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»Morgen werden wir die zweite Sitzung durchführen.«

»So rasch?« fragte Quilley.

»Mir liegt daran, daß es mit dem Porträt vorwärts geht.«

»Einen Künstler darf man nicht drängeln, Sir Clarence.«

»Die Zeit ist nicht auf unserer Seite«, sagte der andere. »Morgen erwarten wir den Besuch von Westfield's Men. Kommt mit ihnen zurück und bringt Eure Sachen aus dem Gasthof mit. Ihr sollt Gast sein in meinem Haus, bis Ihr das Werk vollendet habt.«

»Das ist sehr freundlich. Marmion Hall wird mir bestimmt einen angenehmeren Aufenthalt bieten als der Trip to Jerusalem, und einen sichereren obendrein.« Er lächelte verschlagen. »Der Wirt hat mir erzählt, einer seiner Gäste sei vor kurzem von der Polizei mitgenommen worden. Ein gewisser Robert Rawlins.« 

»Ich kenne einen Mann dieses Namens nicht.«

»Das macht nichts, Sir Clarence. Er war ein Priester der Römischen Kirche. Mit jedem Freund von Master Rawlins wird man sehr energisch umspringen.« 

»Das betrifft mich nicht«, sagte der andere. »Ich bin mehr an Westfield's Men interessiert. Ihr sagt, Ihr seid mit ihnen von Nottingham hierher gereist?«

»Eine ereignisreiche Reise, in jeder Beziehung.«

»Ihr hattet sicher genug Zeit, Euch ein wenig mit ihnen anzufreunden. Wer gehört zu der Gruppe, Sir? Ich würde gerne ihre Namen kennen.«

»Alle?«

»Bis zum einfachsten Wicht.«

Quilley ratterte die Namen herunter, sein Gastgeber hörte aufmerksam zu. Dann dankte er seinem Besucher und führte ihn hinaus. Erfreut über sein großes Glück, ritt er in flottem Trab Richtung York. In seiner Tasche klimperte Geld, und sein Gastgeber hatte weiteres in Aussicht gestellt. Außerdem gab es ja noch dieses Buch in seiner Tasche. Er war so mit sich selbst beschäftigt, daß er den anderen Reiter überhaupt nicht bemerkte.       

*

Eleanor Budden kniete betend im Münster von York und spürte nichts als Verwirrung. In Nottingham war alles so einfach gewesen. Eine einzige Stimme hatte zu ihr mit einer klaren Botschaft gesprochen, und sie hatte Mann, Haus und Kinder verlassen, um ihr zu gehorchen. Es gab keine weiteren Anweisungen von oben. Als ihre Knie im Gehorsam vor Gott auf das Betkissen sanken, wartete sie auf ein Zeichen, das nicht kam. Ihr Herz gab ihr eine Richtung vor, ihr Kopf eine andere und ihre Seele eine dritte. Es dauerte noch drei Tage, bis sie den Erzbischof persönlich sprechen konnte, um seinen Rat einzuholen. Und was sollte sie in der Zwischenzeit machen?

War ihre Reise nach Jerusalem bereits in York zu Ende?

Sie erinnerte sich an die Worte einer Predigt, die Miles Melhuish am Sonntag vor ihrer Abreise gehalten hatte. Auf ihre persönliche Situation bezogen, hatte er über den Charakter eines wahren Pilgers gesprochen und über die Natur des Lebens als einer Pilgerreise. Er beschäftigte sich mit dem himmlischen Ursprung des Menschen und seiner Hoffnung auf eine Rückkehr ins himmlische Reich, aus dem er nach dem Sündenfall vertrieben worden war. Die blumigen Phrasen des Vikars kamen ihr wieder ins Gedächtnis - seine Aufzählung der Symbole des Pilgers — Muschel, Krummstab. Behälter für das Wasser der Erlösung, die Straße und der Pilgermantel - faszinierten sie. 

Je mehr sie darüber nachdachte, desto sicherer wurde sie zu Nicholas Bracewell gelenkt. Er hatte keine sichtbare Muschel oder einen Krummstab, aber er war Fischer und Hirte für Westfield's Men, ihr Haupternährer und ihr liebevoller Beschützer. Sie hatte ihn im River Trent getroffen, als er nackt im Wasser der Erlösung trieb. Sie waren die Straße gemeinsam gezogen, und indem er die Kostümkiste wieder zurückholte, hatte er nicht nur einen, sondern viele Mäntel gefunden. Alles war da. In ihrer simplen Gedankenwelt offenbarte sich die Wahrheit nun selber. Auf eine Pilgerreise zu gehen, bedeutete, sich in ein Labyrinth zu begeben, um seine Geheimnisse zu verstehen. Das Zentrum befand sich überhaupt nicht in. Jerusalem. Es war hier in York.     

