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Obwohl sie sich langsam beruhigte, hielt sie ihn auf Armeslänge von sich fern.     

»Warum habt Ihr mir nicht geschrieben, Sir?«

»Aber ich habe geschrieben!« log er. »Jeden Tag.«

»In Shoreditch sind keine Briefe eingetroffen.«

»Vielleicht hast du sie unterwegs verpaßt.«

»Wir steckten in großen Schwierigkeiten, Sir.«

»Ich habe dir meine Liebe und mein Geld geschickt, um meine Abwesenheit zu mildern«, sagte er mit viel Überzeugungskraft. »Aber wie bist du eigentlich hierhergekommen?«

»Zu Pferd.«

»Aber sicherlich nicht allein, oder?«

»Lord Westfield gab mir vier Begleiter mit«, sagte sie. »Ich habe mich in meiner Not an ihn gewandt, und er war sehr großzügig.«

»Entschieden zu großzügig«, murmelte Firethorn zu sich selbst.

»Und Ihr habt mir wirklich Geld geschickt?«

»Nick Bracewell kann es bezeugen.«

Margery Firethorn entspannte sich. Der einzige Mann in der ganzen Gesellschaft, dem sie vertraute, war der Regisseur. Wenn der die Behauptung ihres Mannes bestätigte, war sie zufrieden. Ihre Kampfeslust verebbte langsam, was Firethorn nicht verborgen blieb. Rasch ergriff er die Gelegenheit beim Schöpfe.

»Deine Ankunft hätte nicht günstiger sein können.«

»Wirklich, Sir? Wieso?«

»Weil ich ein Geschenk für dich habe.«

»Vielleicht wieder ein Ring, den ich verkaufen darf, wenn die Zeiten härter werden?«

»Sei nicht so gemein zu mir, Margery.«

»Ich will keine Geschenke, die mir nicht ganz gehören.«

»Nimm dies hier und erkenne, wie sehr dein Mann dich liebt.«

Margery schaute den Gegenstand an, den er ihr in die Hand drückte, und spürte eine Woge tiefer Freude. Es war das Werk von Oliver Quilley, ein meisterhaftes Miniaturporträt von Lawrence Firethorn, das seine Klasse mit unnachahmlicher Meisterschaft einfing. Eigentlich hatte er es Eleanor Budden geben wollen, als Lockmittel, aber jetzt wurde es dringlicher benötigt. Margery war überwältigt. Er flüsterte ihr ins Ohr.

»Kannst du die Inschrift lesen?«

»Wo, Sir?«

»Da, am unteren Rand.«

Mit einer fast kindlichen Atemlosigkeit las sie die Worte vor.

»Amor omnia vincit.«

»Liebe überwindet alles.«

»Oh, Lawrence!«

Seine Lippen besiegelten seine haarscharfe Rettung. Ihre Umarmung wurde von lauten Schritten auf der Treppe unterbrochen, dann segelte Susan Becket mit interessanter Vertraulichkeit in sein Zimmer. Margery warf sofort den Kopf zurück, aber ihr Gatte meisterte auch diese Notsituation.

»Ah, Frau Wirtin!« sagte er und schnippte die Finger. »Laßt eine Flasche Eures besten Weines für mich und meine Frau heraufschicken. Und zwar rasch, Frau!« Er schlug zwei Fliegen mit einer Klappe. »Und sorgt dafür, daß dieses psalmensingende Weib, diese Mistress Budden, mir aus dem Weg geht. Ich will von ihrer Religion heute nacht nichts hören!«

Susan Becket zog sich stark verwirrt zurück.

Firethorns Pläne waren zweimal durchkreuzt worden, doch ein drittes Mal sollte das nicht passieren. Als seine Lust zurückkehrte, riß er Margery in seine Arme, warf sie aufs Bett, bestieg sie und ritt mit ihr inmitten unbezahlter Rechnungen.

*

Mistress Eleanor Budden befand sich in ihrem Zimmer, als John Tallis ihr die Botschaft seines Masters überbrachte. Diese wurde auf der Stelle widerrufen, als Richard Honeydew aufkreuzte.

»Ich habe eine Botschaft für Euch, Mistress.«

»Von Master Bracewell, hoffe ich?«

»Genau von diesem.«

»Nun, Sir?«

»Er bittet Euch, ihn in seinem Zimmer aufzusuchen.«

»Der Himmel hat mein Flehen erhört!«

»Er wird sich dort mit Euch unterhalten.«

Der Junge zog sich freundlich zurück. Voller Erwartung begann Eleanor, heftig zu atmen. Die Erfüllung ihres größten Wunsches stand jetzt dicht bevor. Sie liebte Nicholas Bracewell, und er hatte jetzt nach ihr geschickt. Gott hatte sie beide einander in die Arme geführt.

