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»Ihr seid pervers, Sir.«

»Mir bricht der Nacken ab!«

»Macht fünf Minuten Pause.«

Oliver Quilley schnalzte ärgerlich mit der Zunge. Sie befanden sich in seinem Schlafzimmer in dem Gasthaus, in dem sie die Nacht verbrachten. Der Künstler hatte seinem Modell eine erste Sitzung vorgeschlagen, aber Firethorn war weniger als hilfreich. Nicht nur redete er ununterbrochen, er schaffte es auch nicht, den Kopf länger als ein paar Minuten in  der gleichen Stellung zu halten. Höchst unerfreulich das Ganze. Firethorn trat heran, um sich das Ergebnis anzusehen. 

»Wie weit sind wir gekommen, Master Quilley?«

»Fast nirgendwohin.«

»Zeigt mir Eure Arbeit.«

»Ich bin ja kaum am Anfang.«

»Aber ich hocke hier doch schon hundert Jahre!«

Quilley saß an einem kleinen Tisch, seine Utensilien vor sich ausgebreitet. Das Porträt befand sich auf Zeichenpergament, das glattgestrichen und auf eine Spielkarte geheftet war. Die Farben wurden in Muschelschalen angerührt und mit Pinseln aus den Schwanzhaaren von Eichhörnchen aufgetragen. Ein in den Griff des Pinsels eingelassener Tierzahn diente zu einem späteren Zeitpunkt zum Glattstreichen. Miniaturmalerei war eine mühevolle Arbeit, für die man das richtige Handwerkszeug benötigte. Kein Wunder, daß Quilley sie in seinem Lederbeutel verwahrte und unter seinem Wams versteckte. Sein Lebensunterhalt befand sich dicht an seinem Herzen.     

Firethorn studierte die Skizze seines Gesichtes und des Kopfes und wußte nicht, ob er sich geschmeichelt oder beleidigt fühlen sollte. Es gab eine ziemliche Ähnlichkeit, doch die war so unbedeutend, daß sie für ihn keinen Wert besaß. Die Kunst eines Schauspielers ließ sich in ihrer ganzen Größe innerhalb von zwei Stunden auf einer Bühne darstellen; von dem Miniaturenmaler erwartete er ein ähnliches Tempo. Quilley hatte wohl ein langsameres Genie. Es wuchs im Tempo einer Rose und brauchte bis zur Blüte viel mehr Zeit.

»Da ist nicht viel zu schon, Sir«, sagte Firethorn.

»Da seid Ihr selbst schuld.«

»Könnt Ihr nicht etwas schneller machen?«

»Nicht, wenn Ihr ein wirkliches Kunstwerk haben wollt.«

»Mit weniger wäre ich nicht zufrieden.«

»Dann lernt, still zu sitzen.«

»Ich bin ein Mann der Tat.«

»Denkt über Eure Größe nach.«

Das Pergamentstück, auf dem Quilley arbeitete, maß kaum fünf Zentimeter im Durchmesser. Lawrence Firethorns Persönlichkeit mußte eingefangen und auf diese kleine Fläche gebracht werden, was höchste Konzentration und viel Geschick verlangte. Als der Künstler das erläutern wollte, hatte das Modell bereits einen anderen Gedanken im Kopf.

»Welche Karte habt Ihr gewählt, Sir?«

»Karte, Sir?«

»Die an dem Pergament. Die Spielkarte.«

»Oh, die. Ich habe die Herz-Zwei genommen.«

»Eine so niedrige Zahl?«

»Es bedeutet Liebe, Master Firethorn. Die meisten meiner Modelle wünschen ihr Porträt als ein Geschenk für eine geliebte Person. Herz ist die beliebteste Karte. Ich denke nicht, Ihr hättet lieber den Kreuz-Buben gehabt.«

»In der Tat, nein, Sir«, sagte Firethorn, dem die Idee sofort gefiel. »Zwei miteinander verbundene Herzen sind ideal. Das wird das Siegel meiner Gefühle sein, wenn ich das Geschenk überreiche.«

»Eure Frau wird begeistert sein.«

»Was hat die denn hier zu suchen!«

Firethorn ging zu seinem Stuhl zurück und nahm eine Pose ein. Der Künstler trat heran, um sie geringfügig zu korrigieren, dann setzte er sich wieder an seinen Arbeitstisch. Quilley änderte seine Taktik. Als sich der Schauspieler vor ihm in eine Statue verwandelte, überhäufte er ihn mit Lob über seine Darstellung des Robin Hood, und Firethorn bewegte keinen Muskel. Schmeichelei half, wo Beleidigungen versagten. Der Künstler kam gut vorwärts. Doch es blieb nicht lange so. Firethorn war zwar ruhig, andere dagegen nicht.

Irgend jemand hämmerte heftig an die Tür.

»Seid Ihr da drinnen, Sir?« rief George Dart.

