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Der Brief kam nicht von Lord Stonehouse, sondern von seinem Sekretär Mr Cole. Er teilte mir mit, dass in zwei Tagen das Parlament in Westminster zusammenträte und seine Lordschaft wünsche, dass ich dabei Notizen machte.

»Es scheint mir eine Ehre zu sein«, sagte Anne sanftmütig.

»Eine Ehre? Notizen zu machen wie ein Schreiber?«

»Gewiss, es ist nicht das, worauf du gehofft hast.«

»Nicht das, worauf ich gehofft habe? Es ist eine Beleidigung!«

Ich knüllte den Brief zusammen und warf ihn ins Feuer. Er sprang wieder heraus, und Anne fischte ihn vom Kamingitter und strich ihn glatt. Sie las ihn langsam, aber nachdenklich, tonlos buchstabierte sie die schwierigen Wörter. »Seine Methode ist vielleicht ein wenig unglücklich.«

»Ein wenig …?« Inzwischen besuchte sie Lucy mehrmals pro Woche und schnappte immer mehr Phrasen und Angewohnheiten auf. Ich fragte mich, ob sie noch mehr mitbekam. »Weißt du irgendetwas darüber?«

»Nein. Warum sollte ich?« Sie schenkte mir einen Blick, der mir bekannt vorkam, verführerisch und gefügig, aber zugleich berechnend, ein Blick, der ihrem Vorschlag vorausging, ich solle das genaue Gegenteil von dem tun, was ich wollte. »Es sei denn … ich glaube, es könnte vielleicht um Edgehill gehen.«

Edgehill war eine schwärende Wunde. Die Einheimischen behaupteten, an dem Ort gingen die Geister um. Am Neujahrstag hatte man zwischen drei und vier im kalten Nebel des Nachmittags eigentümliche Erscheinungen von Musketieren und Landsknechten auf den Wiesen von Kineton gesehen. Man hatte das Donnern von Kanonen gehört, die Schreie und das Stöhnen der Sterbenden. Reitertrupps jagten einander und verschwanden im Nebel. Am folgenden Tag wurden viele Menschen Zeuge einer vollständigen Schlacht, die um Mitternacht begann. Im Sonnenschein lösten sich die geisterhaften Erscheinungen auf, die sich über die Wiesen verteilten.

So besagte es jedenfalls eine Flugschrift mit dem Titel Ein großes Himmlisches Wunder: wir berichten von den Jüngsten Erscheinungen und gar Erstaunlichen Tönen von Krieg und Schlachten, gesehen in Edgehill. Der König verbürgte sich für die Geschehnisse und schickte sechs Beobachter, welche die Erscheinungen bezeugten und einige von ihnen sogar identifizierten, darunter Sir Edmund Verney, der bei der Verteidigung der königlichen Standarte getötet worden war. Viele sahen in den Erscheinungen ein Zeichen für Gottes Unmut, weil so viel christliches Blut vergossen worden sei. Nehemiah ging zu einer riesigen Demonstration der Lehrjungen in Covent Garden, in der zum Frieden aufgerufen wurde, und in der Stadt kam es zu Tumulten, bei denen ein Ende des Krieges gefordert wurde. Die Wohlhabenden fanden die Steuerverordnungen des Parlaments jetzt viel schlimmer als das Schiffsgeld, das der König ihnen auferlegt hatte.

Allmählich festigte der König seine Position. Er hielt den Norden, von Newcastle bis York, die Midlands bis hinunter nach Oxford sowie Cornwall und Devon. Bristol, immer noch in der Hand des Parlaments, war von Prinz Rupert eingekesselt worden. Im Ausland trieb die Königin mit Erfolg Gelder für Charles ein.

Angesichts der wachsenden Bedrohung durch den König war das Parlament gespalten. Denzil Holles, eines der fünf Mitglieder, die der König damals im Unterhaus wegen Hochverrats verhaften wollte, führte eine starke Fraktion an, die Frieden um fast jeden Preis wollte. Holles hatte lange für das Parlament gekämpft, war indes ernüchtert, seit Prinz Rupert direkt vor dem Patt in Turnham Green ein Drittel seines Regiments in Brentford abgeschlachtet hatte. Er war bereit, die zivile Kontrolle über die Regierung gegen die Religionsfreiheit einzutauschen. Mr Pym argumentierte, dass dies einer Katastrophe gleichkäme. Wenn das Parlament die Waffen niederlegte, wie es der König forderte, damit es überhaupt zu einer Vertragsunterzeichnung kommen konnte, würden sie alles verlieren, was sie erreicht hatten. Und er wäre der Erste auf dem Schafott.