Nicholas Bracewell war ihre Bestimmung.

Von ihrer Entdeckung erregt, stand sie auf und trippelte durchs Mittelschiff zum Großen Westlichen Tor. Sie brauchte lange, um sich ihren Weg durch die verstopften Straßen mit ihrer fröhlichen Marktatmosphäre zu bahnen, doch schließlich erreichte sie den Gasthof und begab sich auf die Suche nach ihm. Nicholas genoß den Luxus eines eigenen Zimmers, wenn es auch nur ein winziges Kämmerchen im Giebel war, und dort fand sie ihn, eine Stunde vor Beginn der Aufführung.

Ihre Inbrunst war genauso groß wie seine Verlegenheit.

»Ich muß gehen, Mistress«, sagte er.

»Hört mich zuerst an, Sir.«

»Wir spielen heute vor Publikum.«

»Ich bitte nur um zwei Minuten Eurer Zeit.«

»Nun gut. Was habt Ihr zu sagen?«

Eleanor Budden richtete ihre blauen Augen auf ihn und ließ sie für sich sprechen. In ihrer Leidenschaft, ihrer Sehnsucht und in ihrem heiligen Drang sah er Bilder, die ihm höchstes Unbehagen verursachten. Sie war schön und verführerisch, doch sie war nicht für ihn bestimmt. Er trug Anne Hendrik in seinem Herzen und war nicht bereit, sie für irgendeine andere Frau beiseite zu schieben, bestimmt nicht für die verwirrte Gattin eines Spitzenmachers aus Nottingham. Nicholas empfand viel Sympathie für sie, die allerdings nicht so weit ging wie das, was sie so offensichtlich im Sinn hatte.     

»Laßt mich zu Euch kommen, Master«, bettelte sie.

»Das ist nicht angemessen.«

»Ihr seid mein Erretter.«

»Dieser Rolle bin ich nicht würdig.«

»Erlaubt mir, mich an Eurer Flamme zu erwärmen.«

»Ihr verwechselt mich, Mistress.«

»Nein, guter Mann. Ich verehre Euch.«

Er brauchte zehn Minuten, um sich von ihr zu befreien, und er schaffte das nur, indem er ihr ein weiteres Gespräch am Abend versprach. Er begab sich rasch nach unten und versuchte, sie aus seinen Gedanken zu verbannen. Wegen der bevorstehenden Aufführung mußte er sich ausschließlich auf andere Probleme konzentrieren. Als er an einem der Zimmer für die Angestellten der Gruppe vorbeikam, hörte er etwas, das ihn auf der Stelle zum Stehen brachte und ihn die Bedrohung durch Mistress Eleanor Budden vergessen ließ. Die Worte schneidender Verse drangen durch die Tür. Es war Lawrence Firethorns Stimme, in voller Fahrt als Richard Löwenherz, der seine Truppen vor der Schlacht gegen Saladin anfeuert, ihre Entschlossenheit bestärkt und ihr Blut zum Kochen bringt.

Obwohl er diese Ansprache schon häufig gehört hatte, war Nicholas wie gebannt von ihr und von der phantastischen Virtuosität, in der sie vorgetragen wurde. Doch als sich die Tür öffnete, war es nicht Lawrence Firethorn, der von einer spontanen Probe seines Textes kam.

Es war Christopher Millfield.

*

York war eine stolze Stadt mit durchaus eigenem Stil, die niemandem voreilig Respekt zollte. Mehr als nur ein König war vor ihren Toren abgewiesen worden, und auch die Earls von Northumberland, ihre althergebrachten Oberherren, stießen von Zeit zu Zeit auf Ablehnung. Während des Kriegs der Rosen hatte sie als Basis für die Rebellen gedient, war aber auch der Brennpunkt der Pilgerfahrt der Gnade gewesen. Jener Aufstand des Jahres 1536 hatte sich hauptsächlich gegen die Auflösung der Klöster gerichtet, was man als ein weiteres schlimmes Ergebnis der Reformation betrachtete. Die Botschaft der Jahrhunderte war klar. Yorks Gunst war keine Selbstverständlichkeit.

Doch freudig ergab sich die Stadt Westfield's Men. Ironischerweise verdankten sie den Erfolg dem einen der beiden einzigen mittelalterlichen Könige, die nie in der Stadt gewesen waren. In der Gestalt des Lawrence Firethorn machte Richard I. diesen Fehler jetzt wieder gut. Er war inspirierend. Die ganze Gruppe lieferte, von seinem Beispiel angefeuert, die beste Aufführung seit Monaten. Die »Krieger des Kreuzes« entfalteten wirkliche Großartigkeit. Die Vorführung war so mitreißend, daß Hunderte von Schaulustigen, die sich im Trip to Jerusalem drängten, sie nicht aus den Augen zu lassen wagten, um nur ja nichts zu verpassen.