»Mr Cromwell«, sagte er.
Ich hatte kaum Notiz von dem Abgeordneten für Cambridge genommen, seit ich ihn damals in der Lobby hatte sagen hören, dass er nach Neuengland gesegelt wäre, wenn die Große Remonstranz, die dem Krieg den Weg geebnet hatte, nicht angenommen worden wäre. Im Parlament war er ausnahmslos ein verlässlicher Unterstützer von Mr Pym. Er war einer jener Puritaner, die nach einer Jugend voller Ausschweifungen zu Gott gefunden hatten. Ich argwöhnte, dass die Sünden, die er begangen hatte, sowohl von ihm selbst als auch von anderen aufgebauscht wurden, denn er hatte den gequälten Blick eines Mannes, der, sobald er eine Spur zu lange auf den Rock einer Frau schaute, ebenso heftig zu Gott um Verzeihung betete, als hätte er sie geschändet. Einmal überraschte er einen Bekannten damit, dass er ihm das Geld zurückgab, das er vor Jahren beim Würfelspiel von ihm gewonnen hatte. Der Mann hatte es längst vergessen, aber Cromwell bestand darauf, dass er das Geld annehmen müsse, und erklärte, er beginge eine große Sünde, wenn er es behielte.
Im Kampf, in den er sich häufig unbesonnen stürzte, gaben ihm diese sich selbst auferlegten Qualen Auftrieb. Wo andere Menschen zauderten, wurde er von keinerlei Selbstzweifeln zurückgehalten. Er hatte seine Zweifel Gott anvertraut, und Gott hatte ihm Antworten gegeben. Lange bevor der König seine Truppen um sich geschart hatte, war eine Gruppe von Royalisten nach East Anglia geritten, um die Silbertafel der Cambridge Colleges »zu sichern«. Cromwell hatte an der Great North Road ein Spalier aus Musketieren gebildet. Unter Trommelwirbel und wehenden Fahnen marschierte er in das King’s College und beschlagnahmte die Tafel im Wert von zwanzigtausend Pfund für das Parlament.
Nichts davon war diesem harten, knochigen, etwa vierzigjährigen Mann anzusehen. Er hatte das gerötete Gesicht eines Landmannes, und von seinem Kragen würde Sarah sagen, er könnte ein oder zwei gründliche Wäschen vertragen, um den Grauschleier zu vertreiben. Niemand schien große Erwartungen an das zu haben, was er zu sagen hatte, außer, dass er Essex preisen würde. Er unterstützte ihn und hatte als Erster den Antrag gestellt, Essex zum Heerführer zu machen. Und in der Tat lobte er den Earl für seine Tapferkeit und die Standfestigkeit seines Kommandos. Im Raum begann sich jene dumpfe Atmosphäre auszubreiten, wenn die Menschen spürten, dass ein Konsens erzielt wurde, und die Rastlosen unter ihnen anfingen, an Essen und Trinken zu denken.
Dann machte Cromwell eine Pause und fuhr sich mit der Hand durchs zerzauste Haar. Er schob seine Notizen beiseite und blickte über die Köpfe der Männer im Raum. Es war der Blick eines Mannes, der aus einer Landschaft stammte, von der es hieß, ihre Moore seien so flach, dass niemand guten Gewissens behaupten könne, die Erde sei eine Kugel.
»Mylords, Gentleman, der Herr hat uns die Gnade gewährt, in Edgehill keine Niederlage zu erleiden«, sagte er. »Aber können wir es einen Sieg nennen? Wäre das nicht Blasphemie? Hätte Gott dann zugelassen, dass wir nach London zurückgetrieben wurden? Dass Rupert sein blutiges Massaker in Brentford verüben konnte? Dass wir jetzt um einen Frieden feilschen, der uns ein, zwei Penny von dem einbringen wird, was wir verlangen, und einige von uns ihre Köpfe kosten wird? Mylords, in all dem sehe ich Gottes Missfallen, doch auch seine unendliche Weisheit, indem er uns noch eine Chance gibt – die Gelegenheit, eine Lektion zu lernen.«
Seine Sprache wurde grober, sein Akzent deutlicher. »Bei meinem ersten Gefecht in Edgehill sah ich, wie all unsere Männer um mich herum geschlagen wurden. Wir brauchen neue Regimenter. Geld, Zahlen … ich stimme zu, Mylord. Ja. Aber wir müssen das Geld für die richtige Sorte Männer ausgeben. Eure Truppen …«, er sah jeden Mann am Tisch an, »… bestehen in der Hauptsache aus heruntergekommenen Bediensteten, Schankkellnern und dergleichen. Ihre Truppen setzen sich zusammen aus den Söhnen der Edlen und Männern von Rang. Glaubt Ihr, dass Eure gemeinen Burschen von niederer Geburt es in Sachen Mut, Ehre und Entschlossenheit jemals mit Edelleuten aufnehmen können?«
Es war mir egal, wie vernünftig seine Worte waren, denn ich dachte an Jed, und immerhin war ich ebenfalls ein gemeiner Bursche von niederer Geburt, wenn ich nicht gerade der andere war. Doch er schränkte seine Worte bereits ein, indem er sagte, dass ihm ein einfacher Hauptmann in rostrotem Umhang, der wusste, wofür er kämpfte, und liebte, was er kannte, lieber war als einer, der ein Edelmann war und sonst nichts. Da hätte ich mein Leben für ihn gegeben.
