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Mark Scruton begab sich in den Schankraum.

*

Humphrey Budden und seine Frau erhoben sich frühzeitig und gingen sofort ins Münster, um dem Gottesdienst beizuwohnen. Während sie auf den Knien lagen, bestätigten sie einander, ihrem Gatten treu zu sein, und reichten sich die Hände zur Bekräftigung. Eleanor war eine völlig gewandelte Frau. Die Nacht mit ihrem Ehemann war eine Erleuchtung gewesen. Ein unentrinnbarer Drang hatte sie im Dienste Gottes nach York geführt und sie irgendwie auf den Regisseur von Westfield's Men fixiert. Was immer der Grund für dieses intensive und machtvolle Gefühl gewesen war, jetzt war es verschwunden. Jerusalem war jetzt nicht mehr das Ziel einer Pilgerreise. Sie hatte ihr Jerusalem in den Armen ihres Gatten gefunden und wünschte sich nichts sehnlicher, als wieder bei ihren Kindern in Nottingham zu sein.

»Master Bracewell!«

»Guten Morgen, Mistress Budden. Euch auch guten Morgen, Sir!«

»Wir möchten Euch ganz besonders herzlich danken« , sagte der Ehemann und ergriff seine Hand. »Eure Freundlichkeit werden wir Euch niemals vergelten können.«

»Euer Glück ist mir Dank genug, Sir.«

Als sie in den Gasthof zurückgekommen waren, hatten sie Nicholas getroffen, der sein Pferd sattelte. Eleanor war jetzt eine biedere Matrone, die am Arm ihres Ehemannes hing, doch ein gewisses Glitzern in den Augen zeigte, daß sie bestimmten Erinnerungen nachhing. Nicholas war froh, als das Ehepaar in den Gasthof ging, um seine Sachen zu holen und für die Reise zu packen.

*

Lawrence Firethorn kam in den Hof gelaufen.

»Nick, mein Lieber!«

»Ich reite nach Marmion Hall.«

»Laßt mich zuerst meine Dankbarkeit über Euch ausschütten«, sagte der andere mit einer bärenhaften Umarmung. »Master Pym hat mir gesagt, was letzte Nacht passiert ist. Ihr habt die Last einer Susan Becket von meinen Schultern genommen, als Ihr Amor für sie spieltet. Jetzt brauche ich vor einem Treffen zwischen ihr und Margery keine Angst mehr zu haben.«

»Wie geht es Mistress Firethorn heute morgen?«

»Sie liegt zufrieden zwischen meinen Gläubigern.«

»Es freut mich, daß wenigstens jemand Glückseligkeit fand«, sagte Nicholas. »Ich habe meine Nacht mit Oliver Quilley verbracht.«

»Der arme Bursche! Eine schlimme Art, sein Leben auszuhauchen. Hat man schon eine Idee, wer ihn umgebracht hat?«

»Überhaupt nichts, Sir. Ich bin nur froh, daß sie nicht mehr denken, ich sei der Missetäter. Die Konstabler und der Magistrat haben mich stundenlang ausgequetscht.«

»Ich habe für Euch gesprochen, Nick. Meine Stimme hat Gewicht.«

»Eure Hilfe war mir sehr wertvoll.«

Nicholas setzte den Fuß in den Steigbügel und stieg auf sein Pferd. Immer noch gingen ihm die Fragen durch den Kopf, die durch den Tod von Oliver Quilley aufgeworfen worden waren. Er sah seinen Arbeitgeber an und erinnerte sich an etwas. Lawrence Firethorn war der beste Schauspieler in London, jemand, zu dem der Adel scharenweise kam, um ihn spielen zu sehen. Er kannte viele Persönlichkeiten bei Hofe und hörte viel von ihrem Klatsch.

»Darf ich Euch eine Frage stellen, Master?« 

»Hundert, wenn's sein muß.«

»Wie ist Eure Meinung von Minister Walsingham?«

»Pah!« stieß Firethorn hervor. »Auf den spucke ich.«

»Wieso das?«

»Weil er Verbindung hat zu dem Namen, den ich am meisten hasse.«

»In welcher Beziehung, Master?«

»Wißt Ihr das nicht?«

»Würde ich sonst fragen?«

»Sir Francis Walsingham ist jetzt Staatsminister, und unsere liebe Königin hat ihn mit jeder Ehre überhäuft, die man sich nur denken kann.« Firethorn schürzte die Lippen. »Aber ich erinnere mich noch, wie er seine politische Karriere begann.«

