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»Gab es auch«, sagte Hoode. »Ihnen fehlte ein wichtiger Schauspieler. Einer von ihnen fiel für eine ganz besondere Rolle aus, und so schnell fanden sie keinen Ersatz. Seine Abwesenheit hat sie dorthin gebracht, wo sie auch hingehören.«

Nicholas wußte, daß der fehlende Schauspieler Mark Scruton sein mußte. Jetzt, da sein Geheimnis gelüftet war, wagte er nicht, in York zu bleiben, um nicht vom Regisseur gefaßt zu werden. Es gab aber auch eine wichtige Folge seines plötzlichen Verschwindens. Scrutons Machenschaften hatten ihn bei Banbury's Men beliebt gemacht, aber seinen schnellen Weggang würden sie sich nicht gefallen lassen. Nichts mehr von festem Anstellungsvertrag, nichts mehr von Aufnahme in den Kreis der Anteilseigner. Jetzt gab es keine Chance mehr für ihn, auf Kosten von Westfield's Men zu höheren Theaterehren aufzusteigen. Man konnte sich trösten. Nicholas war überzeugt, ihn nie mehr wiederzusehen. 

*

Sobald er seine Wohnung verlassen hatte, wußte er, daß er verfolgt wurde, aber er ging deshalb nicht schneller. Das hätte seinem Verfolger nur gesagt, daß er von seiner Anwesenheit wußte. Während er durch die Straßen von York schlenderte, betrat er gemächlichen Schrittes eine dunkle Gasse. Als er deren Ende erreicht hatte, bog er um die Ecke und drückte sich in den ersten Türbogen. Er hörte schon bald das leise Näherkommen von Schritten, die ihm folgten. Er zog seinen Dolch hervor und hielt sich bereit.

Eine stämmige Gestalt bog um die Ecke und blieb unschlüssig stehen, als sie merkte, daß sie ihr Ziel verloren hatte. Er kratzte sich den Kopf und blickte in die Gasse zurück, durch die er gerade gekommen war. Das war das Letzte, was er jemals sah. Eine Gestalt tauchte geräuschlos hinter ihm auf und preßte ihm eine Hand auf den Mund. Bevor er sich auch nur rühren konnte, wurde ihm mit geübtem Schnitt die Kehle durchgeschnitten. Der Mann brach zusammen. Sein Angreifer blieb noch, um sich über sein Opfer zu beugen und es kurz zu betrachten. Auf dem Jackenärmel des Mannes konnte man das Wappen des Hauses Marmion erkennen. Es war eine rechtzeitige Warnung.     

Mark Scruton verschwand rasch vom Tatort.

*

Oliver Quilley saß am Tisch in seinem Zimmer im Gasthof und untersuchte das Buch, das er in Marmion Hall gestohlen hatte. Es war ein Meßbuch in lateinischer Sprache und enthielt alle Rituale und Zeremonien der römisch-katholischen Kirche. Er interessierte sich weniger für den Inhalt als für die schlichte Schönheit des Buches, strich mit begehrlichen Händen über das sanfte Leder des Einbandes und betrachtete das Glitzern der silbernen Schließe. Er öffnete das Buch, um die Schönheit des Druckes zu bewundern.

Als er seine Beute lange genug besehen hatte, verstaute er das Buch wieder in seiner Tasche und zog einen Packen Spielkarten hervor, die bunte Bilder zeigten. Nachdem er sie sorgfältig gemischt hatte, begann er sie in einer bestimmten Reihenfolge auszulegen.       

Die letzte Karte auf dem Tisch war für ihn keine Überraschung.

Oliver Quilley hob sie mit einem grimmigen Lächeln auf.

*

Mistress Susan Becket hatte ein weiches Herz, das durch Firethorns Behandlung verletzt worden war. Auf ihrer Suche nach Sympathie und Mitgefühl wandte sie sich auf der Stelle an Nicholas Bracewell, der ihren Worten voller Verständnis lauschte. Bei einem Drink im Schankraum schüttete sie ihm ihr ganzes Herz aus und erreichte schließlich den Punkt, an dem ihre Probleme nur noch durch ein einziges Heilmittel gelöst werden konnten. Sie lehnte den Kopf an seine Schulter.

»Bringt mich in mein Zimmer, Sir.«

»Geht es Euch nicht gut, Mistress Becket?«

»Bringt mich ins Bett und seid mein Arzt.«

»Das ist nicht möglich«, sagte Nicholas ausweichend.

»Laßt Euch nicht durch falsche Loyalität zu Master Firethorn abhalten«, schnurrte sie. »Er hat mich abgewiesen, und deshalb kann ich mir jeden aussuchen, den ich will.«

Sie hob den Kopf, um ihn anzustrahlen, und befreite seine Schulter. Er hielt sie gerade und blickte sich um. Die Rettung stand auf der anderen Seite des Schankraumes, fettleibig und dienstbeflissen. Nicholas winkte ihn zu sich.

»Herr Wirt!«

»Ja, Sir?« Lambert Pym watschelte herbei.

