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Er kroch vorsichtig näher und konnte erstmals einen guten Blick auf das Lager werfen. Sein Herz krampfte sich zusammen. Vor sich hatte er ungefähr ein Dutzend Leute, wie der Schäfer berichtet hatte, und sie trugen auch die grellbunten Kleider von wandernden Schauspielern, aber das war keine Londoner Theatergruppe auf Tournee. Ihre Kleider waren Lumpen, die Pferde abgewrackte Klepper. Was da über ihrem Feuer röstete, war bestimmt nicht bezahlt worden, denn sie waren ganz eindeutig vollkommen abgebrannt. Hagere Gesichter kauten an ihrem Essen, magere Leiber lagerten nahe beim Feuer. Sie waren zwar Schauspieler, aber von anderer Art und Sorte als Banbury's Men. Die hatten nie in ihrem Leben in einem richtigen Theater gespielt oder an den Fleischtöpfen der Hauptstadt gegessen. Ohne einen adligen Schirmherren waren sie nichts Besseres als Banditen und konnten wegen Landstreicherei verhaftet werden. Sie kratzten ihren mageren Lebensunterhalt zusammen, indem sie wie die Zigeuner immer unterwegs waren.

Es war ein ernüchternder Gedanke, sich vorzustellen, wie weit ihre Welt von der einer Londoner Theatergesellschaft entfernt war, und Nicholas verspürte Gewissensbisse, als er daran dachte, daß Westfield's Men diesen Leuten das Publikum weggenommen hatte. Dann rief er sich den Grund seiner Reise ins Gedächtnis zurück und schob solche Gedanken beiseite. Aufrechten Ganges marschierte er in das Lager, stellte sich vor als Schauspieler wie sie und wurde freundlich empfangen. Das änderte sich ein wenig, als er nach Banhury's Men fragte, die man als räuberisches Volk aus London betrachtete, das in ihren Landstrichen wilderte. Sie waren zornig auf diese Gruppe, hatten aber keine Ahnung, wo sie sich zur Zeit befand. Nicholas bedankte sich und zog weiter.

Dunkelheit senkte sich herab, es wurde Zeit, daß er ein Bett für die Nacht fand. Ein paar Meilen zurück war er an einem kleinen Gasthof vorbeigekommen, jetzt ritt er dorthin zurück, während seine Gedanken fieberhaft mit der Frage kämpften, wo Banbury's Men wohl sein könnten. Seine Sorge um Richard Honeydew steigerte sich immer mehr. Tief in solche Gedanken versunken, ließ er seine Wachsamkeit außer Acht.

»Stehenbleiben, Sir!«

»Prima Pferd habt Ihr da.«

»Wir werden uns mal sein Gebiß ansehen.«

Drei Männer traten aus dem Wald und kamen langsam und mit freundlichem Lächeln auf ihn zu. Nicholas ließ sich nicht zum Narren halten. Jeder der drei hatte ein Schwert in der Hand. Sie hatten ihn auf einem einsamen Stück Weg erwischt, das zwischen den Bäumen verlief. Nicholas wußte, daß sie niemals so dicht an ihn herankommen würden, wenn nicht jemand in seinem Rücken wäre. In der letzten Sekunde riß er sein Pferd herum. Ein vierter Mann rannte mit einer Keule leise auf ihn zu, um ihn von hinten zu erschlagen, während er vorne abgelenkt wurde. 

Nicholas landete seinen Tritt, bevor die Keule niederfuhr, und ließ den Mann zurückprallen. Als er erneut heranstürmte, spürte er, wie ein Schwert sauber durch seine Schulter fuhr, und brüllte vor Schmerzen auf. Seine Komplizen rannten herbei, um Rache zu üben, doch sie hatten sich das falsche Opfer ausgesucht. Als der erste sein Schwert sausen ließ, antwortete Nicholas' Rapier mit einem so heftigen Schlag, daß dem Mann das Schwert aus der Hand flog. Wie der Blitz war der Regisseur aus dem Sattel, zog dabei seinen Dolch und wartete auf die beiden Bewaffneten, die jetzt auf ihn zukamen. Sie schlugen und stießen mit ihren Schwertern, kamen aber überhaupt nicht an ihn heran. Der dritte, dem es nicht gelang, an sein am Boden liegendes Schwert zu kommen, zog einen Dolch hervor und hob den Arm, um ihn zu werfen, aber er war bei weitem zu langsam. Nicholas' eigener Dolch zischte durch die Luft und bohrte sich in das Handgelenk des Mannes, der seine eigene Waffe mit einem Aufschrei fallen ließ.       

Die anderen hatten bereits genug. Jetzt, da ihre Chancen nicht so eindeutig auf ihrer Seite lagen, sammelten sie ihre beiden niedergemachten Kumpane ein und humpelten davon. Nicholas jagte hinterher und lüftete dem einen ein wenig das Wams. Drei von ihnen schafften es in ihre eigenen Sättel, aber der Keulenmann war zu schwer verwundet, um reiten zu können, und mußte von einem seiner Freunde aufs Pferd genommen werden. Laut fluchend verdrückten sie sich in größter Hast in den Wald. 

