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Sie versuchte mich zum Schweigen zu bringen, doch ich gab erst Ruhe, als ich aus der Ferne Mr Blacks Grummeln hörte, gefolgt von Mrs Blacks schriller Stimme.

»Da ist jemand!«

Ich hörte ihn sagen: »Das ist Tom. Lass ihn so viel hämmern, wie er will.« Dann murmelte er etwas. Mrs Blacks Stimme wurde lauter, schärfer und drängender. »Ich höre jemanden reden!«

Was immer Mr Black erwiderte, wurde von wütenden Gepolter und knarrenden Dielen übertönt.

Bis jetzt hatte ich in Annes Tonfall nichts vernommen außer Heiterkeit und Spott, doch jetzt war Panik in ihrer Stimme. »O Gott! Er darf mich hier nicht finden!«

»Geh! Geh jetzt!«, drängte ich.

Ihre Schlafkammer befand sich ein Stockwerk über der von Mr und Mrs Black. Sie konnte es gerade noch schaffen. Als das Licht ihrer Kerze verschwand, hörte ich oben die Tür gehen, und einen Moment später war sie wieder da.

»Es ist zu spät. Er kommt die Treppe herunter.«

»Öffne die Tür!«

Sie stöhnte leise vor Furcht. »Nein!«

»Öffne sie!«

Ich hörte, wie der Schlüssel umgedreht wurde, und machte die Tür auf. Anne trug ihr grünes Nachtgewand, genau wie ich es mir ausgemalt hatte. Den Rest hatte ich mir nie vorgestellt. Ihr wundervolles Haar war unter einer abgrundhässlichen Nachtmütze verborgen. Das hochmütige, spöttische junge Mädchen war verschwunden und zu diesem zitternden Etwas geworden, das Gesicht genauso blass wie die Kerze, die sie in der Hand hielt. Als ich das Gedicht schrieb, glaubte ich, wie alle Jungen es tun, ich wüsste alles über die Liebe. Ich schaute in ihre Augen, sah ihren wilden Blick umherhuschen wie bei einem gefangenen Tier und begriff, dass ich nichts wusste, außer, dass ich sie jetzt noch mehr liebte.

Bei meinem Anblick sah sie furchtsamer aus als je zuvor und wich auf die Treppe zurück. Ich nahm den Schlüssel aus dem Schloss.

»Wer ist da?«, rief Mr Black laut.

Anne wich erneut zurück. Ich zog sie an mich und hielt ihr den Mund zu, aus Angst, sie könnte schreien. Ich flüsterte ihr ins Ohr: »Bleib hier! Wenn du in der Werkstatt Lärm hörst, lauf zurück auf dein Zimmer!«

Ich blies die Kerze aus, erstickte ihren leisen Angstschrei und schlich die Treppe hinauf.

»Wer ist da?«, wiederholte Mr Black.

Ich hörte eine morsche Stufe knarren, gefolgt von Mr Blacks gemurmeltem Fluch, und wusste, dass er beinahe unten war. Ich schlüpfte in die Küche, als er mit erhobener Kerze den Raum betrat. Der flackernde Lichtstrahl wanderte auf mich zu. Ich duckte mich hinter einen Stuhl. Von hier aus konnte ich in die Druckerwerkstatt sehen.

Als Mr Black sich, die Kerze in der einen Hand, den Stock in der anderen, der Treppe näherte, die in den Keller führte, schleuderte ich den Schlüssel in die Werkstatt. Er traf die Druckerpresse und, zu meinem großen Glück, verschob einige der trocknenden Blätter. Die Klemmen, die sie beschwerten, fielen polternd zu Boden.

»Diebe!«, schrie Mr Black, setzte die Kerze ab und rannte in die Werkstatt. Ich folgte ihm, lief geduckt um die Presse herum und versuchte zur Tür zu gelangen, doch er sah mich und schnitt mir den Weg ab. Er hob seinen Stock. Was immer auch mein vager Plan gewesen war, stürzte in sich zusammen.

»Du bist es!«, rief er. »Wie bist du da rausgekommen?«

»Lauf!«, schrie ich. »Lauf!«

»Ihr seid also zu zweit!«

Ich wich dem ersten Hieb aus. Er stand mit dem Rücken zur Küche, und ich erspähte Annes versteinertes Gesicht, als sie die Kellertreppe heraufkam.

»Ich werde mit zweien von deiner Sorte fertig!«

Durch Annes Anblick abgelenkt, erwischte mich der nächste Schlag, und ein dritter warf mich zu Boden.

»Wo ist der andere? Wer hat dich herausgelassen?«

Ich schützte meinen Kopf mit den Armen und rollte mich zu einem gefügigen Ball zusammen, wie ich es so viele Male zuvor getan hatte, um seine Schläge zu empfangen. Doch bei der Vorstellung, er könnte Anne entdecken, begann ich zu kämpfen, wie ich nicht mehr gekämpft hatte, seit sie mich aus Poplar fortgeholt hatten. Unter Schmerzen und wie durch einen verschwommenen Nebel sah ich seine Beine, nur wenige Zoll von mir entfernt, packte sie und zog. Als er erneut zuschlagen wollte, verlor er die Balance und stürzte. Sein Gesicht zeigte großes Erstaunen, als er mit solch einer Wucht auf dem Boden aufschlug, dass ich glaubte, das Haus müsste zusammenbrechen.

