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Und dieser Stecken, mit dem ich die schwankenden Rinderleiber anstupste, sowie das Licht, das sich langsam in den Nachthimmel über dem großen Marktplatz fraß, wie ich es so oft mit halbgeschlossenen Augen drüben am Hafen gesehen hatte, wenn Matthew und ich zur Werft stolperten, erfüllten mich mit einer überwältigenden, quälenden Sehnsucht nach zu Hause.

5. Kapitel

Ich wünschte von ganzem Herzen, ich wäre eher nach Poplar zurückgekehrt, aber ich wagte es nicht, den direkten Weg durch Aldgate zu nehmen, aus Angst, beobachtet zu werden.

Ich brach nicht nur mein Wort: Die Kleider, die ich am Leib trug, und die Stiefel an meinen Füßen gehörten Mr Black. Nachdem ich zum ersten Mal davongelaufen war, einen Monat nach meiner Ankunft, war ich prompt gefasst worden. Damals hatte man mir eingeprügelt, dass ich die Kleidung, die ich trug, gestohlen hätte, und dass man mich dafür in Newgate einsperren könnte.

Statt nach Osten zu gehen, wie man es gewiss von mir erwartete, machte ich mich auf den Weg zum Fluss mit der vagen Hoffnung, einen Fährmann zu überreden, mich überzusetzen. An der Blackfriars Treppe lachten sie oder schüttelten den Kopf. Aber weiter flussabwärts reparierte ein Fährmann sein Boot, das arg durchlöchert war. Ich half ihm, kochte das Pech, wie ich es früher getan hatte, und kalfaterte das Boot. Ich schlief in seiner Hütte, in die der Nebel kroch wie ein alter Freund, so wie ich es von zu Hause gewohnt war, wenn er aus dem Moor aufstieg und das gegenüberliegende Ufer des Flusses verschwinden ließ.

Der Fährmann bezahlte mich mit Brot, getrocknetem Leng und Aal sowie einer Seemannsmütze und einer zerrissenen Jacke, mit der er eines der Löcher in seinem Boot ausgestopft hatte. Die Mütze und die zerlumpte Jacke halfen, meine Uniform zu verbergen, bis ich endlich die Poplar High Street erreichte. Der Nebel hüllte die Häuser in weiche, unbestimmte Schatten und dämpfte die Schritte, so dass ich, als ich mich mit wachsender Erregung unserem alten Haus näherte, beinahe in eine Frau hineingerannt wäre. Eine Entschuldigung murmelnd, wich ich ihr aus.

»Tom!«

Sie war so in Kleider gehüllt und hatte ein Tuch vor ihr Gesicht geschlungen, dass ich sie nur an der Stimme als unsere alte Nachbarin erkannte. »Mutter Banks!«

Ich trat auf sie zu, um sie zu umarmen, doch ein Unterton in ihrer Stimme ließ mich innehalten. »Ich hatte gebetet, dass du kommst.«

»Warum? Ist meine Mutter krank?«

»Du weißt es nicht? Gott behüte uns!«

Sie schaute die Straße hinab. Ich folgte ihrem Blick und sah inmitten der verschwommenen Häuserzeile eines, das herausstach wie ein ausgebrochener Zahn. Ich rannte los. Die Tür hing in den Angeln. Die Nachbarhäuser schienen nur wenig Schaden genommen zu haben.

Das Dach unseres Hauses war noch intakt, doch die Fenster waren klaffende Löcher, das Holz der Rahmen rußgeschwärzt. Die Tür stand einen Spalt offen. Ich stieß sie auf, und ein stechender feuchter Geruch stieg mir in die Nase. Holz von halbverbrannten Balken zerbröselte unter meinen Füßen, als ich die Kammer betrat, in der Susannah gelebt und geschlafen hatte. Hinter mir hörte ich Mutter Banks.

»Es tut mir so leid, Tom. Sie starb in den Flammen.«

Ich drehte mich um, und sie zog mich eng an sich.

»Was ist passiert?«

Sie erzählte mir, dass sie mitten in der Nacht durch Schreie und Rauchgeruch geweckt worden war. Als Mutter Banks zu unserem Haus kam, hatten die Nachbarn bereits Wasser herangeschafft, denn die Häuser in der Straße waren so baufällig, dass es schon mehrmals gebrannt hatte und überall in der Gasse Wasserfässer aufgestellt worden waren. Die Leute glaubten, das Feuer sei durch eine Kerze entfacht worden, die Susannah brennen gelassen hatte, als sie schlafen gegangen war. Das Feuer musste schon eine ganze Weile gebrannt haben, ehe die Nachbarn davon geweckt wurden, denn Susannah war vom Rauch dahingerafft worden.

