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»Zwei. Sie haben mich zusammen entführt.«

»Im Auftrag von Banbury's Men.«

»Waren die das, die mich entführt haben? Ich hatte keine Ahnung. Sie halten mich hier gefangen und kommen nur, wenn es Zeit zum Essen ist.«

»Du siehst erbärmlich aus.«

»Mir geht es gut«, sagte der Junge mit wenig Überzeugungskraft.

»Die werden dafür bezahlen, was sie dir angetan haben.«

»Die sind es nicht, vor denen ich Angst habe, Master. Die haben mich gefesselt, aber nicht schlecht behandelt.« Voller Ekel sah er sich um. »Was mir angst macht, ist die Dunkelheit, die Nässe und der Gestank, besonders aber die Ratten.«

»Ratten?«

»Manchmal schnüffeln sie hier herum. Ich habe Angst, daß sie mich bei lebendigem Leibe auffressen!« Er entspannte sich sichtlich. »Aber jetzt, wo Ihr da seid, nicht mehr. Bei Euch fühle ich mich in Sicherheit.«

»Keine Ratte wird dir etwas antun, Dick.«

Der Junge lächelte. »Ich wußte, daß Ihr mich holen würdet.«

»Sag mir ganz genau, was alles passiert ist.«

Während er zuhörte, was Honeydew zu erzählen hatte, glitten seine Augen durch den ganzen Schuppen auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit, doch keine zeigte sich. Plötzlich bemerkte er eine Bewegung unter dem Stroh neben einem hölzernen Wassereimer. Als der Junge die Bewegung bemerkte, geriet er in Panik.

»Eine Ratte! Eine Ratte! Schon wieder eine Ratte!«

Das Untier kam unter dem Stroh hervor und trippelte auf den entsetzten Jungen zu. Nicholas schrie und trat mit den Füßen nach der Ratte, trieb sie in die Flucht und warf auch den Wassereimer um. Als das kalte Wasser seine Lage nur noch schlimmer machte, fing er an zu schimpfen und zu zetern, hörte aber schon bald damit auf. Der Zwischenfall konnte vielleicht doch noch etwas Gutes haben. Fast mußte er lächeln.

»Ich sehe einen Hoffnungsschimmer, Dick.«

»Wirklich, Master?«

»Vielleicht gibt es doch noch einen Weg hier raus.«

»Wie denn?«

»Das wirst du schon sehen. Aber ich brauche deine Hilfe.«

»Ich tue alles, was ich kann, Sir.«

»Dann ermutige mich bei der Arbeit.«

Richard Honeydew verstand schon bald, was er meinte. Die festgetretene Erde unter dem Stroh war durch die Überschwemmung lockerer geworden. Nicholas benutzte seine Schuhe als primitive Spaten und kratzte dicht an der Wand ein Loch in den Boden. Je tiefer er kam, desto weicher wurde die Erde, die er neben sich aufhäufte. Es war eine lange und anstrengende Arbeit, die ihm den Schweiß aus jeder Pore trieb und seinen Körper ächzen ließ, als ob er zerspringen würde. Jedesmal, wenn er dicht vor dem Aufgeben stand, sah er zu dem Jungen hinüber und bekam alle Anfeuerung, die er brauchte.

»Macht weiter, Sir! Ihr schafft ein Wunder! Weiter so!«

Nicholas machte weiter, bekam Schrammen ab und wurde völlig verdreckt, aber er machte gute Fortschritte. Irgendwann war das Loch groß genug, um sich darin herabzulassen und eine letzte Anstrengung zu unternehmen.

Er hatte die Mauer vollständig unterhöhlt. Als er sich testweise gegen die Mauer stemmte, bewegte sie sich ganz leicht. Richard Honeydew kicherte vor Freude.

»Wir haben es fast geschafft!«

»Noch nicht, Junge.«

»Ich kenne Eure Kräfte, Sir. Ihr schafft es.«

Nicholas nickte erschöpft. Die wirkliche Anstrengung kam erst noch. Er schob, spürte, wie die Mauer leicht nachgab, rastete einen Moment und rückte sich in die richtige Position. Dann nahm er alle seine Kräfte zusammen, stemmte sich mit den Füßen ab und preßte sich mit seinen breiten Schultern gegen die Wand. Er brauchte mehrere schmerzhafte Minuten, doch seine Mühe war nicht umsonst. Mit einem dumpfen Poltern gab die Wand nach, große Steinbrocken fielen krachend um ihn herum zu Boden. Nicholas war zerschrammt, zerschürft und blutig, aber seine Hände waren frei von dem Metallring. Wieder und wieder rieb er seine Handgelenke gegen die scharfe Kante eines Mauerbrockens.

