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»Ihr seid kein Schauspieler, Sir«, sagte Nicholas voller Verachtung.

»Immerhin war ich gut genug, Euch zu täuschen«, erinnerte ihn der andere. »Was ist Spionieren anders als eine Art Schauspielerei? Ich war ein Meister meiner Kunst.« Seine Augen verengten sich. »Dann kamt Ihr und ruiniertet alle meine Pläne. Weil Ihr mir in den Three Swans entwischtet, mußte ich vor meiner eigenen Gruppe flüchten. Jetzt werden sie mich nie mehr als Teilhaber akzeptieren.«

»Dann habe ich ihnen sogar einen guten Dienst erwiesen.«

Scruton stach mit dem Dolch auf ihn los, doch Nicholas war viel zu gewandt für ihn. Der Schauspieler umkreiste weiter sein Opfer und spähte nach einer Lücke in der Deckung. Nicholas war jedoch auf der Hut und versuchte, ihn am Sprechen zu halten.

»Ihr habt Eure Freunde verraten«, beschuldigte er Scruton.

»Das war nötig.«

»Aber völlig unverzeihlich.« Er äußerte einen vagen Verdacht. »Und Ihr habt Oliver Quilley ermordet.«

»Ich mußte. Er hat mir alles gesagt, was er wußte.«

»Worüber?«

»Über Marmion Hall. Ich benutzte ihn als meine Augen. Er kam hier ins Haus und sah, was ich wissen mußte. Als ich ihn dazu überredet hatte, mir diese Informationen zu geben, schloß ich ihm endgültig die Augen.« Scruton grinste. »Er war nur ein stümperhafter Maler, niemand wird ihn vermissen.«

»Ihr werdet wegen des Mordes an ihm angeklagt werden.«

»Nein, Sir. Ich habe Freunde an hohen Stellen.«       

Scruton machte einen plötzlichen Ausfall und stieß mit dem Dolch zu, doch Nicholas packte sein Handgelenk. Sie taumelten gegen eine der Bänke und hieben eine Minute lang wie wild aufeinander ein. Nicholas schaffte es, dem anderen die Waffe aus der Hand zu schlagen, klirrend fiel sie zu Boden. Mark Scruton war rasend. In einem wütenden Ausbruch schleuderte er den Regisseur gegen die Altarbrüstung und bekam die Hände an seinen Hals. Nicholas wurde langsam erdrosselt.

Bei ihrem Kampfgetümmel merkten beide nicht, wie sich eine Gestalt durch die Stahltür näherte, und sie merkten auch nicht, daß das goldene Kruzifix vom Altar entfernt wurde. Nicholas war in großen Schwierigkeiten. Eine stählerne Klammer lag um seinen Hals und wurde immer enger. Scruton verschwamm bereits vor seinen Augen. Mit einer letzten, verzweifelten Kraftanstrengung packte er seinen Gegner an den Armen und stieß ihn heftig von sich. Scruton taumelte ein paar Schritte nach rückwärts. Das waren die letzten Schritte, die er jemals machte. Bevor er sich wieder auf seinen Gegner werfen konnte, wurde ihm mit einem gewaltigen Schlag mit dem Kruzifix der Schädel gespalten; sein Gehirn spritzte über das weiße Altartuch. Nachdem er so viel Zeit damit verbracht hatte, Katholiken zu verraten, wurde er jetzt mit einem Symbol ihres Glaubens niedergeschlagen.

Christopher Millfield blickte auf die Leiche hinab und warf das Kreuz von sich. Geräusche von oben waren ein Zeichen dafür, daß die Soldaten den Geheimgang sehr bald finden würden. Millfield schien das  nicht zu stören. Er lächelte den atemlosen Nicholas breit an.

»Ihr hattet recht, als Ihr mich verdächtigtet.«

»Auch einer von Walsinghams Leuten?«

»Ja, Nick, aber von einer anderen Art als dieser Narr hier.« Er gab der Leiche einen Tritt. »Scruton hat seinen Zweck als Spion erfüllt. Solche Leute haben anschließend keinen Wert mehr. Meine Aufgabe ist es, sie ›auszuzahlen‹ und verschwinden zu lassen.«

»Ihr verdient Euch Euren Lebensunterhalt auf eine brutale Art und Weise.«

»Aber auf eine, die gut bezahlt und sehr gut geschützt wird.«

Nicholas rieb sich den Hals und betrachtete das Schlachtfeld um sich herum. Mark Scruton war tot, Sir Clarence Marmion lag im Todeskampf, und die Kapelle war ein einziger Trümmerhaufen. Langsam wurden ihm die einzelnen Schritte klar, die zu diesem bösen Ende geführt hatten. Ein Ekel vor Christopher Millfield begann sich in ihm zu regen, aber er schaffte es trotzdem, ihm ein grimmiges Kompliment zu machen.     