»Verschwinde!« bellte sein Chef.

»Wir können jetzt nicht gestört werden«, fügte Quilley hinzu.

»Ich habe aber wichtige Nachrichten, Master Firethorn.«

»Gute oder schlechte?«

»Fürchterliche.«

»Wieso das?«

»Schickt ihn weg«, drängte Quilley.

»Wir müssen uns das zuerst anhören, Sir.«

Firethorn stürzte zur Tür und riß sie auf. Dart war so verängstigt, schon wieder der Überbringer schlimmer Nachrichten zu sein, daß er wie verrückt vor sich hin brabbelte. Firethorn packte ihn an den Schultern und schüttelte ihm den Verstand in den Kopf.

»Was ist passiert, Mann?«

»Wir sind schon wieder ausgeraubt worden.«

»Schon wieder ein Lehrling?«

»Nein, Master. Unsere Kostüme sind weg.«

»Weg? Wohin?«

»Sie haben sich in dünne Luft aufgelöst. Sir. Die Kiste ist verschwunden.«

Lawrence Firethorn packte ihn an der Kehle, um ihn zu strangulieren, doch dann überlegte er es sich noch mal. Er rannte nach unten in den Raum, in dem die Kostümkiste gestanden hatte, und stellte mit Entsetzen fest, daß sie tatsächlich verschwunden war. Sämtliche Kostüme waren verschwunden. Die Kosten dafür waren riesig, doch die Konsequenzen des Diebstahls waren noch viel schlimmer. Ohne Kostüme konnten sie kein einziges Stück aufführen. Irgend jemand drängte Westfield's Men schlicht und einfach aus dem Geschäft.

Firethorn raufte sich voller Verzweiflung die Haare.

»Oh, Nick!« heulte er. »Wo steckst du?«

*

Ein ganzer Tag im Sattel brachte ihn schließlich ans Ziel. Mit zwei Pferden zu seiner Verfügung konnte er viel schneller und weiter reiten, wechselte die Pferde häufig, um sie bei Kräften zu halten, und zog das zweite hinter sich her. Nicholas Bracewell war rastlos in seiner Verfolgungsjagd. Endlose Fragerei und endloses Reiten führten ihn schließlich nach Lavery Grange. Diesmal gab es keinen Irrtum. Banbury's Men waren dabei, einem aufmerksamen Publikum den »Renegaten« zu präsentieren. Nicholas gab sich als Spätankömmling aus, betrat die Große Halle und schob sich in den Hintergrund. Giles Randolph dominierte die Bühne, aber Nicholas war viel mehr an seinen Leuten interessiert. Er suchte nach Leuten, die Westfield's Men verrieten, indem sie die Geheimnisse ihres Repertoires weitergaben. Nicholas erinnerte sich an einige Gesichter, doch keiner davon war in seiner Gesellschaft beschäftigt gewesen. Er war verblüfft.

Wer hatte ihre wichtigsten Stücke gestohlen?

Er rechnete nicht damit, Richard Honeydew irgendwo hier auf dem Gelände zu finden. Banbury's Men waren viel zu klug, um sich auf frischer Tat ertappen zu lassen. Wenn sie den Jungen wirklich hatten, dann würden sie ihn irgendwo nicht allzu weit entfernt von hier festhalten. Nicholas glitt aus dem Saal und unterhielt sich mit einem der Diener. Der Mann erwähnte drei Gasthäuser, die alle mit einem kurzen Ritt zu erreichen seien. Nicholas ritt sofort los und kontrollierte diese Gasthöfe. Die beiden ersten stellten sich als Nieten heraus, doch er ließ sich von seiner Überzeugung nicht abbringen. Er war jetzt ganz sicher, daß er Richard Honeydew immer näher kam. 

Das dritte Gasthaus war ein Treffer. Obwohl im Haus kein Zeichen von dem Jungen zu sehen war, erzählte ihm der Wirt, die Gruppe werde heute nacht hier übernachten. Für die meisten gab es Zimmer, doch einige mußten mit ihrem Gepäck in den Ställen schlafen. Nicholas ging raus, um sich diese Ersatz-Unterbringung anzusehen, konnte aber immer noch nichts entdecken. Er wollte gerade aufgeben und fortgehen, als er das Geräusch hörte.

Es war ein Klopfen, leise, aber regelmäßig, und schien von einem steinernen Schuppen am Ende der Stallungen zu kommen. Als er näher heranging, hörte er es deutlich genug, um zu erkennen, was es war. Jemand trat mit dem Fuß gegen die schweren Türbalken. Nicholas rannte hin und warf den Riegel zurück. Er riß die Tür auf, starrte ins Innere und erkannte die erbärmliche Gestalt des Richard Honeydew. der gefesselt auf dem Stroh lag. Mit den letzten Resten seiner Kräfte hatte der junge versucht, gegen die Tür zu trommeln. Jetzt nahte die Rettung.