Ich fand den eisernen Kessel, den sie immer auf dem Feuer stehen hatte, und einen verbogenen zinnernen Kerzenhalter, auf den sie sehr stolz gewesen war, obwohl ich mir keinen Grund dafür vorstellen konnte.

»Wenn die Männer nicht gewesen wären, wäre es noch viel übler ausgegangen.«

Ich ließ den Kerzenhalter fallen. »Männer? Was für Männer?«

»Logiergäste.«

»Seeleute?«

»Susannah sagte, sie kämen vom Hafen. Sie selbst sagten, der Schiffsbauer habe sie geschickt.«

»Wie sahen sie aus?«

»Ich habe sie nie gesehen, bei dem Rauch und allem. Sie waren nur für eine Nacht hier. Sie haben Susannah herausgeschleppt. Sobald das Feuer gelöscht war, sind sie gegangen.«

»Wann war das?«

»Mittwoch.«

Einen Tag, nachdem ich vom Half Moon Court fortgelaufen war. Ich kletterte an dem nach oben, was von der Stiege übrig geblieben war. Der Treppenabsatz, auf dem ich früher geschlafen hatte, war sicher, und die Kammer, die Susannah vermietet hatte, war versengt, aber halbwegs unbeschädigt. Und das Dach, das normalerweise rasch Feuer fing und es weiter trug, war nahezu unberührt.

Ich ging wieder nach unten.

»Es sieht aus, als sei es hier unten ausgebrochen. Ihr habt Glück gehabt.«

»Ja. Ich habe dem Herrn gedankt.« Mutter Banks faltete die Hände. »Erst vor Kurzem sind neben der Kirche zwei ganze Straßen niedergebrannt. Wir hatten Glück, dass die Männer so rasch reagiert haben.«

Ich ging im Zimmer herum, in dem Susannah geschlafen hatte und in dem der größte Schaden entstanden war. König James hatte gesagt, London sei »aus Stecken errichtet«, und er wolle es »aus Steinen erbauen«, aber in den östlichen Vororten hatte er damit aufgehört, da der Sumpf diese Häuser nicht tragen würde. Als die Bauarbeiter in aller Eile die Häuser für neue Werftarbeiter hochgezogen hatten, hatten sie die Zwischenräume zwischen den Holzbalken mit einer Mischung aus Mörtel und Lumpen verstopft, die sich bei einem Brand rasch auflöste. Die Trümmer knirschten unter unseren Füßen, während der feuchtkalte Nebel von der Straße uns umhüllte.

Erneut hob ich den Kerzenhalter auf und drehte den verbogenen Ständer in meinen Fingern. Ich erinnerte mich, dass ich einmal versucht hatte, mich damit nach oben zu schleichen, damit ich noch lesen konnte, nachdem alle anderen sich schlafen gelegt hatten. Es war das einzige Mal gewesen, dass ich Susannah jemals wütend erlebt hatte.

Ich schüttelte den Kopf. »Susannah hätte die Kerze niemals brennen lassen.«

Mutter Banks drückte sachte meine Hand. »Sie muss es getan haben, Tom.«

Ich entzog mich ihrer Berührung und schleuderte den Kerzenständer fort. »Ich glaube es nicht!«

Meine plötzliche Heftigkeit ängstigte sie, diese Mischung aus Wut, Bestürzung und Trauer, die unvermittelt aus mir hervorbrach. Mir erging es nicht anders. Ich konnte nicht aufhören zu zittern. Zwei Männer. Am Tag, nachdem ich davongelaufen war. Die das Offensichtliche vermuteten und annahmen, ich sei geradewegs nach Poplar gegangen. Die nicht mich, sondern meine Mutter fanden.

»Wo ist sie?«

»Begraben. Gestern. Es tut mir leid, Tom, es tut mir so leid. Komm mit mir.«

Ich war wieder wie ein Kind und wechselte von Ungestüm zu unkontrolliertem Schluchzen. Mutter Banks führte mich zu ihrem Haus und murmelte, dass die Tränen mir gut täten, aber ich glaubte ihr nicht und konnte mir nicht vorstellen, dass ich mich je wieder besser fühlen würde. Zuerst hatte ich Matthew verloren – denn ich war überzeugt, ihn nie wiederzusehen –, und jetzt Susannah!