Man war entweder Cromwells Mann oder sein erbitterter Gegner, und von dem Moment an, als seine barsche, bezwingende Stimme durch den Raum hallte, war ich Cromwells Mann. Meine Feder flog über das Papier, wie meine Füße über die Straße geflogen waren, als ich die Große Remonstranz bei mir getragen hatte. Ich spürte, dass er ein Feuer in mir entfachte, wie ich es seit jenen ersten berauschenden Monaten nicht mehr empfunden hatte. Kein Prediger hatte mich je so beflügelt wie er. Wenn er sprach, glaubte ich, dass die Welt sich ändern würde und dass sie sich vollkommen verändern würde. Er sprach nicht so wie andere, nannte keine riesigen Zahlen oder malte großartige Visionen. Ganz im Gegenteil. Die Visionen überließ er Gott, er war sein Diener für die Praxis. Er sprach von dem, was er kannte, von seinem Winkel Englands, für den er nicht mehr wollte, als Regimenter aufzustellen.
Es war die Art und Weise, wie er über diese Regimenter sprach, die mich fast von meinem Sitz aufspringen ließ, denn seine Beschreibungen deckten sich mit all den Schwächen, die ich in Edgehill gesehen hatte. Die Männer würden sorgfältig ausgewählt werden, gottesfürchtige und disziplinierte Burschen. Man würde sie nach den Lehren aus der Schlacht ausbilden, nicht nach militärischen Dienstvorschriften. Vor allem jedoch würde die Kavallerie im Mittelpunkt stehen, nicht diese trägen, schwerfälligen Aufstellungen, als sei eine Schlacht ein formelles Duell nach höfischen Regeln. Was zählte, waren Beweglichkeit und der Überraschungseffekt.
Cromwells Rede war solch ein Angriff. Sie glich einem Überfall, der Essex unvorbereitet traf. Denzil Holles, für den Angriff die letzte, nicht die erste Zuflucht war, machte ein zorniges Gesicht. Doch er sah einige der Lords zustimmend nicken, ebenso wie Mr Pym, und hielt sich zurück. Lord Stonehouse nickte weder noch schüttelte er den Kopf, sondern beobachtete die Reaktionen der anderen Männer am Tisch. Er gehörte zu jenen Menschen, die in dieser Phase eines Treffens lieber Gelder frei- als seine Gedanken preisgegeben hätte.
Als Cromwell fertig war, startete Holles seinen eigenen Angriff. Sein Argument war einfach, aber grausam. »Ihr wart nicht in Edgehill, Colonel Cromwell«, sagte er und betonte seinen Rang auf herabsetzende Weise.
»Ich kam zu spät, das ist wahr«, begann Cromwell. »Aber …«
Mehrere Männer begannen durcheinanderzusprechen. Der Vorsitzende bat um Ruhe, konnte die Redner indes nicht zügeln. Vor Erbitterung ließ ich die Feder zu Boden fallen und erhob mich, um sie wieder aufzuheben. Holles Angriff war so billig und überheblich, dass ich den Mund aufmachte, um etwas zu sagen. Doch ich fing einen Blick von Lord Stonehouse auf, den ich für eine stumme Warnung hielt. Mr Pym sagte etwas zu mir, aber in dem Getöse verstand ich ihn nicht. In meiner Aufregung zertrat ich meine Feder mit dem Stiefel. Ich erinnerte mich, in der abendlichen Dämmerung in Edgehill beobachtet zu haben, wie ein später royalistischer Kavallerieangriff von der Parlamentsreiterei zurückgeschlagen wurde, angeführt von einem Mann, der seinen Helm verloren hatte.
»Ihr wart nicht dort!«, rief Holles gerade.
Bebend schleuderte ich meine zerbrochene Feder fort. »Ich war dort, Sir«, rief ich. »Und ich sah Cromwell am späten Nachmittag, bei einem Gegenangriff auf dem Schlachtfeld.«