Vor diesem düsteren Hintergrund betrat ich einen riesigen, zugigen Sitzungssaal in der Nähe der Painted Chamber in Westminster. Lord Stonehouse grüßte mich kurz angebunden und teilte mir mit, dass er meine Notizen um sieben Uhr abends in der Queen Street haben wolle, dann wies er mir eines der Pulte für die Schreiber zu. Es war ein hastig zusammengeschustertes Ad-hoc-Komitee aus Mitgliedern des House of Lords und des House of Commons, dessen eigentliche Aufgabe darin bestand, noch mehr Geld aufzutreiben, und dessen vage definierter Zweck es war, angesichts der Schlacht von Edgehill militärische Forderungen zu stellen. Mit anderen Worten, es war eine jener Versammlungen, in denen die eigentliche Arbeit geleistet wurde.

»Tom! Jetzt seid Ihr einer von uns!«

Es war Mr Ink, bis zum Kragen mit Tinte bespritzt, der mich umarmte. Ich fühlte einen Stich, weil ich fast wieder dort war, wo ich angefangen hatte, aber dann lachten wir über die alten Zeiten, als er mir jene Worte in die Hand gedrückt hatte, die die Welt verändern würden.

»Ich glaube immer noch, dass Worte ein Feuer im Herzen der Menschen entfachen können, Tom«, rief er voll Inbrunst.

Der gute Mr Ink! Traurig erklärte ich ihm, dass Worte zu Verordnungen geworden waren, aber dann tippte mir Mr Pym auf die Schulter. Er feuerte Fragen über Edgehill auf mich ab und schüttelte den Kopf, als ich ihm sagte, dass ich die Schlacht, die ich erlebt hatte, in den Darstellungen der Londoner Flugschriften, die ich gelesen hatte, nicht wiedererkennen würde.

»Warum habt Ihr nicht selbst etwas geschrieben?«

»Mr Black arbeitet für die Regierung.«

»Regierungen müssen zuhören.« Auf seine nervöse, fahrige Art zupfte er an seinem Ziegenbart. »Setzt Euch hierher«, sagte er schroff und deutete auf den Stuhl neben sich.

Ich erklärte ihm, ich sei ein Schreiber, doch da er in Nähe der Schreibpulte saß, bedeutete er mir mit einer ungeduldigen Geste, dass das keine Rolle spiele, und sobald ich mich vergewissert hatte, dass meine Feder gespitzt war, fiel auch schon der Hammer des Vorsitzenden. Es war so, wie ich befürchtet hatte. Der Vorsitzende pries überschwänglich Lord Essex’ großartigen Sieg, obgleich, wie er hinzufügte, kein Sieg so großartig sei, dass man keine Lehre daraus ziehen könne.

In unserer Ecke kratzten die Federn pflichteifrig übers Papier, meine im Einklang mit den anderen. Selbst wenn ich taub gewesen wäre, hätte ich dennoch niederschreiben können, was Lord Essex darauf erwiderte, solche Allgemeinplätze waren es. Mit einem Wort, die Lehre, die es aus Edgehill zu ziehen galt, war Geld. Er brauchte große Mengen davon, um den König zu schlagen. Er ratterte Zahlen herunter. Männer, Pferde, Kanonen, Waffen … wenn man ein genügend großes Heer aufstellte und dem König langsam die Lebensmittel ausgingen, würde ihn das an den Verhandlungstisch zwingen. Bei der Erwähnung von Verhandlungen schüttelte Mr Pym den Kopf, doch Holles und seine Unterstützer nickten resigniert zum Zeichen ihrer Zustimmung. Die meisten Männer am Tisch, einschließlich Lord Stonehouse, zeigten keinerlei Reaktion, weder in die eine noch in die andere Richtung.

Als Essex geendet hatte, gab es eine jener sich in die Länge ziehenden Pausen, die auf einen Redebeitrag folgten, der so mit Zahlen und Fakten angefüllt war, dass er unwiderlegbar schien. Niemand bestritt, dass mehr Geld gebraucht wurde. Geld fehlte immer. Die kratzenden Federn kamen allmählich zur Ruhe. Die Männer husteten, rutschten auf ihren Stühlen hin und her, raschelten mit den Papieren. Jemand fing den Blick des Vorsitzenden auf.