest, beginne mit der Stirn und benutze sie, um die Proportionen des Gesichtes zu berechnen. Bei der zweiten Sitzung notiere ich sorgfältig alle Farben der Haut, der Haare, der Kleidung und achte besonders - das ist das Geheimnis meiner Kunst - auf den Ausdruck der Augen und auf die Mundwinkel.«

»Und was passiert bei der dritten Sitzung, Master Quilley?«

»Ich beende das Bild mit den feinsten Details.«

»Ihr arbeitet rasch, Sir.«

»Auch Künstler müssen etwas essen.«

»Wie kommt es, daß Ihr Euch diesen Beruf ausgesucht habt?«

»Der Beruf wählte mich«, sagte Quilley. »Vor nunmehr dreißig Jahren war ich Lehrling bei einem Goldschmied in Eastcheap. Mein Lehrherr war ein reicher Mann und brachte es zum Stadtkämmerer in London und zum Zunftmeister seiner Gilde.«

»Ihr habt Euch den Lehrherrn sorgfältig ausgesucht.«

»Während der sieben Jahre, die ich unter dem Zeichen der Gilde ›Löwe und Feuer‹ verbrachte, war das Glück stets an meiner Seite. Ich wurde sehr geschickt in der Herstellung von Juwelen und Schmuckstücken und hatte viel Interesse für die Miniaturmalerei.«

»Wie fing alles an, Master Quilley?«

»Mit einer Lady am Hofe. Sie war eine Freundin meines Herrn und leicht zu beeindrucken. Das war meine erste Arbeit als Miniaturmaler und nicht ohne Mängel.«

»In welcher Beziehung?«

»Das Porträt war hervorragend wie alle meine Gemälde, aber ich übersah eine wichtige Einzelheit, Master Bracewell.«

»Wirklich?«

»Ich bekam kein Geld dafür.« Er rollte die Augen und warf die Hände in die Luft. »So ist das Leben eines Künstlers! Nie erhalten wir unseren gerechten Lohn. Worte bezeichnen mich als ein Genie, Aufträge kommen herein, aber bezahlen mich diese Leute dann auch wirklich für meine Mühen? Nur sehr selten, Sir! Sehr selten.«

»Aber Ihr müßt ein paar ehrliche Auftraggeber gehabt haben.«

»Ein paar. Master Anthony Rickwood gehörte dazu.« 

»Der hingerichtet wurde?« fragte Nicholas überrascht.

»Ja, Sir. Er hat für seinen Verrat gebüßt, aber ich kann nur Gutes über seine Liebenswürdigkeit sagen. Master Rickwood gab mir doppelt soviel, wie ich verlangt hatte, und empfahl mich einer Anzahl seiner engen Freunde, darunter Master Neville Pomeroy von Hertfordshire.« 

»Wir kennen den Gentleman.«

»Dann werdet Ihr seine Großzügigkeit kennen. Ein sehr freundlicher Mann. Es fehlte mir an nichts in seinem Hause.«         

»Uns auch nicht, als wir in Pomeroy Manor auftraten.«

»Er sprach viel von seiner Leidenschaft fürs Theater.«

»Wir haben vor, ihn auf der Heimreise nach Süden wieder zu besuchen.«

»Unglücklicherweise werdet Ihr das nicht können, Sir.«

»Aber er hat uns eingeladen.«

»Er wird nicht dort sein, um Euch zu begrüßen.«

»Was sagt Ihr da?«

»Weil Master Pomeroy verhaftet wurde.«

»Aus welchem Grund?«

»Hochverrat. Er gehörte zu der Verschwörung, der auch Anthony Rickwood angehörte.«

»Ist das wirklich wahr?«

»Walsingham hat ihn in den Tower geworfen.«

»Was hat er zu erwarten?«

»Das denkbar Schlimmste.« Quilley lächelte schmerzlich. »Er wird den schimpflichen Tod eines Verräters sterben. Ich glaube nicht, daß Master Millfield auch ihn vor dem Galgen schützen kann.«