»Als Mitglied des Parlaments, nicht wahr?«

»Soll ich Euch die Stadt nennen, für die er im Parlament saß?«

»Ich glaube, ich kann's mir denken.«

»Banbury!«

*

An diesem Morgen befand Marmion Hall sich in tiefem Schmerz. Vor seiner Familie und der Dienerschaft setzte Sir Clarence eine fröhliche Miene auf, doch sie ahnten, was sich über ihnen zusammenbraute, und waren niedergedrückter Stimmung. Robert Rawlins' Verhaftung war ein vernichtender

Schlag gewesen, der ihnen noch schwer zu schaffen machte. Für Sir Clarence gab es noch eine zusätzliche Sorge. Der Mann, den er nach York geschickt hatte, war von seinem eigenen Opfer umgebracht worden. Der Informant, der beide Mitverschwörer verraten hatte, kreiste Sir Clarence immer mehr ein. Eine plötzliche Flucht konnte eventuell notwendig werden. Die Vorbereitungen dazu waren bereits im Gange.       

»Ist alles in Ordnung?«

»Ja, Sir Clarence.«

»Haltet ein Pferd gesattelt und reisebereit.«

»Ist bereits veranlaßt.«

»Ihr werdet mit mir reiten.«

»Das wird mir eine Ehre sein, Sir Clarence.«

Der Diener machte eine tiefe Verbeugung und entfernte sich, um seinen Pflichten nachzugehen. Sein Herr hoffte zwar, daß der Notfall nicht eintreten würde, doch ausschließen konnte er es nicht. Nachdem die Familie Marmion Hall seit so vielen Generationen und mit so viel Stolz bewohnt hatte, eröffnete sich ihr jetzt eine schaurige Perspektive. Das Oberhaupt der Familie wurde unter Umständen wie eine Ratte davongejagt.

Doch es gab einen kleinen Ausgleich. Westfield's Men sollten an diesem Abend auftreten. Vielleicht gelang es ihnen, den Schleier der Trauer ein wenig zu lüften und ihnen ein paar Stunden harmloser Freude zu bereiten. Sir Clarence kannte die Arbeit der Gruppe aus London und hatte jenes Stück aus ihrem Repertoire ausgesucht, das ihm am angemessensten erschien. Es war dasselbe Drama, das die Zuschauer im Gasthof schon so begeistert hatte.

»Krieger des Kreuzes«. Dieses Stück gefiel ihm, weil es so viele Bereiche ansprach. Auch er selbst, so glaubte er, befand sich auf einer Art von Kreuzzug.

Sir Clarence war in der Halle, um Nicholas zu begrüßen, als dieser eintraf. Der Regisseur war sehr müde und erläuterte, was ihn den größten Teil der Nacht auf den Beinen gehalten hatte. Sein Gastgeber war betroffen. 

»Master Quilley tot?«

»Ermordet, Sir.«

»Hat man den Täter gefaßt?«

»Bis jetzt noch nicht, Sir Clarence.«

»Das ist wirklich eine schlimme Nachricht.«

»Der Mann war ein angenehmer Gesprächspartner.«

»Das habe ich auch so empfunden.«

»Soviel ich weiß, habt Ihr ihm einen Auftrag gegeben.«

»Master Quilley sollte ein Porträt von mir herstellen. Ich wollte es schnell haben, damit ich es meiner Frau als Geschenk überreichen konnte.« Er blickte zornig zu dem Ölporträt seines Vaters hinauf. »Für etwas in dieser Art habe ich nicht die Zeit. Oliver Quilley war meine letzte Hoffnung.«

»Es gibt andere Miniaturmaler, die man beauftragen könnte.«

»Er wurde mir besonders empfohlen.« 

Nicholas versuchte, das Thema noch etwas zu vertiefen, doch sein Gastgeber entließ ihn mit einer Handbewegung. Er zog es vor, statt dessen über das Stück und die bevorstehende Aufführung zu sprechen. Er hatte ganz eindeutig viel Kenntnis vom Theater und war während seiner Besuche in London häufig ins  Theater gegangen. Es war ein Genuß, mit ihm über das Drama zu diskutieren, was dazu führte, daß sich seine Laune ganz erheblich besserte. Nicholas traf sehr rasch die Entscheidung, daß die Bühne am anderen Ende der Halle errichtet werden sollte. Eine holzgetäfelte Tür öffnete sich zu einem Raum, den man als Garderobe benutzen konnte. Vorhänge konnten auf einer Leine drapiert werden. Große Fenster ließen viel Licht herein, doch es würde nötig sein, zusätzlich Kerzen und Deckenleuchter anzubringen.