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»Ihr seid auf Westfield's Men angesetzt worden«, sagte Nicholas, dem die Wahrheit langsam dämmerte. »Euer gutes Gedächtnis wurde gegen uns verwandt. Ihr lerntet aus unseren Textbüchern und gabt Euer Wissen an unsere Erzrivalen weiter.« 

»Das war das gute Geschäft, das ich machte.«

»Eure Freunde zu verraten?«

»Welche Zukunft konnten die mir denn bieten?« sagte Scruton verächtlich. »Als Angestellter einem Lawrence Firethorn auf den leisesten Wink gehorchen zu müssen? Sich mit übriggebliebenen Rollen abfinden zu müssen? Wenn Beschäftigung oder Rauswurf von einer Laune abhängen? Für mich gab es dort keine Zukunft, Sir! Ich bin ein echter Schauspieler!«

»Euer Können hat mich getäuscht«, gestand Nicholas ein.

»Banbury's Men stellten für mich eine echte Chance dar. Dadurch, daß ich Eure Gruppe in die Knie zwang, verdiente ich mir das Recht zur Teilhaberschaft in ihrer Gruppe. Das erlaubt mir die Stellung, die ich verdiene.« Er lächelte selbstgefällig. »Gabriel Hawkes mußte vor Euren Augen verschwinden, damit er als Mark Scruton wieder auftauchen konnte. Mein Onkel bekam die Pest, hätte jedoch noch eine Weile gelebt und dadurch meine Pläne durchkreuzt. Ich half ihm etwas auf seinem Weg zum Himmel und habe ihm bestimmt viele Schmerzen erspart. Ihr habt gesehen, wie er von seinem schmutzigen Bett gezerrt und in einem schmutzigen Leichentuch weggekarrt wurde.«     

»Er trug Euren Ohrring.«

»Das war mein Abschiedsgeschenk.« Er berührte die Perle, die an seinem Ohrläppchen hing. »Ich habe das Zwillingsstück, wie Ihr hier sehen könnt.«

Im Kopf fügte Nicholas alles zusammen.

»Ihr habt Eure Krankheit in London nur vorgetäuscht, um uns auf den Schock Eures Todes vorzubereiten«, sagte er. »Dann zogt Ihr mit Banbury's Men umher und sagtet denen, wie sie unser Geschäft am besten kaputtmachen könnten. Ihr habt Dick Honeydew entführt und diesen Pferdeknecht dazu gebracht, unsere Kostüme zu stehlen.«

»Ihr hättet beide nicht wiederfinden dürfen, Nick.«

»Das war aber meine Pflicht.«

»Und Euer Pech. Ihr wißt zuviel, mein Freund.«

»Jedenfalls genug, um Euch an den Galgen zu bringen.«

»Und auch genug, um Euch umzubringen.«

Scruton senkte das Schwert, um es ihm ins Herz zu stoßen, aber Nicholas war schneller als der Blitz. Er zuckte mit dem Fuß zur Seite, ließ sich rückwärts über die Brüstung fallen, überschlug sich in der Luft und landete auf den Füßen im Innenhof. Blut troff von seinem linken Arm, wo ihn das Schwert noch erwischt hatte, doch die Wunde war nicht tief. Er riß sein Schwert heraus, rannte ins Gebäude zurück und die Treppe hoch, um mit Marc Scruton unter gleichen Voraussetzungen zu kämpfen, doch der war verschwunden. Obwohl der Regisseur jeden Winkel des Gebäudes durchsuchte, konnte er ihn nicht finden.     

Gabriel Hawkes war wieder verschwunden.

*

Sir Clarence Marmion saß in seinem Sessel, ohne auch nur einen Muskel zu bewegen. Er war eine würdevolle Gestalt, aufrecht, schlank und sehr ernst, vielleicht ein wenig kühl sogar, jemand, der seine Autorität mit Selbstverständlichkeit demonstrierte. Er trug ein schwarzes Wams, rot geschlitzt und mit einem hohen Kragen, der mit Spitzenstickerei verziert war. Oliver Quilley betrachtete ihn mit äußerster Sorgfalt, um aus seinem Gesicht den Charakter herauszulesen, doch sein Modell gab nur wenig von seinem Inneren preis. Der Künstler brachte ein paar erste Striche auf das Pergamentoval, das vor ihm auf dem Tisch lag. Sein Modell zuckte nicht mit der Wimper. Eine Stunde verging, bis Oliver Quilley das Schweigen brach.

»Die Frage einer Inschrift, Sir Clarence…«

»Inschrift?«

»Die meisten Leute wünschen sich ein paar Worte auf ihrem Porträt, um ihm Bedeutung oder Individualität zu geben. Manchmal ist es ein Familienmotto oder ein paar Worte der Liebe, die für den vorgesehenen Empfänger der Miniatur gedacht sind. Ich habe Leute gekannt, die Verse haben wollten oder sogar griechische Sentenzen.«

»Das ist nicht mein Wunsch, Sir.«

»Was soll es denn sein?«

»Ein lateinisches Zitat.«

»So sprecht, dann wird es vermerkt werden.«

»Dat poena laudata fides.«

Quilley notierte den Satz, dann runzelte er die Stirn.