»Ich hätte auf Euch hören sollen, Sir.«

»Wann?«

»Als Ihr mir sagtet, Ihr wäret der bessere Schauspieler.«

Millfield strahlte noch, als die Soldaten herbeistürzten.

Es war ein Tag der Abschiede. Banbury's Men waren bereits mit dem Schwanz zwischen den Beinen abgezogen, Sir Clarence wurde mit bewaffneten Wachen nach London gebracht. Susan Becket, deren gesträubte Nackenhaare auf wundersame Weise besänftigt worden waren, kehrte zu ihrem eigenen Gasthaus zurück. Humphrey und Eleanor Budden gingen nach Hause, um ein neues Leben zu beginnen. In Begleitung von vier livrierten Dienern ritt Margery Firethorn nach Shoreditch zurück, um ein paar Rechnungen zu bezahlen und die Tage bis zur Heimkehr ihres Gatten zu zählen. Mark Scruton fuhr wie Gabriel Hawkes in die Grube. Christopher Millfield verschwand, um im Auftrag Walsinghams der Laufbahn anderer Spione ein Ende zu setzen.

Westfield's Men blieben noch ein paar Tage in York. Ihr Erfolg im Gasthof führte zur Nachfrage nach weiteren Aufführungen, die sie mit anderen Glanzstücken aus ihrem Repertoire befriedigten. Es war für sie eine ungeheure Erleichterung, zu wissen, daß ihre Stücke jetzt wieder ihr exklusives Eigentum waren. Doch der Mann, der den meisten Grund zur Freude hatte, war bedrückt und in sich gekehrt.     

Nicholas Bracewell sprach ihn im Schankraum darauf an.

»Seid ein bißchen fröhlicher, Edmund. Unsere Probleme sind gelöst.«

»Aber sie lassen viel Traurigkeit in ihrem Kielwasser zurück.«

»Wir sollten uns anstrengen, das alles hinter uns zu lassen.«

»Ich habe mich bemüht«, sagte Hoode finster, »aber mein Herz ist ganz und gar traurig. Ich habe sie beide gern gehabt, Christopher und den jungen Gabriel, für den ich ihn hielt. Ich vertraute beiden.«

»Wir sind alle getäuscht worden«, pflichtete Nicholas bei. »Und niemand mehr als ich. Mich bedrückt das alles sehr. Ich hätte auf Mistress Eleanor hören sollen.«

»Hat sie Licht auf diese schlimmen Dinge geworfen?«

»In der Tat, Edmund. Die gute Frau warnte mich vor Master Millfield. Sie sagte mir, er sei Atheist.«

»Ist er es denn?«

»Kein Christ würde ein Kreuz nehmen, um jemand damit totzuschlagen. Er ist in jeder Beziehung ein gottloser Mann. Und jetzt ist mir auch klar, warum er dem Gesetz entronnen ist.«

»Er versteckt sich hinter Sir Francis Walsingham.«

»Allerdings, Sir.«

Hoode legte seine Hand in einer aufmunternden Geste auf den Arm seines Freundes.

»Kopf hoch, Nick«, sagte er. »Ihr könnt wirklich stolz sein auf Eure Rolle in der ganzen Sache.«

»Meint Ihr wirklich?«

»Ihr habt den Geheimgang zu der verborgenen Kapelle gefunden.«

»Darüber bin ich nur per Zufall gestolpert. Master Millfield wußte, wo er danach zu suchen hatte, und fand ihn genau nach Plan. Das ist der Grund, warum er nach der Probe verschwunden war. Er führte eine Suche durch.«

Hoode seufzte. »Sir Clarence war ein Verräter, und ich bin froh, daß er zur Rechenschaft gezogen wurde, aber es tut mir leid, daß unsere Gruppe als Deckmantel für so viel Täuschung benutzt wurde.«

»Das ist jetzt aus der Welt geschafft.«

»Das wollen wir hoffen. Ich möchte nicht noch einmal erleben, daß eines meiner Stücke durch die Ankunft von Soldaten ruiniert wird. Wer von diesen Spionen hat sie eigentlich nach Marmion Hall gerufen? Scruton oder Millfield?«

»Keiner von beiden, Edmund.«

»Wer war es denn dann, Sir?«

»Master Oliver Quilley.«

»Wieso?«

»Aus seinem Grab heraus«, sagte Nicholas. »Quilley war kein Spion, sondern ein enttäuschter Künstler, der das Gefühl hatte, niemals seinem Wert entsprechend bezahlt zu werden. Aus den großen Häusern, für die er arbeitete, holte er sich zusätzlichen Lohn, indem er dort wertvolle Dinge stahl und sie mit Gewinn verkaufte. Master Quilley stahl ein Buch in Marmion Hall, weil sein silberner Verschluß einen guten Preis versprach. Man hat es in seinem Zimmer gefunden. Es war ein römisch-katholisches Meßbuch.«