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Mutter Banks hatte nur wenig Kohlen, also kehrte ich zurück in die Ruine unseres Hauses und klaubte Stücke halbverbrannten Holzes auf. Der klamme gelbe Nebel draußen war inzwischen so dick, dass beharrlich eine dumpfe Schiffsglocke ertönte, denn jedes Schiff, das noch keinen sicheren Platz gefunden hatte, musste ganz langsam fahren. Mutter Banks entzündete ein Feuer und wärmte etwas dicke Suppe auf, die ich mich zunächst weigerte zu essen, dann aber gierig verschlang.

Der leere Teller entglitt meinen Fingern. Ich spürte, wie sie ihn mir sanft aus der Hand nahm.

»Sie hätte … niemals … eine Kerze brennen lassen«, wiederholte ich dickköpfig.

»Susannah hat sich verändert. Sie war nicht mehr so, wie du sie gekannt hast.«

»Verändert?«

»Schhh. Versuch zu schlafen.«

»Wie hat sie sich verändert?«, murmelte ich.

»Sie ist Laienpredigerin geworden.«

»Eine Frau als Predigerin?«

Ich lächelte. Das war die Art Geschichte, die ich bei den Flugschriften liebte, die Sorte, von der man nie wissen konnte, ob sie wahr war, aber von der man hoffte, sie sei es. Es waren diese Geschichten, welche die Leute für einen oder zwei Pennys kauften und am Feuer nacherzählten, bis viele Menschen sie glaubten. Die Art von Geschichte, über der man einschlief. Doch diese hier machte mich putzmunter, und erstaunt starrte ich Mutter Banks an.

Susannah hatte aufgehört, zu Mr Ingram nach St. Dunstan’s zu gehen, und hatte sich stattdessen einem unabhängigen Pfarrer angeschlossen, bei dem man seine Gebetete im Stillen verrichtete, bis eine Person sich berufen fühlte zu sprechen. Den meisten Frauen fehlten die Worte, und sie wandten sich an den Pfarrer, einen Mann, damit er sie führte; doch es schien, als habe Susannah das besessen, was er die Gabe der Zungenrede nannte. Sie erhob sich und schlug den Raum in ihrem Bann, während ihre Worte überall ertönten.

Sie sagte, der große Tumult in London, der vom Parlament angestachelt wurde, kündige von der Wiederkunft des Herrn. Christus sei wiedergeboren, dieses Mal nicht in einem Stall, sondern in einer Pestgrube. Sie behauptete, einen Zeugen dafür zu haben, und gab eine ungereimte Geschichte aus Bibelzitaten und Erlebnissen von sich, die ihr angeblich selbst zugestoßen waren. Oxford wurde zu Bethlehem, und König Charles zu Herodes.

Aus den umliegenden Gemeinden begannen die Menschen zu ihr zu kommen, selbst diejenigen, die sie für verrückt hielten, denn eine fremde Stimme sprach aus ihr. Manche glaubten tatsächlich an ihre Prophezeiungen, dass sich erneut Menschen gegen Christus verschworen hätten.

»Was haltet Ihr von dem, was meine Mutter gesagt hat?«, fragte ich.

Sie zögerte. »Zuerst glaubte ich, es sei der Hunger.«

»Hunger?«

»Sie hat gefastet. Tagelang nahm sie nichts zu sich außer Dünnbier. Dann …« Sie zögerte erneut. Ein Holzscheit sackte ein und warf einen flackernden Lichtschein auf ihr Gesicht. »Sie sprach in Rätseln, wie in der Bibel. Sie sagte, du seist ihr Kind und doch nicht ihr Kind.«

Ich lachte. »Was soll das heißen?«

Die flackernde Flamme erstarb, und ihr Gesicht lag im Dunkeln. »Es gab ein Kind, das seiner Mutter gehörte und nicht seiner Mutter«, sagte sie.

Ich hörte auf zu lachen und starrte sie an. Sie hatte die Hände gefaltet, und ihr Gesicht kam erneut ins Licht des Feuers. »Ich habe so sehr darum gebetet, dass du kommst! Und als du so aus dem Nebel getreten bist … da dachte ich … einen Moment …«

Ich ergriff ihre Hände und schüttelte den Kopf, unfähig zu sprechen, so überwältigt war ich von dem Ausdruck des Vertrauens und der Hoffnung in ihrem Gesicht.

»Ihr seid nicht … Er, der gekommen ist?«

Sie streckte eine Hand aus, um mein Gesicht zu berühren, und ich nahm sie und küsste sie. Jetzt konnte ich nicht anders und lächelte und lachte.