Nicholas ging zu dem Pferd, das sie zurückgelassen hatten, und klopfte ihm den Hals. Das Pferd war viel zu gut für normale Straßenräuber und war ganz eindeutig gestohlen worden. In dem schwächer werdenden Licht konnte er gerade noch das goldverzierte Monogramm auf den Satteltaschen erkennen - O. Q. Als er in den Taschen wühlte, fand er ein paar Lebensmittel und Kleidungsstücke. Was ihn jedoch wirklich interessierte, war ein gefaltetes Stück Pergament, das tief unten in einer der Satteltaschen steckte. Es war eine Liste von Namen und Adressen, in lesbarer Schrift geschrieben. Zwei der Namen waren abgehakt, sie sprangen Nicholas geradezu in die Augen.     

Anthony Rickwood und Neville Pomeroy.

Ein dritter Name war mit einem Fragezeichen versehen.

Sir Clarence Marmion.

Die Initialen auf den Satteltaschen waren für Nicholas der Beweis, daß er Oliver Quilleys gestohlenes Pferd gefunden hatte. Er hatte aber das Gefühl, etwas wesentlich Wichtigeres zusätzlich gefunden zu haben. Der Künstler hatte ihm von der Verhaftung Master Neville Pomeroys unter der Anklage des Hochverrats erzählt und daß man den Gefangenen in den Tower geworfen hatte. Diese Dinge ereigneten sich mehr als hundertfünfzig Meilen entfernt von hier.     

Wieso wußte Oliver Quilley etwas davon?

*

Lawrence Firethorn war in seiner eigenen Falle gefangen. Nachdem er sie dazu überredet hatte, mit ihm nach Nottingham zu ziehen, damit sie wilde Liebesnächte mit ihm durchleben konnte, war es jetzt nicht gut möglich, sie zu entlassen, als sie sich entschloß, noch weiter mit ihm zu reisen. Das war sehr hinderlich. Gerade als er hoffte, einer neuen Eroberung näher zu kommen, mußte er jetzt mit der Wirtin reiten und ihrem liebenswürdigen Geschnatter lauschen. Unterdessen saß Eleanor Budden neben dem Fahrer des Wagens, George Dart, kümmerte sich um seine religiösen Bedürfnisse und ging jedem auf dem Wagen mit ihrer Anwesenheit auf die Nerven. Firethorn warf einen Blick in ihre Richtung. Eleanor und Susan waren die Extreme der Weiblichkeit, die ehrenhafte und die unmögliche, die tugendhafte und die wollüstige, die Heilige und die Hure. Wenn man aus den beiden eine neue machen könnte, sinnierte Firethorn, hätte man endlich die Perfektion in Menschengestalt gefunden.

Die glucksende Susan Becket stieß ihn freundlich in die Rippen.

»Die ist nicht für dich, Lawrence.«

»Ein solcher Gedanke wäre mir niemals in den Sinn gekommen.«

»Mistress Budden ist bereits versprochen.«

»Ich habe ihren Mann getroffen, als wir abreisten.«

»Den meine ich ja gar nicht, Sir. Die Dame ist anderweitig verliebt. Sie redet von niemandem so viel wie von Eurem Regisseur.«

»Nicholas hat sie in der Tat sehr beeindruckt.«

»Wenn ich ihn nackt im River Trent gesehen hätte, wäre ich auch sehr beeindruckt gewesen«, sagte Susan kichernd. »Er ist ein schönes Stück Mann und hat ein sehr gutes Benehmen.«

»Nick trieb nur auf dem Wasser«, sagte Firethorn gereizt. »Sie tut ja gerade, als sei er über das Wasser gegangen.«

Sie zogen in nördlicher Richtung durch dichtes Waldgebiet, das voller Erinnerungen an den berühmten Banditen war. Christopher Millfield ließ sich in seine Rolle in dem Stück zurückfallen und sang einzelne Strophen seiner Balladen. Jetzt, da Nicholas nicht in der Nähe war, hatte er seine ganze Munterkeit wiedergewonnen. Die älteren Angestellten gingen neben ihm und grummelten über die drei Fremdlinge, die mit ihnen reisten. Oliver Quilley gab sich wie ein Lord, als er nahe der Spitze des Zuges dahinritt, Susan Becket reservierte ihre Freundlichkeit ausschließlich für den Ersten Schauspieler, und Eleanor Budden brachte einen unerwünschten Ton von Christlichkeit in die Gruppe. Sie hatten einen wertvollen Lehrling verloren und drei unnütze Passagiere hinzugewonnen. Sie waren davon überzeugt, daß dabei nichts Gutes herauskommen konnte.