*

Miles Melhuish erbleichte. Er hatte geglaubt, Eleanor Budden könne ihn nicht mehr überraschen, aber da irrte er sich. Ihre neueste Ankündigung ließ ihn den Mund aufreißen. Er drehte sich zu ihrem Ehemann um, der in einer Ecke der Sakristei saß, aber Humphrey hatte sich keine Meinung gebildet. Seine Frau hatte ihn in jeder Beziehung vollständig in die Defensive gedrängt, er war der erbärmliche Rest des Mannes, der sie geheiratet und ihre Freuden genossen hatte. Humphrey Budden war still während des ganzen Gesprächs.     

Melhuish gab sich den Anschein besonderer Überraschung.

»Das ist nicht klug, Mistress. Das ist nicht gut.«

»Ich glaube, daß es beides ist, Sir.«

»Mit einer Gruppe reisender Schauspieler zu fahren?«

»Sie kommen aus London«, sagte sie voller Stolz.

»Das macht es nur noch schlimmer. Ihr könnt Euch die Gelüste und Vorlieben solcher Kreaturen überhaupt nicht vorstellen. Schauspieler sind die Kinder der Hölle in menschlicher Gestalt.«

»Bisher haben sie mich anständig behandelt.«

»Dann wartet, bis Ihr schutzlos auf der Straße liegt.«

»Da kann nichts passieren. Gott ist allzeit bei mir.«

»Ja, Schwester«, sagte er beschwichtigend. »Gott ist mit uns allen, zu jeder Zeit. Aber es gibt Zeiten, da ist selbst Sein göttlicher Schutz nicht genug. Ihr schadet Euch nur, wenn Ihr Euch solchen Gefahren aussetzt.«     

»Welchen Gefahren, Master Melhuish?«

Der Vikar räusperte sich und zupfte an seinem Kragen. Er warfeinen Blick auf Budden, aber von dort kam keine Hilfe. Kühn ging er dem Problem zu Leibe.

»Schauspieler sind notorische Wüstlinge, Eleanor.«

»Das habe ich noch nie gehört.«

»Sie haben die Moral der niedrigsten Tiere.«

»Warum sind sie dann so freundlich zu mir?«

»Nur, damit Eure Aufmerksamkeit nachläßt.«

»Master Firethorn ist aber nicht so«, sagte sie gefühlvoll. »Auch Master Bracewell nicht, und er ist der Grund, daß ich mit Westfield's Men reise.«

»Wer ist Master Bracewell?«

»Er hängt hinter Euch, Sir.«

Miles Melhuish fuhr erschrocken herum, aber hinter ihm war niemand. Eleanor deutete auf das Bleiglasfenster, dessen Bild von Jesus Christus mehr denn je wie der Regisseur aussah. Der Pfarrer bekam einen weiteren Schock.

»Wollt Ihr damit sagen, dieser Schauspieler… ist wie der Herr Jesus?«

»So genau wie zwei Erbsen im Kessel, Sir«, sagte sie. »Aber er ist kein Schauspieler. Master Bracewell ist der Regisseur der Theatergesellschaft und der aufrechteste Mann, den ich jemals getroffen habe. Ich würde ihm Leib und Seele anvertrauen, das würde ich!«

»Paßt auf, daß er Euer Vertrauen nicht mißbraucht.«

»Das würde er niemals tun.«

»Denkt an die langen Stunden der Nacht.«

»Mit dem Vögeln bin ich durch«, sagte sie schnippisch.

Humphrey Budden zuckte bei der Erwähnung dieses Wortes zusammen, eine traurige Stille senkte sich über seine Züge, als er seine Gedanken mit einigen robusten Erinnerungen spielen ließ. Melhuish machte weitere Überredungsversuche, aber alles war umsonst. Wenn Eleanor sich einmal für etwas entschieden hatte, hörte sie auf niemand mehr.