»Nein, nein, Mutter Banks, es tut mir leid, aber danke … ich wurde schon so oft für den Teufel gehalten! Aber ich hoffe, ich bin weder das eine noch das andere. Ich bin derselbe alte Tom, Tom Neave, die Hände so schwarz wie eh und je. Seht Ihr? Doch jetzt ist es Tinte, kein Pech.«

Ich umarmte sie, und sie lachte mit mir, denn wir beide brauchten etwas Fröhlichkeit an diesem düsteren Tag. Sie lachte vor Erleichterung und noch aus einem anderen Grund, denn wie ich hatte sie eine Neigung zum Praktischen. Gleichwohl spürte ich einen Hauch des Bedauerns bei ihr und sah erneut den schmalen Grat zwischen den Geschichten, die wir einander erzählten, und jenen, die wir für wahr hielten.

Als ich in jener Nacht schließlich vor dem niedergebrannten Feuer auf den Schlaf wartete, ging und ging mir Susannahs Rätsel nicht aus dem Kopf. Ihr Kind und doch nicht ihr Kind. Zum ersten Mal begann ich Fragen zu stellen, die ich mir schon längst hätte stellen sollen.

Hatte ich nicht zu leicht die Geschichten geglaubt, die ich mir selbst erzählt hatte? Zum Beispiel, dass Mr Black mich aus keinen anderem Grund zu seinem Lehrjungen gemacht hatte, als dass er von meiner wundersamen Gabe des Lesens gehört hatte?

Während der Nacht kam ein bitterer Ostwind auf und vertrieb den Nebel. Mutter Banks brachte mich nach St. Dunstan’s und zeigte mir die unmarkierte Stelle, an der Susannah begraben lag. Ihr Grab befand sich in einer vernachlässigten Ecke, dort, wo der Wind über das Marschland fegte. Er beugte die Bäume in eine Richtung, während die Kirche sich, nachdem der Boden abgesackt war, zur anderen neigte. Es gab keine Grabsteine, und das ungeschnittene Gras wucherte, bis auf die Stelle mit dem frischen Grab.

Zumindest bot die Stelle einen weiten Blick über die Marsch, die ich so liebte, und wo das Land, in dem die Flut glänzende Wasserpfützen hinterlassen hatte, mit dem tiefen grauen Himmel verschmolz. Erneut spürte ich Tränen aufsteigen, ich sank auf die Knie und versuchte zu beten, konnte aber nicht aufhören, an die beiden Männer und das Feuer zu denken.

Wir markierten ihr Grab mit einem kleinen Steinhaufen, und ich schwor, eines Tages zurückzukehren und einen ordentlichen Stein aufzustellen.

»Ist an dem Abend vor dem Feuer irgendetwas Besonders geschehen?«, fragte ich auf dem Rückweg.

»Nein. Nun ja …« Mutter Banks zögerte.

»Was?«

»Als ich hinausging zum Abtritt, hörte ich Susannah schreien und rufen.«

»Habt Ihr an die Tür geklopft?«

»Nein.« Sie schluckte nervös. »Ich hatte Angst! Du weißt nicht, wie sie war, Tom! Sie konnte mitten in einer Versammlung aufstehen und schreien, dass der Herr über sie gekommen sei.«

»Hat sie das an dem Abend auch gerufen?«

»Nein, nein, ich kann mich nicht erinnern. Nun ja … ich hörte sie rufen ›Gott weiß, dass ich nicht weiß, wo er steckt!‹ Dann wurde es still. Ich dachte, sie hätte im Schlaf geschrien.«

Im Trockendock stand das Skelett eines neuen Schiffes, aber keine Männer arbeiteten daran, als ich nach dem Besuch des Friedhofs dorthin ging. Auf meinem Weg ins Kontor des Schiffsbauers kam ich an einem Eimer mit erstarrtem Pech vorbei.

Der Schiffsbauer machte eine Bemerkung, wie groß ich geworden sei, und sagte, früher habe er stets zu mir hinunterblicken müssen, und jetzt müsse er aufblicken. Ohne meine feuerroten Haare und die wie ein Bug hervorstehende Nase hätte er mich gar nicht erkannt. Er nahm an, dass ich wegen Susannahs Tod zurückgekehrt sei, und ich erzählte nichts davon, dass ich meinen Vertrag gebrochen hatte, doch in seinem Gebaren lag eine Nervosität, als hege er einen Verdacht. Er hatte ein verletztes Bein, und als er die Schritte eines der wenigen Arbeiter draußen auf dem Hof hörte, humpelte er rasch zur Tür, um zu sehen, wer es war, als fürchte er einen unwillkommenen Besucher.

Die meisten Männer seien weitergezogen, um sich eine andere Arbeit zu suchen, erklärte er mir. Nachdem der Kiel des Schiffes draußen auf Stapel gelegt worden war, war das Geld ausgegangen. Drei Edelleute waren an dem Boot beteiligt. Als einer von ihnen wegen Schulden eingesperrt worden war, hatten sich die anderen geweigert zu zahlen, bis sie den Anteilseigner ersetzt hatten. Er sagte, solange der Streit zwischen dem König und dem Parlament anhielt, kümmere sich niemand mehr um seine Geschäfte, genauso wenig wie um das Skelett des Schiffes, das langsam zu verrotten begann.