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»Nehmt eine andere Frau mit«, riet er ihr. »Eine von Euren Dienstmägden, die Euch als Schutz dienen kann.«

»Gott ist mein Beschützer.«

»Vielleicht ist das für Ihn eine zu beschwerliche Arbeit.«

»Bezweifelt Ihr Seine Macht?«

»Aber nein, aber nein«, sagte Melhuish rasch. »So etwas würde ich niemals denken. Es ist nur, daß… nun, ich würde mich besser fühlen, wenn Ihr eine zusätzliche Garantie für Eure Sicherheit bei Euch hättet.«

»Die habe ich, Sir. Master Nicholas Bracewell.«

»Das ist nicht ganz das, was ich mir vorstelle.« Er sah zu dem schweigsamen Ehemann hinüber. »Habt Ihr keine Angst um Eure gute Frau auf dieser Reise, Sir?«

»Ich wüßte nicht warum«, brummte er.

»Sie ist mit diesen lockeren Menschen vom Theater unterwegs.«

»Ich wünsche ihnen viel Glück!« murmelte der andere.

»Beruhigt Euch, Sir«, sagte Eleanor zum Pfarrer. »Ich bin nicht der einzige Mitreisende bei der Gruppe. Ein Künstler begleitet uns auf der Reise nach York. Und auch noch eine andere Frau. Sie sorgt für meine Sicherheit.«

*

Die Pest stürzte sich jeden Tag mit neuer Kraft auf London, dennoch hätte Doli es vorgezogen, ihr Glück in der Stadt zu versuchen. Seitdem die Belagerung durch die Gläubiger eingesetzt hatte, war das Leben in dem Haus in Shoreditch wie eine sich ausbreitende Seuche. Margery Firethorn wurde täglich härter, ihre Angestellten bekamen das zu spüren. Doli schien sich immer in vorderster Schußlinie zu befinden, wenn ihre Herrin explodierte. Das Mädchen war klein und jung, zerzaust und überhaupt nicht in der Lage, den Forderungen ihrer gereizten Chefin zu entsprechen. Jeder Tag brachte ihr neue Pein und neue Erniedrigungen.

Margery Firethorn rief sie aus der Küche.

»Doli!«

»Ja, Mistress?«

»Hörst du die Türglocke denn nicht?«

»Nein, Mistress.«

»Dann mach die Ohren auf, Mädchen, oder es setzt etwas!«

Doll kam in die Küche gerannt, wo Margery bis zu den Ellenbogen im Mehl wühlte. Das Mädchen zitterte, brachte aber einen tiefen, wenn auch zornigen Knicks zustande. Die Türglocke läutete lauter.

»Hörst du sie jetzt, Mädchen?«

»Ja, Mistress.«

»Dann geh an die Tür.«

»Was soll ich sagen?«

»Wenn's ein Gläubiger ist, bin ich nicht zu Hause.«

»Und wenn es jemand anderes ist?«

»Dann kommst du hierher und gibst mir Bescheid. Los jetzt - weg mit dir!«

Doll raste hinaus, man hörte, wie sie die Tür öffnete und ein paar Sekunden mit jemandem sprach. Als sie zu Margery zurückkam, waren ihre Augen vor Erstaunen weit aufgerissen.

»Und?« schnappte Margery.

»Ihr habt Besuch, Mistress.«

»Wer ist es?«

»Vor dem Haus steht eine große Kutsche.«

»Wer ist es?«

»Der Diener hat geläutet.«

»Der Name, Mädchen! Wie lautet der Name meines Besuchers?«

»Lord Westfield.«

Doli war völlig perplex aufgrund der Tatsache, daß der Adel im Hause eines Schauspielers in Shoreditch einen Besuch machte, aber Margery handelte, als ob dies an der Tagesordnung sei. Sie wischte ihre bemehlten Arme an der Schürze ab und trat zum Spülbecken, um sich die Hände zu waschen. Dann wirbelte sie herum und starrte ihr Dienstmädchen an.