Ich war schon an der Tür und nestelte am Schlüssel herum, ehe ich begriff, dass er sich nicht rührte und keinen Ton von sich gab. Ich ging zu ihm zurück. Mr Black lag ganz still, die Augen geschlossen. Ein wilder Gedanke nach dem anderen jagte durch meinen Kopf. Ich war verliebt. Und ich hatte ihr gesagt, dass ich sie liebte. Und einen Moment später brachte ich ihren Vater um!

Als ich mich über ihn beugte, schlug er die Augen auf und packte mein Handgelenk. Er war ein kräftiger Mann, und ich konnte mich nicht loswinden. Ich hielt mich am Tisch fest, um zu verhindern, dass er mich zu Boden zog. Ein Stuhl fiel krachend um.

»Verdammt seist du!«, keuchte er und schnappte nach Luft. »Wirst du wohl hierbleiben!«

Ich dachte, er würde mir das Handgelenk brechen. Mit der anderen Hand drückte er sich vom Boden ab und stand auf. Einen Moment später, und ich wäre gefallen. Ich stellte gerade meinen Stiefel auf die Hand, die er als Hebel benutzte, als ich Anne von oben in die Küche kommen sah, als sei sie gerade erst aufgewacht. Ein Ausdruck des Entsetzens lag auf ihrem Gesicht, als ihr Vater vor Schmerz aufschrie und mich losließ. Ich wollte etwas zu ihr zu sagen, aber ihr Vater versuchte erneut voller Zorn, mich zu packen, und ich machte, dass ich zur Tür kam, zerrte am Riegel und war schon auf dem Half Moon Court, ehe er die Tür erreichte und hinter mir herbrüllte.

»Halt! Du kleiner Narr! Du bist in großer Gefahr! Komm zurück! Ich muss mit dir reden!«

Ich wollte schon zur Cloth Fair rennen, doch ich blieb stehen und drehte mich um. Beinahe wäre ich umgekehrt. Ich wünschte, ich hätte es getan. Ich zögerte nicht aufgrund dessen, was er mir zurief, denn ich fasste seine Warnung vor der Gefahr, in der ich schwebte, nur als weiteres Geschwätz über die Gefahren für meine Seele auf. Doch da die Hölle nicht ärger sein konnte als dieser finstere, rattenverseuchte Keller, beschloss ich auf der Stelle, dass ich in Zukunft selbst für mein Seelenheil sorgen würde.

Nein, es war der Ausdruck des Entsetzens auf Annes Gesicht, als ich auf die Hand ihres Vaters getreten war, der mir ins Herz schnitt und mich zögern ließ. Mr Black kam auf mich zu. Der Zorn war aus seinen Zügen gewichen. Stattdessen spiegelte sein Gesicht dieselbe Besorgnis, die ich erst wenige Stunden zuvor gesehen hatte, als er mich gelobt hatte.

Ich zögerte immer noch, während er näherkam. Wenn ich zurückkehrte, was sollte ich Anne sagen? Erklären? Was erklären? Mich entschuldigen? Warum sollte ich mich entschuldigen? Ich hatte so viele Schläge eingesteckt, und ich würde es nicht länger dulden. Trotzdem blieb ich stehen, bis er mich fast erreicht hatte, denn er war mein Master, und ich respektierte ihn und hielt ihn für einen guten Mann. Anders als George schlug er niemals aus Bösartigkeit, sondern nur, damit ich mich dem beugte, was er für das Richtige hielt.

Und so stand ich da, hypnotisiert von den dunklen Augen inmitten der tiefen Falten seines Gesichts. Er war beinahe nah genug, um mich zu berühren, als ich über dem krummen Vorsprung des Hauses die ersten Lichtstrahlen am Nachthimmel entdeckte.

Unvermittelt brachten sie die Erinnerung an den dunklen Keller mit aller Macht zurück, an dieses entsetzliche Sehnen, die ersten winzigen Lichtblitze durch den Putz zu erspähen, dass ich meinen Blick von ihm losriss, mich umdrehte und rannte.

Er rief noch etwas, aber ich konnte ihn nicht länger verstehen. Ich rannte durch Cloth Fair nach Smithfield, wo bereits die ersten Rinder auf den Markt geführt wurden. Ich warf meine blaue Mütze fort, die mich als Lehrjungen auswies, und war auf der Stelle inmitten der trampelnden Hufe verborgen. Es gab zwei Hirten. Ich hob einen Stecken auf und wurde zum dritten, so wie ich es manchmal als kleiner Junge in Poplar getan hatte.