»Ihr habt es geschafft, Master Bracewell!« sagte der Junge.

»Mit deiner Hilfe.«

»Ich habe Euch nur zugesehen.«

»Und mich moralisch unterstützt.«

»Könnt Ihr den Strick durchreiben?«

»Schon fertig!« sagte Nicholas und hob seine ungefesselten Hände.

Er warf die Strickreste beiseite und kroch zu dem Jungen, um auch seine Stricke zu lösen. Bevor er sich jedoch an die Fußgelenke machen konnte, hörten sie das Geräusch rennender Füße. Nicholas richtete sich auf und sprang zur Tür, als sie gerade von außen geöffnet wurde. Ein kräftiger junger Mann kam mit einem Dolch in der Hand hereingestürmt. Nicholas packte ihn am Gelenk der Messerhand und am Genick, stieß ihn hart gegen die Reste der Wand, entriß ihm die Waffe und setzte sie ihm an die Kehle. Der Mann war überrumpelt und hatte Angst.

»Bringt mich nicht um, bitte!« flehte er.

»Wer seid Ihr?«

»Ich bin nur ein Pferdeknecht, Sir. Ich arbeite hier in dem Gasthof.«

»Ihr habt uns hier eingesperrt.«

»Nur, weil ich dafür bezahlt wurde. Ich wollte Euch nichts Böses tun.«

»Keine Bewegung!«

Nicholas nahm den Dolch, um die Stricke an seinen Fußgelenken zu durchtrennen, dann tat er bei dem Jungen das gleiche. Er setzte dem Pferdeknecht ein Knie auf die Brust und hielt ihm den Dolch unter die Nase.

»Ihr wart es, der mich von hinten niedergeschlagen hat«, beschuldigte er ihn.

»Ich hatte den Befehl, den Jungen zu bewachen.«

»Was hat man Euch sonst noch befohlen?«

»Die Kiste im Stall zu verstecken.«

»Welche Kiste?«

»Da sind Kostüme drin, Sir.«

»Von Westfield's Men?«

»So lautete der Name.«

Nicholas stand auf und riß den Mann auf die Füße. Er brauchte seinen Gefangenen nicht mehr zu bedrohen. Völlig eingeschüchtert führte der Mann sie sofort zu dem Teil der Stallungen, wo er die Kostümkiste versteckt hatte. Nicholas war froh, als er auch die beiden Pferde dort vorfand, und bekam bei der Gelegenheit auch sein Schwert und seinen Dolch zurück. Mit dem Rapier heftete er den Mann an die Wand, während er überlegte. 

»Ist die Gruppe schon zurück?« erkundigte er sich.

»Noch nicht, Sir. Sie feiern noch in Lavery Grange.«

»Führt mich ins Zimmer von Master Randolph.«

»Wer, Sir?«

»Der hat hier das beste Zimmer.«

»Das ist an der Vorderseite des Gasthofes, Sir.«

»Zeigt mir den Weg.«

»Ich hab' dort oben nichts zu suchen.«

»Aber ich«, sagte Nicholas. »Führt mich hin, oder Ihr verliert ein Ohr!«

Vorsichtig gingen sie über den Hof.

*

Lambert Pym stand in seinem Brauhaus am Ende des Gasthofes und beobachtete, wie ein weiteres Faß gefüllt wurde. Es kam jetzt in den Keller, um zu reifen, bis es angezapft und getrunken werden konnte. Pym       

war mit dem Geruch von Bier und Ale in der Nase aufgewachsen, und der blieb an ihm, wohin er auch ging. Seine Kunden im Trip to Jerusalem kauften Bier, oder Ale, wenn sie ein bißchen mehr Geld hatten. Er importierte etwas Wein aus Bordeaux, aber der war den meisten Leuten zu teuer. Griechischer Malvasier war sogar noch teurer, wie Kanarienwein, aber Pym hielt für bestimmte Kunden einen kleinen Vorrat von beidem bereit. Während der drei Pfingstfeiertage würde es seinen Vorräten tüchtig ans Leder gehen.

Der Gastwirt kam gerade in den Schankraum zurück, als Robert Rawlins im Begriff war zu gehen. Lambert Pym lächelte einladend.

»Werdet Ihr Pfingsten bei uns sein, Master?«

»Ich hoffe es, Sir.«

»Ihr werdet erleben, daß ein Meer aus Bier hier getrunken wird.« 

»Nicht gerade ein erhebender Anblick.«

»Trinken hat seinen Platz im Leben der Männer.«

»Ich weiß«, sagte Rawlins mit offenkundigem Abscheu.