»Steh doch nicht einfach so rum, Doll.«

»Was soll ich tun, Mistress?«

»Führe Lord Westfield herein.«

8. KAPITEL

Die Bürger von Nottingham versammelten sich in großer Zahl in der Stadthalle. Bürger aller Schichten strömten herbei, um einen der legendären Helden der englischen Geschichte in Aktion zu sehen. »Robin Hood und seine Lustigen Gesellen« war etwas anderes als das übliche Angebot von Westfield's Men. Klassische Tragödien, häusliche Komödien und rustikale Farcen waren ihr Schwerpunkt. Sobald sie sich aber der glorreichen Historie widmeten, kamen ergreifende Dramen über Könige und Königinnen und gewaltige Schlachten zur Verteidigung der Krone zutage. Militärisches Heldentum und Kriege in fremden Ländern fanden jederzeit ihr Publikum. Robin Hood lebte mehr im Gedächtnis des Volkes als durch historische Fakten, doch die Gruppe brachte mehr als die übliche Mischung aus Abenteuer und Romantik im Sherwood Forest. Sie gaben der Geschichte eine tiefere Bedeutung und berührten Themen wie Loyalität, Patriotismus und seelische Ergriffenheit. In ihrer Darstellung von Prinz John lenkten sie die Aufmerksamkeit auf den Unsinn der Selbstverherrlichung.

In der dicht besetzten Stadthalle war das Publikum vom ersten bis zum letzten Wort vollständig verzaubert. Lawrence Firethom war der überzeugendste Robin Hood, den sie jemals gesehen hatten. Er war edel, furchtlos und König Richard treu ergeben. In den Kampfszenen war er gewaltig, doch sanft und zärtlich, sobald er mit seiner Jungfer Marion allein war, und sein Liebeswerben entzückte jede Frau im Publikum. Lieder und Schwertkämpfe sorgten immer wieder für Tempo und Leben, Nicholas Bracewell hatte für ein paar raffinierte Tricks mit Pfeil und Bogen gesorgt. Immer wieder gab es Tanzeinlagen; die humorige Brillanz Barnaby Gills erreichte ihren Höhepunkt, als Bruder Tuck die Röcke raffte und barfuß über die Bühne tanzte.

Anne Hendrik saß neben Susan Becket auf einer Bank und fiel in den Applaus ein. Sie hatte Westfield's Men auf der Höhe ihrer Kunst in London gesehen und spürte, daß diese Aufführung ein solches Niveau nicht ganz erreichte, doch es war immer noch eine sehr ordentliche Aufführung. Die Leute aus Nottingham hatten das Gefühl, ein Meisterwerk genossen zu haben. Sie erhoben sich von den Plätzen, klatschten und riefen, so laut sie nur konnten. Lawrence Firethorn führte sein Ensemble mehrmals auf die Bühne, um den Applaus mit tiefen Verbeugungen entgegenzunehmen. Selbst George Dart hatte seine Freude daran und brachte ein schwaches Lächeln zustande; jetzt sah er aus, als gehöre er wirklich zu den »Lustigen Gesellen«. Nach all den Rückschlägen standen sie wieder dort, wo ihr Platz war — ein begeisterndes Gefühl.

Das war echtes Theater.

Nicholas Bracewell war nicht so zufrieden wie die meisten. Für sein Gefühl hatte die Aufführung zu viele rauhe Ecken und Kanten, er hatte eine Reihe kleinerer Fehler entdeckt, die ihn irritierten. Obwohl die Stadthalle eine wesentliche Verbesserung darstellte, im Vergleich zu anderen Orten, an denen sie gespielt hatten, war sie in ihren Möglichkeiten meilenweit von den Londoner Theatern entfernt und in jeder Beziehung ein Rückschritt. Der Hauptgrund für Nicholas' Unzufriedenheit war das Fehlen von Richard Honeydew. Obwohl die Rolle des Jungen von jemand anderem übernommen wurde, der sie angemessen ausfüllte, erinnerte ihn genau diese Tatsache daran, wie wichtig es war, den Jungen so schnell wie möglich aufzuspüren. Die Gruppe konnte ohne ihren jugendlichen Star einfach nicht ihr Bestes geben; Nicholas fühlte, daß er es dem Jungen schuldig war, sich sofort und erneut auf die Suche nach ihm zu begeben.         

»Wohin willst du?« fragte Anne.

»Ich bin hinter Banbury's Men her.«

»Weißt du denn, wo die sich aufhalten?«

»Ich werde sie schon irgendwie aufspüren.«

»Ganz allein?«

»Allein komme ich schneller vorwärts«, sagte Nicholas. »Außerdem kann Master Firethorn auf niemand verzichten, um mir einen Begleiter zu geben. Jede Hand wird hier gebraucht. Vor der Aufführung von ›Robin Hood‹ wollte er mich nicht gehen lassen.«

»Ohne dich hätte es überhaupt keine Aufführung gegeben.«

»Auch trotz meiner Anwesenheit war sie nicht gerade eine Glanzleistung.«

»Das Publikum war begeistert.«

»Die Ansprüche der Leute hier sind nicht hoch, Anne.«

»Sei doch nicht zu streng mit der Gruppe.«