Sie erklomm die Stufen Jerusalems.

Nachdem sie leise an seine Zimmertür geklopft hatte, öffnete sie sie und betrat das Zimmer. Die Vorhänge waren zugezogen und das Zimmer halbdunkel, doch sie konnte Nicholas Bracewell mit einer Deutlichkeit sehen, die ihr Herz hüpfen ließ. Neben seinem Kopf brannte eine kleine Kerze, die ihr Licht auf sein blondes Haar und den schimmernden Bart warf. Als er sich zu ihr umdrehte, verrutschte das Laken, und sie sah, daß er nackt war.

Ihre leidenschaftlichen Sinne trieben sie vorwärts. Hier endete ihre Pilgerfahrt. Nicholas Bracewell war ihr erwählter Pfad. Sie rannte zum Bett und warf sich über ihn. Er blies die Kerze aus. Sie versanken ineinander, umschlangen sich, küßten sich und drangen ineinander, bis ihre Stimmen sich in einem Schrei der höchsten Wollust vereinten. Noch nie hatte Eleanor Budden eine so tiefe, göttliche Befriedigung gespürt.

Die aufgestauten Begierden ihres Leibes und ihrer Seele hatten sich inmitten der Geheimnisse des Liebesaktes aufgelöst. So groß war der Rausch ihrer Ermattung, daß es ihr nichts ausmachte, als sich Nicholas Bracewells Bart in ihrer Hand auflöste oder sich seine Perücke verschob. Sie beklagte sich auch nicht, als sein sorgfältiges Make-up sich an ihrem Gesicht abnibbelte. Dies war der Gipfel des Glücks. Sie war Christi Braut.

Humphrey Budden war selig, daß er nach York gekommen war.

*

Während die ehelichen Wiedervereinigungen stattfanden, saß Nicholas Bracewell mit ein paar anderen Angestellten im Schankraum und genoß sein Abendessen. Sein Giebelzimmer würde ihm diese Nacht nicht zur Verfügung stehen, doch das machte ihm nicht das geringste aus. Statt dessen erfreute er sich an seinem klugen Arrangement, das dafür sorgte, daß eine irregeleitete Ehefrau ihr geistiges Ziel und ein sitzengelassener Ehemann seine Glückseligkeit wiederfanden. Der Regisseur hatte mehr als nur ein Thema im Kopf, das ihn beschäftigte. »Krieger des Kreuzes« war zweifellos ein großer Erfolg gewesen, doch morgen sollte das Stück erneut aufgeführt werden — allerdings unter erheblich schlechteren Bedingungen. Als erstes mußte er am frühen Morgen nach Marmion Hall reiten, um sich den Aufführungssaal anzuschauen und einige Entscheidungen zu treffen über die Art, wie das Stück hier aufgeführt werden konnte. Während er mit  halbem Ohr den Plaudereien seiner Freunde folgte, konzentrierte sich sein Verstand ganz auf die Herausforderungen des nächsten Tages.

Edmund Hoode kam eilig herein und setzte sich zu ihm.

»Habt Ihr schon die guten Neuigkeiten gehört, Nick?«

»Über was?«

»Banbury's Men.«

»Die haben in den Three Swans gespielt, heute.«

»Sie haben es versucht, Nick, aber ohne den geringsten Erfolg. Es war irgendeine vertrackte Komödie über Landpomeranzen und scharfe Jünglinge. Ich hab' mit einem gesprochen, der sich die ganze Posse angeschaut hat.« Er gluckste schadenfroh. »Er sagt, es sei die absolute Katastrophe gewesen. Texte vergessen, Einsätze verpaßt und jedes Unglück erlitten, das einer Theatergruppe nur zustoßen kann. Das Publikum hat sie von der Bühne gejagt. Selbst Master Randolph konnte sie nicht erheitern.«

»Das sind wirklich mal gute Nachrichten.«

»Unsere ›Krieger des Kreuzes‹ haben sie am Boden zerstört.«

»Und zu Recht, Edmund.«

»Das ist ihre gerechte Strafe, weil sie meine Stücke gestohlen haben. Sie haben ordentlich was aufs Dach bekommen.« Er seufzte. »Trotzdem würde ich zu gerne wissen, wer den Sicinius gespielt hat. Ich nenne ihn einen Schurken, wenn ich ihn jemals treffe.«

»Warum haben Banbury's Men denn so schlecht gespielt?«

»Weil es ihrem Stück an Klasse mangelte.«

»Aber es muß auch noch andere Gründe gegeben haben.«