»Mistress Becket braucht Hilfe, um in ihr Zimmer zu gelangen.«

»Ich werde sie persönlich hingeleiten«, sagte er bereitwilligst. »Stützt Euch nur auf mich, Mistress. Wir gehen zusammen die Treppe hinauf.«

Sie akzeptierte sein Angebot und nahm seinen dicklichen Arm.

»Donnerwetter, was habt Ihr aber starke Muskeln, Master Pym!«

»Weil ich mein Leben lang mit schweren Fässern hantiert habe.«

»Das verstehe ich sehr gut«, meinte sie, als er ihr vom Stuhl hochhalf. »Ich habe auch meinen Teil solcher Arbeit geleistet. Wir sind zwei von der gleichen Sorte, Sir.«

»Das wußte ich, als ich Euch zum ersten Mal sah.«

Lambert Pyms dick aufgetragene Schmeicheleien waren exakt das, was sie jetzt brauchte; Nicholas war zufrieden. Zum zweiten Mal in dieser Nacht hatte er eine leidenschaftliche Frau in die Arme eines anderen Mannes geführt. Susan Becket lehnte sich vertrauensvoll an den Hauswirt, als sie gemeinsam zur Treppe gingen. Sie würde schon sehr bald die Beleidigungen vergessen, die man ihr zugefügt hatte. Gleich und gleich gesellt sich gern. Körperlich und geistig hatte sie in Lambert Pym den richtigen Partner gefunden.

»Das war gute Arbeit, Nick.«

»Diese Dame ist nicht für mich.«

»Den Grund dafür habe ich in Nottingham gesehen. Mistress Anne Hendrik ist wirklich eine hübsche Frau und Eurer Standhaftigkeit würdig.«

Christopher Millfield hatte alles vom Nebentisch aus beobachtet und kam jetzt zu seinem Freund an den Tisch. Nicholas war froh, einen Moment allein mit ihm sprechen zu können. Seit seinem Zusammentreffen mit Mark Scruton hatte er erkannt, wie grundlos sein früheres Mißtrauen gewesen war. Millfield war es nicht gewesen, der Gabriel Hawkes ermordet hatte. Gewissensbisse ließen Nicholas viel Sympathie für den anderen empfinden.

Der Schauspieler befand sich in heiterer Gemütsverfassung.

»Welche von den beiden wäre wohl das größere Übel?« fragte er.

»Übel?«

»Mistress Budden oder Mistress Becket?«

»Da bin ich nicht besonders neugierig.«

»Die eine würde Euch kreuzigen und die andere erdrücken.«

»Jetzt hat ja jede den richtigen Bettgenossen.«

»Ich hätte nie gedacht, daß Ihr so ein Feigling wärt.«

Sie brachen gemeinsam in Lachen aus, dann kam Nicholas zu einem Thema, das ihm schon seit längerem im Kopf herumging.

»Wißt Ihr irgend etwas über Tarot?«

»Nur daß die Karten zu einer Art Wahrsagerei benutzt werden. Ich habe einmal ein Spiel solcher Karten gesehen, das ist aber auch schon alles. Warum fragt Ihr?«

»Ich denke über Master Quilley nach.«

»Ein komischer Kerl, in jeder Beziehung.«

»Mistress Budden sagt, er habe einen Packen Karten mit bunten Bildern drauf. Könnten das die Trumpfkarten des Tarot sein?«

»Ich weiß es nicht, Nick.«

»Braucht er sie, um die Zukunft vorherzusagen?«

Eines der Kellnermädchen kam in den Schankraum und kicherte, als es Millfield erblickte. Er winkte ihr freundlich zu und wandte sich mit einem entschuldigenden Schulterzucken wieder an Nicholas.

»Ich fürchte, ich muß mich jetzt um etwas anderes kümmern.«

»Noch eine Frage, bevor Ihr geht«, sagte der andere. »Mistress Budden hat eine Beschuldigung gegen Euch erhoben.«

»Worüber?«

»Atheismus.«

Christopher Millfield brach in Gelächter aus.

»Die Frau ist völlig absurd!« sagte er in scherzhaftem Ton. »Wenn ich wirklich ein Atheist wäre, hätte man mich bestimmt schon längst verhaftet. Aber ich bin immer noch in Freiheit.« Er ging zu dem Mädchen. »Fragt Mistress Budden, wie sie das erklärt.«

Nicholas wartete, bis die beiden den Schankraum verlassen hatten, dann trank er sein Glas aus. Er war verwirrt. Irgend etwas in der Stimme des Schauspielers hatte ihn auf eine Gefahr aufmerksam gemacht, aber er konnte nicht sagen, was es war. Nachdem er eine Weile darüber gegrübelt hatte, gab er es auf und überließ sich einem ausgiebigen Gähnen. Es war inzwischen sehr spät, er war rechtschaffen müde. Da er mittlerweile der einzige Gast im Schankraum war, stand er auf und ging auf den Hof hinaus, um sich auf die Suche nach einer Schlafstelle für die Nacht zu machen. Der Pfingstmarkt hatte alle Pferdeboxen belegt, er hoffte, auf dem Heuboden etwas Bequemlichkeit zu finden. Er stieg nach oben und ließ sich in ein weiches und wohlduftendes Bett sinken. Er schlief bereits, bevor er sich auch nur die Schuhe ausziehen konnte.