»Ein merkwürdiger Spruch, Sir Clarence. ›Loyalität, obwohl gepriesen, bringt Leiden hervor.‹ Gibt es da irgendeinen Zusammenhang mit Marmion Hall?«

»Darüber braucht Ihr nichts zu wissen, Master Quilley.«

»Der Künstler muß Einblick in alles haben.«

»Übt Eure Kunst schweigend aus.«

Er nahm seine Stellung wieder ein. Oliver Quilley arbeitete, bis er den Zweck der ersten Sitzung erfüllt hatte. Sie befanden sich in der Halle, der Hausherr saß an der Wand, den Kopf eingerahmt von glänzenden Eichenpaneelen. Während der Künstler seine Utensilien einpackte, warf er bewundernde Blicke auf die Familienporträts, die an jeder Wand hingen, wobei ihm besonders das der früheren Lady Marmion auffiel, der stattlichen Mutter von Sir Clarence. Sie war mit kontrollierter Eleganz gekleidet, eine zierliche Gestalt, die Quilley zu einer Äußerung hinriß.

»Die Lady sieht so gut aus und ist so elegant gekleidet«, sagte er. »Gar nicht wie die Frauen in der Hauptstadt. Sir! Ihr macht Euch kein Bild von deren monströser Mode. Einige tragen Wämser mit Taschen auf der Brust, voller Schlitze und Einschnitte, mit Ärmeln in unterschiedlichen Farben. Ihre Pluderhosen sind so geschnitten, daß der Po hervorgehoben wird, weil die Kleidung da eng anliegt. Die Krinolinen und die unterschiedlich gefärbten Unterstrümpfe aus Seide, Jersey und dergleichen deformieren ihre Körper noch mehr. Ich habe in London einige dieser Dirnen getroffen, bei denen es mir unmöglich war, zu entscheiden, ob sie weiblich oder männlich waren!«

So etwas von jemand zu hören, der selbst in auffälliger Kleidung daherkam, hatte durchaus etwas Komisches an sich, Sir Clarence lächelte innerlich. Dann schob er die Hand in die Tasche und zog fünf Goldmünzen hervor.

»Hier ist Geld für Eure Arbeit, Master Quilley.«

»Wartet bitte, bis ich fertig bin, mein Herr.«

»Nehmt es als Anzahlung.«

»Wenn Ihr darauf besteht«, sagte der andere dankbar.

»Ein Arbeiter hat seinen Lohn verdient.«

»Ein Künstler hebt die Arbeit auf eine höhere Ebene.«

»Habt Ihr das auch für Master Anthony Rickwood gemacht?«

Die Frage machte Quilley nervös, doch er faßte sich rasch und antwortete mit einem nichtssagenden Lächeln, nahm das Geld seines Gastgebers und schob es rasch in die Tasche. Sir Clarence klingelte mit der kleinen Glocke, die vor ihm auf dem Tisch stand, kurz danach betrat ein Diener die Halle. Das war derselbe Mann, der sich früher als Gefängnismeister für einen anderen Gast im Keller des Hauses betätigt hatte. Anstelle von Folterinstrumenten brachte er jetzt zwei Weingläser auf einem Tablett. Er wartete, während die beiden Männer den ersten Schluck nahmen.

»Seid Ihr allein hierher geritten, Sir?« fragte Sir Clarence.

»Das war keine weite Reise«, antwortete Quilley.

»Es ist immer noch gefährlich.« Er deutete auf seinen Diener. »Laßt meinen Mann hier Euch nach York zurückbegleiten, damit ich sicher bin, daß Euch nichts geschieht.«

»Ich kann allein zurückreiten, Sir Clarence. Mein Pferd reitet jedem davon, der mir in den Weg tritt. Ich habe keine Angst.«

»Das solltet Ihr aber, Sir. Wir haben schlimme Zeiten.«

»Ich passe schon auf.«

Sir Clarence entschuldigte sich für einen Moment und verließ mit dem Diener den Raum. Quilley verlor keine Zeit. Sofort trat er an das Bücherregal, das an der entfernt liegenden Wand stand. Ohne zu zögern nahm er einen kleinen ledergebundenen Band mit einem hübschen Silberschloß heraus. Er schob das Buch in die Tasche, in der er seine Malutensilien aufbewahrte, und ging lässig zum Fenster hinüber, um die Aussicht zu genießen. Er betrachtete immer noch den vorderen Garten, als sein Gastgeber zurückkam. Sir Clarence war in entscheidungsfreudiger Stimmung.